SCS open link für effiziente Antriebe

Auf Leistung und Offenheit kommt es an

18. Juli 2022, 12:15 Uhr | Andreas Knoll
Hengstler
Die nichtproprietäre Motor-Feedback-Schnittstelle SCS open link von Hengstler soll als Basis eines zukünftigen offenen elektronischen Motortypenschilds dienen.
© Hengstler

Ein offenes elektronisches Typenschild würde Leistung und Inbetriebnahme von Motoren verbessern. Bisher fehlte dafür jedoch ein herstellerunabhängiges Kommunikationsprotokoll. Forscher der TH Köln haben jetzt eine Möglichkeit auf Basis der Feedback-Schnittstelle SCS open link von Hengstler gefunden.

SCS open link von Hengstler ist für die hochperformante bidirektionale Datenübertragung zwischen Motor und Antriebsstrang konzipiert. Die nichtproprietäre Schnittstelle ermöglicht eine reibungslose Interoperabilität von Geräten verschiedener Hersteller. Mit einem dazu passenden Thema beschäftigte sich seit 2017 das Forschungsprojekt »Der Motor als cyber-physisches System – elektronisches Typenschild« der Technischen Hochschule Köln. Prof. Dr. Jens Onno Krah und seine Mitarbeiter vom Institut für Automatisierungstechnik konzipierten für elektronische Motortypenschilder ein offenes digitales Kommunikationsverfahren, das von Frequenzumrichtern verschiedenster Hersteller genutzt werden kann. Mit dessen Hilfe können Umrichter jeden angeschlossenen Motor automatisch erkennen und mit den passenden Parametern konfigurieren – der Motor arbeitet dann mit dem optimalen Wirkungsgrad. Bisher erkannten Frequenzumrichter nur mit Encoder ausgestattete Motoren desselben Herstellers automatisch. Motoren anderer Hersteller mussten dagegen aufwendig manuell konfiguriert werden, was aufgrund mangelnder Genauigkeit nicht selten zu Leistungseinbußen des Antriebs führte.

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Maschinenbauer sollen ihre Komponenten frei wählen können

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Bisher werden die Motorkennzahlen entweder elektronisch im Encoder des Motors gespeichert oder ganz herkömmlich auf einem physischen Typenschild außen am Antrieb vermerkt.
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Der Impuls zu dem wissenschaftlichen Projekt an der TH Köln kam vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und von der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA). Beide Institutionen wollten die Entwicklung eines offenen elektronischen Motortypenschilds vorantreiben, damit Maschinenhersteller die nötigen Komponenten künftig nach gewünschter Leistung anstatt nach Kompatibilität auswählen können. Das würde nicht nur zu effizienteren Maschinen führen, sondern zugleich auch den Wettbewerb zwischen den Komponentenherstellern steigern und damit auch die Qualität der Komponenten weiter verbessern.

Über ein universell auslesbares elektronisches Typenschild ließe sich zudem der Zustand des gesamten Antriebsstrangs einer Maschine aus der Ferne überwachen (Condition Monitoring), sodass bei drohenden Leistungsverlusten frühzeitig eingegriffen werden könnte. Die Zustandsüberwachung ist nicht nur für die Anwender, sondern auch für die Maschinenbauer selbst interessant – sie könnten das Condition Monitoring als Dienstleistung anbieten. Durch diese Serviceleistung würden sie ihre Wertschöpfungskette erweitern und zugleich ihre Kunden enger an sich binden.

SCS open link macht das Typenschild erst möglich

Mit dem Forschungsprojekt wollten die Wissenschaftler der TH Köln Lösungen für zwei Aufgaben finden: Zum einen sollte das elektronische Typenschild, das bisher nur einzelne Hersteller für ihre Geräte anbieten, herstellerübergreifend auslesbar sein. Zum anderen sollte es auch für Motoren ohne eingebaute Encoder verfügbar sein. Bei Motoren mit Encoder wird das elektronische Typenschild meist im EEPROM-Speicher des Encoders abgelegt. Hier lässt es sich mithilfe der Encoder-eigenen digitalen Schnittstelle auslesen. Bei geberlosen Antrieben fehlt diese Schnittstelle, sodass die Übertragung eines elektronischen Typenschilds vom Motor an den Umrichter auf einem anderen Weg erfolgen muss.

