Wie sich das Stromverteilnetz schrittweise automatisieren lässt

Intelligente Ortsnetzstationen - die Neuronen des Smart Grid

23. September 2013, 10:42 Uhr | Heinz Arnold
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Der regelbare Ortsnetztrafo

Ronald Schmid, Siemens
Ronald Schmid, Siemens: »In der neuen Versionen des FITformer REG können wir auf Leistungshalbleiter verzichten und das Ganze mit Schützen realisieren. Das erhöht die Lebensdauererwartung.«
© Siemens

Vor eineinhalb Jahren hatte Siemens den regelbaren Ortsnetztrafo vom Typ »FITformer REG« auf den Markt gebracht, der sein Übersetzungsverhältnis unter Last ändern kann und dafür sorgt, dass die Spannung innerhalb des zulässigen Spannungsbands bleibt. Dazu hat Siemens den Transformator mit einem Unterspannungslastregelbereich in drei Stufen ausgestattet. Grundsätzlich wäre es einfacher, auf der Oberspannungsseite zu regeln, denn hier sind viele Windungen vorhanden, und der Leiterquerschnitt ist kleiner als auf der Unterspannungsseite. Dafür müssen aber hohe Spannungen im Bereich von 20 bis 30 kV beherrscht werden.

Auf der Unterspannungsseite stehen dagegen nur wenige Windungen zur Verfügung, bei 630 kV beträgt ihre Zahl gerade mal rund 30. Der Anzapfungsbereich ist also beschränkt. Allerdings kommt es in diesem Fall auch nicht darauf an, einen genauen Zielwert zu treffen, sondern es genügt, im Band innerhalb von ±10 Prozent zu bleiben. »Das macht die Schalttechnik einfacher, und insgesamt sind wir überzeugt, dass trotz der hohen Ströme und der großen Leiter die Vorteile überwiegen«, erklärt Ronald Schmid, Director Sales für Verteiltransformatoren bei Siemens. Damit unterscheidet sich dieses Konzept von dem der Mittelspannungstrafos, die in 1,5- bis 2-Prozent-Schritten einen Zielwert anfahren. Auf den Ortsnetztransformator angewandt, hieße das, in kleinen Schritten möglichst nahe an 400 V heranzufahren. »Sehr fein zu regeln, ist aber gar nicht nötig, es genügt im Band von ±10 Prozent zu bleiben«, erklärt Schmid. Der Lastregebereich über drei Stufen zu ±4 Prozent sei damit sinnvoll. Ein Vorteil ist, dass sich so kein Regelkreis mit einem Mittelspannungstrafo einstellen kann. Zudem werden Mittelspannungstrafos heute sehr viel mehr geregelt als früher, weil man so zusätzliche Spannungsreserven herausholen kann. Nun sollte der Ortsnetztransformator aber nicht jedesmal schalten, wenn das der Mittelspannungstrafo tut. »Mit unserem Konzept schaltet der Ortsnetztransformator nur, wenn wirklich eine Notwendigkeit dazu besteht. Der Trafo muss nicht einem Zielwert hinterherlaufen.«

Die Regelung auf der Unterspannungsseite erlaubt es auch, über Anzapfungen auf der Oberspannungsseite den Trafo bei Netzausbau nachzustellen. Bei Regelung auf der Oberspannungsseite wäre dies nur mit einem höheren Aufwand durch Zusatzbeschaltungen möglich. Und wer dennoch für seinen Einsatz einer feinstufigeren Regelung den Vorzug gibt? Für diese Fälle stattet Siemens die Transformatoren mit dem Stufenschalter vom Typ iTAP der Maschinenfabrik Reinhausen aus. »Wir können mit unseren Varianten also sehr flexibel auf die Anforderungen der Anwender reagieren«, erklärt Schmid.

Vakuumschütze statt Leistungshalbleiter

Seitdem Siemens den ersten »FITformer REG« vorgestellt hat, ist die Entwicklung nicht stehen geblieben. Bisher haben Thyristoren den aktiven Bypass gesteuert. »In den neueren Versionen können wir auf Leistungshalbleiter verzichten und das Ganze mit Schützen realisieren«, freut sich Ronald Schmid. »Bei geschickter Taktung unterscheidet sich das Verhalten nicht von dem der Leistungselektronik, die Schaltzeit liegt bei rund 200 ms.«

Wo liegt nun der besondere Charme der Vakuumschütze gegenüber den Thyristoren? Laut Ronald Schmid gebe es weniger Probleme bei der Einwirkung von Störgrößen, vor allem aber liege der Vorteil der Schütze in ihrer Langlebigkeit. Sie können die volle Last schalten und werden hinsichtlich der Lebensdauer des Trafos von rund 40 Jahren ausgewählt: Sie sind für rund 2 Mio. Schaltspiele ausgelegt, eine Zahl, die sie in 40 Jahren kaum erreichen dürften. »Der Übergang von der Leistungselektronik zu den Vakuumschützen stellt also den nächsten logischen Entwicklungsschritt dar«, erklärt Ronald Schmid. Die neuen FITformer-REG-Trafos stehen ab sofort zur Verfügung.

Ein viel versprechender Markt

Mit dem Monitoring, der Fernwirkunterstation, den automatisierten Mittelspanungsschaltanlagen und den RONTs können die EVUs ihre vorhandenen Ortsnetzstationen also auf einem relativ einfachen Weg intelligent machen. Für Ortsnetzstationen, in deren Stränge sehr viel Energie aus schwankenden Quellen wie Photovoltaik eingespeist wird, lohnt es sich, die Ortsnetzstation noch zusätzlich mit RONTs auszustatten.

Der potenzielle Markt für die intelligenten Ortsnetzstationen ist beträchtlich. Allein in Deutschland arbeiten zwischen 550.000 und 600.000 herkömmliche Stationen. »Mindestens 20 Prozent davon müssten mit der zunehmenden Einspeisung aus fluktuierenden Quellen intelligent werden«, sagt Bernd Schüpferling. Außerdem interessieren sich auch südeuropäische Energieversorger in Ländern wie Italien und Spanien zunehmend für die intelligenten Stationen, um die Stabilität ihrer Netze zu verbessern. Anfragen kommen aber auch aus anderen Teilen der Welt wie Südamerika, Afrika, Asien und Australien. »Siemens hat bisher an mehrere Dutzend verschiedene Versorger weltweit intelligente Ortsnetzstationen in verschiedenen Automatisierungsgraden geliefert. Mittelfristig dürfte sich der weltweite Bedarf an intelligenten Ortsnetzstationen auf rund 20 Prozent des Volumens belaufen«, schätzt Bernd Schüpferling.


  1. Intelligente Ortsnetzstationen - die Neuronen des Smart Grid
  2. Was macht eine Ortsnetzstation intelligent?
  3. Elemente der intelligenten Ortsnetzstationen
  4. Der regelbare Ortsnetztrafo

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