Prozesstechnik für Supraleiter-Fertigung

Die zweite Generation der Hochtemperatur-Supraleiter reduziert die Preise

27. März 2012, 11:12 Uhr | Heinz Arnold
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Pniktide – keine Konkurrenz für HTS

Gibt es Hoffnung auf neue Materialien? Vor einigen Jahren machte die Entdeckung eine neuer Familie supraleitender Materialien auf sich aufmerksam, die Pniktide. 2008 wurden die ersten entdeckt, seitdem sind viel neue Familienmitglieder hinzugekommen. Gemeinsam ist ihnen allen eine Eisen-Arsen-Schicht und man kennt mittlerweile eine große Anzahl von Materialien, so dass Prof. Holzapfel von einem »Fe-As-Zoo« spricht. Die Sprungtemperatur der Materialien liegt unter 60 K. Allerdings ist die Fertigung von Leitern auf Basis der Pniktide mindestens genauso schwierig wie die der HTS der zweiten Generation und deshalb macht Prof. Holzapfel wenig Hoffnung, dass die neuen Materialien für die praktische Anwendung in naher Zukunft einen Durchbruch bringen könnten: »Auf absehbare Zeit werden sie keine Rolle spielen, sie weisen nach aktueller Kenntnis keine wesentlichen Vorteile gegenüber den länger bekannten HTS auf.«

Bruker fährt HTS-Fertigung hoch

»Für einen kostengünstige Fertigung von HTS setzen wir auf den Pulsed-Laser-Deposition-Prozess, um für die Abscheidung der Supraleiterschicht auf textuierten Pufferschichten«, sagt Dr. Andre Aubele von Bruker EST.  Bruker verwendet ein unmagnetisches Substrat und scheidet eine YBCO-Schicht mit Dicken zwischen 1 und 3 µm ab. Die Stromdichte erreicht bis zu 400 A/mm² bei 77 K. Derzeit fertigt das Unternehmen im Labormaßstab, noch in diesem Jahr ist ein Prozess für die Fertigung von Einheitslängen bis 300 m geplant. Als nächsten Schritt will Bruker dann Leiterlängen von über 1.000 m fertigen. »Wir können die heutigen Abscheideraten für 4 mm breite Bänder ohne weiteres um bis zu Faktor 10 steigern«, erklärt Aubele. Im Bereich der HTS fokussiert sich Bruker auf den Einsatz der Bandleiter in Strombegrenzern, in der Magnettechnik und in rotierenden Maschinen.

Neben der Prototypenfertigung für HTS am Standort Alzenau fertigt Bruker EST rund 60.000 km klassische metallische Tieftemperatur-Supraleiter pro Jahr für den Einsatz in der Medizintechnik und der Grundlagenforschung.

Theva: Schichtdicken bis 8 µm und 1.000 A/cm

Das Ziel von Theva besteht laut Dr. Markus Bauer von Theva darin, die derzeit erreichbaren Ströme von 250 bis 500 A/cm auf 1.000 A/cm (bzw. 1.000 A/mm²) zu bringen. Dazu hat das Unternehmen ein etwas anderes Verfahren zur Fertigung von Bandleitern entwickelt. Die Beschichtung erfolgt hier über Elektronenstrahl-Verdampfung. Für die Pufferschichten kommt MgO zum Einsatz. Stellt man das Substrat im Winkel von 35° schräg an, so ergibt sich eine gekippte Textur des MgO. Unter dem Elektronenmikroskop lässt sich die Dachschindelstruktur der MgO-Schicht gut erkennen. Die folgende supraleitende Schicht wird ebenfalls über das Elektronenstrahl-Verfahren abgeschieden. Die Struktur der Pufferschicht überträgt sich dabei sehr gut auf die Supraleiterschicht. »Wir haben gezeigt, dass es dabei keine Fehlorientierungen gibt, dass Fremdphasen nicht größer werden und dass Defekte überwachsen und terminieren werden. Deshalb können wir Schichtdicken bis 8 µm realisieren«, sagt Dr. Markus Bauer.

Damit gelingt es nach den Worten von Bauer, in einem sehr stabilen Prozess Bandleiter mit über 700 A/cm herzustellen, bei einer Schichtdicke von 8 µm seien sogar 1.000 A/cm möglich. Mit Zr-Dotierung über nanoskopische BaZrO3-Fremdphasen (15 – 35 nm) lassen sich deutlich höhere kritische Ströme im Magnetfeld erzielen. »Das Verfahren zeichnet sich insgesamt durch wenige Prozessschritte, aus und durch Optimierung der Anlagentechnik können wir bei höheren Volumen die Kosten deutlich reduzieren«, so das Fazit von Markus Bauer.

deutsche nanoschicht: Tintenstrahldruck statt teure Vakuumtechnik

Auch die deutsche nanoschicht, die im November 2011 aus der Drahtabteilung der Zenergy Power GmbH hervorgegangen ist, versucht den Preis der HTSL zu reduzieren.  »Der entscheidende Unterschied ist, dass wir keinen Vakuumprozess benötigen, wir können ganz einfach die Tintenstrahldruck-Technik verwenden. Damit ist es möglich Bandbreiten von bis zu 80 cm zu beschichten«, sagt Dr. Michael Bäcker, Gründer und Chef der deutschen nanoschicht.

Dabei konzentriert sich das Unternehmen darauf, Leiter mittlerer Leistungsfähigkeit und zu sehr geringen Produktionskosten zu fertigen. Als Substrat verwendet die deutsche nanoschicht ein texturiertes NiW-Band, als Puffer LZO und CeO2. Die supraleitende Schicht besteht aus YBCO mit einer Dicke zwischen 500 und 1.000 nm. Die HTS-Schicht hat sich laut Bäcker als außerordentlich defekt-tolerant erwiesen. Kleine Fehlstellen wirken sich kam aus. »Wir können sogar kleine Staubkörner überwachsen.« Die kleinen Nanopartikel für den Pinning-Effekt werden bereits in der chemischen Lösung erzeugt, die über das Tintenstrahldruck-Verfahren aufgebracht wird. Die Vorteile sind hoher Durchsatz, niedrige Investitionen, geringer Energieverbrauch und niedrige  Materialkosten.

Jetzt kommt es laut Bäcker darauf an, die Dicke der YBCO-Schicht zu erhöhen, »was aber bei unserem Prozess kein Problem darstellen sollte.« Genau so wenig wie der Übergang von der Bandbreite von 10 mm zu 100 mm. Damit ließe sich der Wunsch der Anwender nach kostengünstigeren und in größeren Mengen verfügbaren HST-Drähten in absehbarer Zeit erfüllen.


  1. Die zweite Generation der Hochtemperatur-Supraleiter reduziert die Preise
  2. Auf stabile Prozesse kommt es an
  3. Pniktide – keine Konkurrenz für HTS

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