SCS open link für Einsatz in Anwendungen bis Safety Integrity Level 3 (SIL3)

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Das offene elektronische Motortypenschild wird auch die Fernwartung von Maschinen und Anlagen ermöglichen.
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Krah und seine Mitarbeiter fanden im Zuge ihrer Forschung heraus, dass bei diesen Antrieben das Motorkabel für die Übertragung der Typenschilddaten nutzbar ist. Ein zusätzliches Kabel ist nicht erforderlich. Möglich macht dies die offene Schnittstelle SCS open link von Hengstler, denn das Protokoll kann zur Datenübertragung sowohl von Motoren mit Encodern mit einer Baudrate bis 10 MBaud und Reglerzyklen bis 32 kHz als auch von Motoren ohne eingebaute Encoder über die neu entwickelte Power-Interface-Kommunikation dienen. Mit dieser Schnittstelle lässt sich deshalb die zentrale Forderung der Industrie erfüllen, die ein elektronisches Typenschild ohne Extra-Kabel favorisiert.

Auf SCS open link war Krah schon bei einem früheren gemeinsamen Projekt mit Hengstler aufmerksam geworden, bei dem es um die Nutzung eines funktional sicheren Encoders mit digitaler Schnittstelle ging. Die Wahl der Wissenschaftler fiel auf die Schnittstelle wegen deren Offenheit: Jeder Komponenten-Hersteller kann seine Produkte dafür zertifizieren lassen.

Leistungsstark, günstig und sicher

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Hengstler ermöglicht mit SCS open link und seinen Drehgebern umfangreiche Condition-Monitoring-Anwendungen.
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Die SCS-open-link-Schnittstelle ist relativ günstig, weil sie den gängigen RS-485-Standard nutzt, der eine Datenübertragung über Strecken von bis zu 100 m Länge ermöglicht. SCS open link ist darüber hinaus robust, denn wegen des symmetrischen Leitungsaufbaus des RS-485-Datenkabels können elektromagnetische Einstrahlungen die Signalübertragung kaum beeinträchtigen. Bei der Entwicklung der Schnittstelle hat Hengstler zudem großen Wert auf eine hohe funktionale Sicherheit gelegt: SCS open link wurde daher für den Einsatz in Anwendungen bis Safety Integrity Level 3 (SIL3) zertifiziert.

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Das offene elektronische Typenschild soll Frequenzumrichtern auch die automatische Erkennung geberloser Motoren ermöglichen.
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Einführung eines einheitlichen elektronischen Motortypenschilds

Die Forschung der Wissenschaftler an der TH Köln ist mittlerweile fast abgeschlossen. Ihr Fazit: Ein einheitliches elektronisches Motortypenschild – bei Motoren ohne Encoder über die Power-Interface-Kommunikation – lässt sich in der Praxis mit relativ geringem Aufwand umsetzen. SCS open link bildet dafür eine geeignete Basis, denn jeder Gerätehersteller kann die Schnittstelle nutzen.

»Setzt sich die Schnittstelle am Markt durch, wird sich die Komponenten-Auswahl für Maschinen- und Anlagenbauer deutlich vergrößern«, hieß es bei Hengstler. »Dann stünde hier nicht mehr die Frage der Kompatibilität im Mittelpunkt, sondern es ginge ausschließlich um die Leistungsfähigkeit. Die Performance und Effizienz von Maschinen könnte sich also durch die Einführung eines offenen elektronischen Motortypenschilds erhöhen. Das hätte nicht nur große Vorteile für die Maschinennutzer, sondern auch für das Klima.« Effizientere Maschinen verbrauchen schließlich weniger Strom – und der kommt in der Industrie noch immer zum größten Teil aus fossilen Brennstoffen.


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