Kommunales Energieversorgungsmodell

Energiecontracting: Geschäftsfeld oder Modewort?

10. Februar 2014, 14:32 Uhr | Hagen Lang
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Leistungen des Energie-Contractors

In Deutschland ist Contracting genau definiert: Laut DIN 8930-Teil 5 ist es ein integriertes Energiedienstleistungsprodukt, das die Energieeffizienz von Liegenschaften und Unternehmen optimiert, und zwar durch die »zeitlich und räumlich abgegrenzte Übertragung von Aufgaben der Energiebereitstellung und Energielieferung auf einen Dritten, der im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt«. Auftragnehmer ist ein »Contractor«, ein »Unternehmen, das eigenständig gewerblich Contractingprojekte durchführt«. Es sorgt entweder für die Lieferung oder das Einsparen von Energie oder bietet Finanzierungs- oder Anlagenmanagementleistungen an. Business-Case des Contracting ist die »Win-win-Situation«, die sich durch die Dienstleistung des Contractors für ihn und den Auftraggeber einstellt. Von der effizienten Erledigung der Leistung profitieren Auftraggeber und Contractor.

»Energieliefer-Contracting« definiert die DIN-Norm als das »Errichten oder Übernehmen und Betreiben einer Energieerzeugungsanlage zur Nutzenergielieferung durch einen Contractor auf Basis von Langzeitverträgen«. »Einspar-Contracting« bezeichnet die »gewerkeübergreifende Optimierung der Gebäudetechnik und des Gebäudebetriebs durch einen Contractor auf Basis einer partnerschaftlich gestalteten Zusammenarbeit«. »Finanzierungs-Contracting« optimiert die Investitionskosten für eine Einrichtung oder Anlage und deren Finanzierung. Wesentliches Merkmal des häufig anzutreffenden »Energieliefer-Contracting« ist, dass der Contractingnehmer die Anlage auf eigenes Risiko betreibt. Beim »Technischen Anlagenmanagement« optimiert er als Contracting-Dienstleistung die Betriebskosten von Anlagen und erhält deren Funktionalität und Wert. Nach Untersuchungen des Verbandes für Wärmelieferung e.V. dominiert das Energieliefer-Contracting mit 83% den Markt, 4% entfallen auf das Finanzierungscontracting, 5% auf das technische Anlagenmanagement und 8% auf das Energie-Einspar-Contracting.

Die PROGNOS AG ging in einer Studie von etwa 40.000 bis 50.000 Contractingverträgen mit ca. 2,4 Milliarden Euro Umsatz in Deutschland aus und nimmt an, dass der Markt um jährlich 10% wachsen wird. Von den schätzungsweise am Markt tätigen 500 Contracting-Anbietern sind 36% primär Energiedienstleister, 25% Stadtwerke und 17% EVU.

Das Land Baden-Württemberg hat das Contracting jüngst zur Chefsache der Landespolitik erklärt. Es führte von 2012 bis Ende 2013 eine umfangreiche Bewertung des Contracting und seines Nutzens für Industrie, öffentliche Liegenschaften und Privathaushalte durch. 150 Vertreter aus Verbänden, Energieberatungsagenturen und Interessengemeinschaften bildeten Expertenarbeitsgruppen, deren Fazit zum ökologischen und finanzierungstechnischen Potential des Contracting rundherum positiv ausfiel. Der Abschlussbericht mit zehn Empfehlungen wurde Ende 2013 Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller übergeben. Rainer Specht, Dezernent beim baden-württembergischen Städtetag, sagte anlässlich der Überreichung: »Der aufgezeigte Contracting-Werkzeugkasten enthält viele aufeinander abgestimmte Bausteine, um bei zeitnaher Umsetzung aus der Contracting-Offensive eine Energieeffizienz-Offensive mit Schubkraft werden zu lassen.« Der Bericht bildet die Grundlage für die zweite Phase der »Contracting-Offensive Baden-Württemberg«, die nun im gesamten »Ländle« die ungenutzten Energiesparpotentiale nutzen und der Contracting-Branche mit politischem Rückenwind Schub geben wird.

In anderen Regionen Deutschlands gibt es zwar keine offizielle Contracting-Offensive, aber jahrzehntelange Erfahrung in der Durchführung von Contracting-Dienstleistungen. Einer der Pioniere, bei denen das Contracting schone eine altehrwürdige Tradition als Geschäftsmodell besitzt, ist die Stadt Kassel. Seit über 30 Jahren werden dort Contracting-Dienstleistungen angeboten. Heute realisiert vor allem der unternehmensrechtlich mehrheitlich im Besitz der städtischen Holding befindliche Energieversorger Städtische Werke Kassel AG (SWK) durch Contracting-Dienstleistungen Projekte, die Geldersparnisse für Kunden mit anspruchsvollen Umweltzielen kombinieren. Auch in anderen Bereichen ging die Stadt früh eigene Wege: 2007 vollzog sie den Umstieg auf umweltfreundlichen Strom, dessen Großteil aus den norwegischen Wasserkraftwerken Ulla-Førre bezogen wird und dessen Herkunft durch Echtheitszertifikate unabhängiger Prüfinstitute belegt ist. Selbst aufgebaute regenerative Energieerzeugungskapazitäten, vor allem die Kraft-Wärme-Kopplung, werden im städtischen Energie-Mix immer wichtiger, und bis 2020 plant Kassel, völlig stromautark zu sein. Der Aufbau umfangreicher Contracting-Dienstleistungen hat sich mittlerweile unter der Bezeichnung »Kasseler Modell« einen Namen gemacht. Im Contracting-Angebot der Städtischen Werke Kassel AG sind heute Strom-, Wärme-, Fernwärme-, Dampf- und Biomethan- sowie Druckluft- und Kältelieferungen.

Was sind die Hauptvorteile für potentielle Contracting-Auftraggeber? Statt sich selbst um die Beschaffung von Energieträgern zu kümmern oder die ressourcenfressende Durchführung einer anstehenden Sanierung oder Errichtung einer Energieversorgungsanlage selbst zu organisieren, beauftragt der Auftraggeber die Städtischen Werke Kassel AG mit der Lieferung von Energie oder bestimmten Arbeitsmedien wie Kälte bzw. der ordnungsgemäßen Errichtung und dem Betrieb von nötigen Anlagen zu vorab garantierten Preisen. Damit bleiben für das beauftragende Unternehmen Personalressourcen frei, die auf das eigentliche Kerngeschäft konzentriert werden können. Anlagenplanung, -sanierung und -errichtung sind für den Auftraggeber jederzeit voll transparent und kalkulierbar. Durch die Verlagerung der Verantwortlichkeit für eine erfolgreiche Dienstleistungserbringung auf die Städtischen Werke Kassel AG (SWK) schont der Kunde gegenüber einer eigenverantwortlichen Bauherrentätigkeit sein Budget und kann sein Kapital für seinen eigentlichen Geschäftszweck vorhalten. Er ist sich zudem sicher, stets die ingenieur- und umwelttechnisch neueste, dauerhaft effiziente Technologie zu erhalten, die gegenüber Altanlagen praktisch immer zu einer nachhaltigen Energiekosteneinsparung führt.


  1. Energiecontracting: Geschäftsfeld oder Modewort?
  2. Leistungen des Energie-Contractors
  3. Praxisbeispiel: Die Gesundheit Nordhessen Holding AG

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