Hinsichtlich der Akzeptanzprobleme bezüglich des automatisierten Fahrens kann man auch die Frage stellen, ob das nicht einfach eine gewisse Zeit braucht, bis sich die Menschen daran gewöhnt haben. Als die ersten U-Bahnen fahrerlos fuhren, gab es auch Unsicherheiten bei den Fahrgästen. Die fahrerlosen Züge können auch als Beispiel dafür gelten, dass es darüber hinaus auch eine gewisse Zeit dauert, bis die Systeme fehlerfrei funktionieren. Bröckelmann: »Jedes dritte Mal, wenn ich am Münchner Flughafen die fahrerlosen U-Bahnen nutzen möchte, ist das System kaputt.« Dass in San Francisco die fahrerlosen Züge zwischen Flughafen und Parkhäusern bzw. Mietwagenstation seit Jahren problemlos ihren Dienst erledigen, kommentiert Thomas Rothhaupt, Director Sales & Marketing bei Inova Semiconductors, lapidar: »Allerdings wurden auch drei Jahre gebraucht, um das System zum Laufen zu bringen.« Ein Szenario, das im Automotive-Markt so wohl eher nicht möglich ist.
Wenn die Einführung von Lidar doch länger dauert, könnte dann eine andere Technologie sie überflüssig machen? Also nicht, indem der dritte Sensor wegfällt, sondern indem Lidar durch eine andere Technik ersetzt wird. Aus der Sicht von Adlkofer käme das auf den Use Case an. Geht es um Einparken im Parkhaus und eine maximale Geschwindigkeit von 10 km/h, »dann ist das Bild, das die Kamera und das Rader erzeugen, scharf genug. Wenn ich aber mit 150 km/h auf der Autobahn fahren möchte, ist das Bild nicht mehr scharf genug. Das sind die Use Cases, die irgendwann gewisse Technologien erzwingen«, so Adlkofer weiter.
Automatisiertes Fahren auf der Autobahn
Automatisiertes Fahren auf der Autobahn soll schneller kommen, also nicht erst 2030. Bröckelmann möchte in diesem Fall aber nicht vorhersagen, ob dem Fahrer dann erlaubt sein wird, die Hände vom Steuer zu nehmen. Aber wenn der Fahrer die Hände nicht vom Steuer nehmen kann, sondern ständig bereit sein muss, die Kontrolle zu übernehmen, welchen Sinn haben solche Systeme dann? Es ist leicht vorstellbar, dass Leute, die viel auf Autobahnen unterwegs sind, durchaus an Systemen interessiert sind, die ihnen einen Teil der Fahrt abnehmen, doch wenn das nicht erlaubt ist, wer kauft sich dann solch ein Fahrzeug, das solche Systeme aufweist?
Ein Fahrzeug, das zwar alleine fahren kann, das allerdings alle 20 bis 30 Sekunden den Fahrer auffordert, dass er das Lenkrad wieder anfassen muss, um zu zeigen, dass er noch lebt, kann nicht des Rätsels Lösung sein. Denn in vielen Fällen hat das zur Folge, dass die Fahrer diese Systeme erst gar nicht einschalten, denn es bietet ja keine Vorteile. Doch Blechschmidt ist überzeugt, dass diese Probleme technisch zumindest bald überwunden werden können. Denn viele Automobilhersteller arbeiten an der Integration von biometrischen Funktionen im Lenkrad oder im Sitz, mit denen der Zustand des Fahrers überwacht werden kann. Blechschmidt: »Allein die Regelung, dass der Fahrer in einer gewissen Zeit das Steuer wieder übernehmen können muss, heißt, dass das Fahrzeug erkennen können muss, ob der Fahrer überhaupt noch lebt. Die Biofunktionsüberwachung wird kommen, und die wird dann sagen, ob der Fahrer wach ist und das Fahrzeug wieder übernehmen kann. Wenn über diese Überwachung festgestellt wird, dass der Fahrer schläft, dann weiß das Fahrzeug, dass es den Fahrer wieder aufwecken muss, damit er wieder übernehmen kann.« Und Wiese fügt hinzu: »Ab Level 3 wird die biometrische Überwachung ein Muss.«
Sternengucker
Wann also glauben die Halbleiterhersteller, dass das pilotierte Fahren auf der Autobahn möglich sein wird? Diese Frage möchte keiner konkret beantworten. Adlkofer ist aber überzeugt, dass solche Systeme in den USA schneller zum Einsatz kommen werden als in Europa bzw. Deutschland. »Dort wird das Testfeld sein. Dort wird der Early Mover, sprich der OEM, sich dem Risiko aussetzen und sich darüber differenzieren« so Adlkofer. Dass pilotiertes Fahren Vorteile hat, denkt er, wird keiner bestreiten. Ob ein OEM aber das Risiko eingehen möchte, finanziell und hinsichtlich der Reputation, ist schon eine andere Frage. Und da hätte ein Unternehmen, das keine lange Historie hinsichtlich supersicheren Autos hat, Vorteile. Solche Unternehmen können ein höheres Risiko eingehen als OEMs, die die letzten 30Jahre damit geworben haben, dass ihre Autos besonders sicher sind.
Im Vergleich zu den USA wäre im europäischen Raum erst eine Regulierung notwendig, bevor solche Fahrzeuge in Gebrauch gebracht werden können. In USA ist das anders. Wenn dort etwas passiert, »dann trifft man sich eben vor Gericht. Dann werden die Referenz-Cases gemacht und dann wird die Rechtsprechung darüber abgeleitet«, so Adlkofer abschließend. Also heißt es auch weiterhin: abwarten.