Smart Grid Wachtendonk

EKG für das Niederspannungsnetz

2. September 2013, 13:02 Uhr | Hagen Lang
Volatile Regenerativenergien stellen die Netzsteuerung und Stabilisierung vor neue Herausforderungen.
© SWK

Dank Energiewende müssen Niederspannungsnetze dezentrale Einspeisungen volatiler Energien aushalten, für die sie nicht ausgelegt sind. Um die auftretenden Belastungen besser zu verstehen und ihnen technisch abzuhelfen, betreiben die SWK STADTWERKE KREFELD AG und Siemens Infrastructure & Cities gemeinsame Feldforschung.

Diesen Artikel anhören

An oberster Stelle der Prioritätenliste von Energieversorgern steht die Versorgungssicherheit. Als gewissermaßen noch Dinosaurier über die Erde trampelten und Strom von zentralen Kraftwerken zur Peripherie verteilt wurde, fiel das leicht. Die Parameter und Berechnungen waren bekannt, mit denen Transformatoren und Niederspannungsnetze, »die letzte Meile« auf dem Weg des Stromes zum Kunden, dimensioniert wurden. Mit der politisch verordneten Energiewende müssen Energieversorger den Bereich des Erfahrungswissens verlassen. Man kann versuchen zu berechnen, was in den Niederspannungsnetzen geschieht, wenn sich beispielsweise der Stromfluss durch Einspeisungen aus regenerativen Energieerzeugungsanlagen umkehrt. Erprobt ist es bisher nicht.

Die SWK STADTWERKE KREFELD AG nahm das zum Anlass, in einem Pilotprojekt die Vorgänge in einem Niederspannungsnetz mit großer Regenerativ-Einspeisung zu untersuchen. Mit Siemens Infrastructure & Cities fand man einen technologisch versierten Partner. »Wachtendonk macht mit: Forschung im Netz - so lautet der Name des Projekts«, erklärt Carsten Liedtke, Vorstandssprecher der SWK, und betont, stolz zu sein »an der Seite von Siemens die Energiewende aktiv mitzugestalten und das Stromnetz fit für die Zukunft zu machen.«

Das Testbed, die Gemeinde Wachtendonk im Versorgungsgebiet der SWK im Kreis Kleve, ist eine ausgesprochen ländliche Gemeinde, deren verstreut siedelnde Bewohner mit großer Begeisterung regenerative Energien erzeugen und ins Netz einspeisen. 80 Prozent des Wachtendonker Stromes stammen aus regenerativen Quellen, etwa aus PV-Anlagen auf Haus- und Stalldächern.

Im Niederspannungsnetz der 8000-Einwohner-Gemeinde führt die Regenerativ-Begeisterung zu Spannungsspitzen und -schwankungen, die bislang nicht systematisch überwacht wurden. Dr. Frank Burach, Geschäftsführer der SWK NETZE GmbH, sagt: »Hier brauchen wir Sensorik im Netz, um die Netzqualität überwachen und gegebenenfalls präventive Maßnahmen ergreifen zu können.« Der Infrastrukturaufbau dafür ist bereits weit fortgeschritten. Im Rahmen einer Verkabelung der gesamten Mittel- und Niederspannungsfreileitungen wurden Leerrohre verlegt, durch die bislang über 20 Ortsnetzstationen mit Lichtwellenleitern verbunden und an die Krefelder Netzleitwarte angeschlossen wurden. Mehr als die Hälfte der insgesamt 105 Ortsnetzstationen in Wachtendonk wurden zudem erneuert und für die Aufrüstung mit Smart-Grid-Komponenten vorbereitet.

100 Haushalte und viele Kabelverteilerkästen erhalten spezielle Smart Meter, intelligente Zähler der besonderen Art. »Besonders« sind sie deshalb, weil sie neben der Erfassung und Fernabfrage von Verbrauchsdaten die Netzzustandsparameter des Niederspannungsnetzes in einem »Schnappschuss« mittels sogenannter »Power-Snapshot-Analyse« messen. Die Smart Meter fungieren als Sensoren des Smart Grids im Niederspannungsbereich, deren Daten an Messdatensammler (sogenannte Datenkonzentratoren) in den Ortsnetzstationen der SWK weitergeleitet werden. Zur Datenübertragung bedient man sich der Powerline-Communication-(PLC-)Technik über die bereits bestehenden Stromnetze.

Scheint die Sonne und PV-Panele produzieren Strom, heben Wechselrichter die Spannung zwecks optimaler Einspeisung an. In Zeiten hoher Sonneneinstrahlung, aber niedrigen Verbrauchs, kann es durch hohes PV-Stromaufkommen örtlich zu Spannungserhöhungen kommen. Betrachtet man jetzt die im Messdatensammler zusammenlaufenden Sensorendaten zeitsynchron, lässt sich für den gewünschten räumlichen und zeitlichen Bereich der Netzzustand genau ermitteln. Wird von bestimmten Schwellwerten oder Spannungsbändern abgewichen, kann von Seiten der SWK stabilisierend gegengesteuert werden.

Zur Netzstabilisierung stehen fünf intelligente Ortsnetzstationen mit regelbaren Ortsnetztransformatoren von Siemens bereit, die die Netzspannung anhand der eingehenden Messwerte der Smart Meter korrigieren. Jan Mrosik, CEO der Division Smart Grid im Siemens-Sektor Infrastructure & Cities, sagt: »Die Energiewende ist ohne Smart Grids nicht zu realisieren. Dazu müssen die Verteilnetze intelligenter und weiter automatisiert werden.«

Die Belastungen der Niederstromnetze durch die Energiewende sind nicht zu unterschätzen. Anstatt auf das Prinzip Hoffnung setzen SWK und Siemens hier auf »Learning by Doing«. Wenn das Vorbild Schule macht, sollten die netztechnischen Herausforderungen der Energiewende zu meistern sein.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Siemens AG Infrastructure & Cities Sector

Weitere Artikel zu Netze (Smart Grid)