Auf dem Weg zur Industrie 4.0 bleibt die SPS sich einerseits treu und entwickelt sich andererseits zum Edge-Controller. Dr. Bernhard Quendt, CTO der Siemens-Division Digital Factory, löst den scheinbaren Widerspruch auf.
Markt&Technik: Ist ein Edge-Controller überhaupt etwas grundlegend anderes als eine SPS?
Dr. Bernhard Quendt: Die SPS ist schon seit Jahrzehnten eine Art Edge-Controller, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Sie bildet nämlich die Grenze zur physischen Welt. In der Automatisierung war die Welt jenseits der physischen Welt bisher eher klein, aber in den letzten Jahren zeigt sich dort das größte Wachstum der Datenmenge. Dementsprechend hat die SPS ihre Außenschnittstellen angepasst, indem sie sich besser als früher in IT-Welten integrieren kann, in denen Ethernet und darauf aufsetzende Protokolle dominieren.
Wie ändert sich der Aufbau von Automatisierungssystemen auf dem Weg zur Industrie 4.0?
Industrie 4.0 treibt den Wandel bezüglich Datenmengen und deren Verarbeitung weiter voran. In der bisherigen Automatisierungspyramide korrespondierte die Breite einer Ebene grob mit der in ihr anfallenden Datenmenge. In dieser Hinsicht wird sich die Pyramide mit der weiteren Digitalisierung quasi auf den Kopf stellen.
Die Funktionalität der bisherigen Ebenen wird erhalten bleiben, die bisher fest definierte Zuordnung der Ebenen zu dedizierten Geräten wird aber verschwinden. Die SPS als Edge-Controller und Gerät der Controller-Ebene wird im Rahmen von Industrie 4.0 beispielsweise auch Funktionen der SCADA- oder MES-Ebene ausführen.
Welche Eigenschaften qualifizieren heutige SPSen für Edge Computing?
Im Moment werden hier gegensätzliche Konzepte propagiert, die eigentlich gar nicht so gegensätzlich sind, sondern eher fließend ineinander übergehen. Die SPS ist dadurch gekennzeichnet, dass sie einen physikalischen Prozess überwacht und steuert, der je nach Anwendung und Branche hohe Anforderungen an Determinismus und Reaktionszeit hat. Die SPS ist darüber hinaus zunehmend in der Lage, Aufgaben zu übernehmen, die eine zeitunkritische Datenvorverarbeitung möglichst nahe am Prozess erfordern. Durch den Einsatz von Multicore-Prozessoren in der SPS hat diese zum einen genügend freie Rechenleistung und kann zum anderen auch sicherstellen, dass die zusätzliche Datenverarbeitung keine negativen Rückwirkungen auf die Qualität der echtzeitkritischen Prozesssteuerung hat. Die SPS wird damit erweitert zum Edge-Controller.
Können Edge-Controller harte Echtzeit überhaupt erreichen?
Das hängt vom Hersteller ab. Heutige Edge-Controller können dies oft nicht leisten, weil sie normalerweise von Unternehmen kommen, die sich bisher mit reiner Datenverarbeitung beschäftigt haben, bei der keine Korrelation mit der physischen Welt gegeben war und harte Echtzeit selten eine Anforderung.
Wie schon gesagt, lässt sich die SPS relativ einfach zu einem Edge-Controller erweitern und behält ihre harte Echtzeitfähigkeit ohne Abstriche. Soll ein bisheriger Edge-Controller hingegen sukzessive echtzeitfähig werden, muss neben der reinen Technik auch das Branchenwissen adaptiert werden, weil die SPS heute den Standard der Fabrik- oder Prozessautomatisierung darstellt.
Mit welchen Programmiersprachen lassen sich zu Edge-Controllern weiterentwickelte SPSen programmieren?
Die zukünftigen Edge-Controller auf Basis der SPS werden das Beste aus zwei Welten miteinander verbinden. Der Echtzeitteil wird nach wie vor IEC-61131-Sprachen verwenden, während der integrierte Edge-Controller die dort üblichen Sprachen versteht. Das Wichtigste ist hierbei eine konsistente Datenwelt, damit gleiche Symbole auf beiden Seiten auch auf das gleiche Datum verweisen. Die Datenhoheit liegt hier aber eindeutig bei der SPS, weil die Kontrolle des physischen Prozesses immer noch wichtiger ist als eine parallele oder nachgelagerte Verarbeitung bestimmter Prozesswerte zur Optimierung oder Nachweisbarkeit.
SPS IPC Drives: Halle 11, Stand 100