Wie das Geld im Wissenschaftsbereich gut angelegt ist, erklärt Prof. Herrmann, nicht ohne eine kleine Anspielung auf Berlin: Nicht viele kleine und unbedeutende Professuren rund um das zu schaffen, was sich irgendwie Digitalisierung nennt, sondern zu den wirklich wichtigen Themen Lehrstühle zu schaffen und sie mit den führenden Köpfen zu besetzen, sei das Gebot der Stunde.
Denn die Veränderung der Denkwelt, die er eingangs forderte, müsse sich besonders in der Wissenschaft sehr dringend zeigen: »Die Struktur der Wissenschaft wird sich deutlich ändern.« Nicht in den Kategorien einzelner isolierter Fakultäten dürfe fortan gedacht werden, es käme darauf an, interdisziplinäre Schnittstellen aufzubauen: »Raus aus den angestammten Bereichen, in denen es so gemütlich war. Wir müssen jeden Tag Neues riskieren!«
Raus aus dem Elfenbeinturm
Vor allem müsse die Wissenschaft aus ihrem Elfenbeinturm heraus: »Wir müssen die Bevölkerung mitnehmen«, so Prof. Herrmann. Konkret bedeutet das für ihn: »Wir gründen kein Institut mehr, ohne dass dort nicht auch umfangreiche Schulungs- und Weiterbildungseinrichtungen vorgesehen wären.«
Im Projekt TUM-BWL der Münchner TU sei das bereits gelungen. Jetzt »exportiere« die TU das Konzept mit der Gründung einer Dependance bereits nach Heilbronn in Baden-Württemberg, »Damit dringen wir in einen weiteren hochdichten Technologiebereich in Deutschland vor«, freut sich Herrmann.
Das heißt nicht, dass es nicht auch in Bayern viele Baustellen gäbe. Noch mangelt es nämlich gerade in der Fläche des Landes an der Infrastruktur, besonders fehlten Breitbandanschlüsse, ohne die gerade die fortschrittlichsten digital transformierten Industrie-4.0-Firmen nicht leben können.
Doch Prof. Herrmann hält Trost bereit: das Problem sei erkannt, seit zwei Jahren laufe der Ausbau, Bayern steckt 1,8 Mrd. Euro in den Ausbau des Breitbandnetzes und in den nächsten Jahren sollen 100 MBit/s in ganz Bayern zur Verfügung stehen. Auch der Ausbau des 5G-Netezs werde schnell vorangetrieben, »allerdings sind wir noch lange nicht da«, so Herrmann.
Nachholbedarf besteht auch in den Unternehmen. Laut der Studie des vbw stehen immerhin 10 Prozent der Unternehmen digital auf der Stufe Null. Die Stufe 1 und 2 – bereits computeriesiert – erreichen rund 80 Prozent der 2.500 befragten Unternehmen, 20 Prozent ordnet die Studie den Stufen 3 und 4 zu, was digitalisiert bedeutet. Allerdings besetzen lediglich 2 Prozent der insgesamt befragten Firmen die Stufe 4.
Bereits im vergangenen Jahr haben Firmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen durch die Digitalisierung eine Wertschöpfung von 200 Mrd. Euro erwirtschaftet. »Auf die deutsche Gesamtwirtschaft hochgerechnet ergibt sich daraus eine digitale Wertschöpfung von 332 Mrd. Euro, 12 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung von 2,8 Billiarden Euro«, sagt Alfred Gassel.
Digitalisierte Unternehmen sind erfolgreicher, auch das hat die Studie ermittelt: der Umsatzzuwachs fällt bei diesen Unternehmen um 80 Prozent höher aus, der Mitarbeiterzuwachs um 40 Prozent höher. »Das ist ein Apell gerade auch an den unternehmerischen Mittelstand, seine digitale Transformation weiter voran zu treiben«, sagt Alfred Gaffal.
Was die Unternehmen machen können, um ihre Digitalisierung voranzutreiben, das steht in der neuen vbw-Studie: »Über den Tellerrand blicken«, lautet die zentrale Handlungsempfehlung von Alfred Gaffal. Den von der Landwirtschaft übet die Industrie bis hin zu den Dienstleistungen vollzögen sich dieselben Veränderungsprozesse, seien aber noch unterschiedlich weit voran geschritten.
Ein Sorgenkind ist die Bauwirtschaft, die recht kleinteilig und regional strukturiert ist und wo die Vorteile der Digitalisierung noch nicht so recht angekommen sind. Gerade wegen solcher Branchen gelte es laut Prof. Herrmann, interdisziplinäre und regional verteilte Zentren zu schaffen, die die Kompetenzen über ganz Bayern verteilen. Zu diesen Querschnittskompetenzen zählen die künstliche Intelligenz, die Automatisierung, Robotik und Machine Learning, der 3D-Druck sowie das digitale Planen – und eben auch Bauen. »Wir gründen gerade ein Zentrum und haben dafür Prof. Sami Haddadin gewonnen, einen der weltweit führenden Köpfe auf dem Gebiet der Robotik«, sagt Prof. Herrmann. Das ist ein Beispiel dafür, wie wir in Querschnittskompetenzen Zeichen setzen und zeigen, wie sie in den unterschiedlichen Branchen Anwendung finden können – über ganz Bayern verteilt.