Vom Stromkunden zum Mitunternehmer

Die BürgerEnergieGenossenschaft Wolfhagen

3. September 2013, 14:35 Uhr | Hagen Lang
Auf 18 Hektar liefern die 42.000 Solarmodule des Wolfhagener Solarparks Strom für 3000 Drei-Personen-Haushalte.
© Stadt Wolfshagen

Die Stromerzeugungslandschaft verändert sich, nicht nur technisch, auch organisatorisch. Großer Beliebtheit erfreut sich mittlerweile ein besonderes Organisationsmodell der Stromerzeugung: die Energiegenossenschaft. 650 neue Genossenschaften sind in den letzten Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien entstanden.

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Überall erscheint der »neue« Player am Markt, sind Bürger davon überzeugt, dass es Sinn macht, gemeinsam in die regenerative Energieversorgung zu investieren. »Neu« im eigentlichen Sinn sind Genossenschaften in der deutschen Energieversorgung nicht, es gibt sie schon seit 100 Jahren. Das Novum ist die jetzige »Graswurzelbewegung«.

Doch was sind überhaupt Genossenschaften? Laut Genossenschaftsgesetz sind es Gesellschaften, deren Zweck sich darauf richtet, »den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern«. Genossenschaften dürfen sich, wenn sie vorgenannten Zielen oder »gemeinnützigen Bestrebungen« dienen, auch an Gesellschaften und sonstigen Personenvereinigungen einschließlich der Körperschaften des öffentlichen Rechts beteiligen.

Die Zahl der Energiegenossenschafts-Mitglieder ist im abgelaufenen Jahr um 50 Prozent gestiegen, auf jetzt 130.000. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine neue Energiegenossenschaft gegründet wird. Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV) schätzt, dass 90 Prozent der Genossenschaftsmitglieder »natürliche« Privatpersonen sind. Investiert wurden schon 1,2 Milliarden € in den Bau von regenerativen Kraftwerken, die bereits den Strom für 160.000 Haushalte erzeugen, etwa 580 Millionen kWh pro Jahr.

Auffällig findet der DGRV die hohe Eigenkapitalquote von 50 Prozent, mit der die Investitionen getätigt werden. Dr. Eckhard Ott, Vorsitzender des Vorstands des DGRV, sagt: »Die Bürger wollen eben mit eigenem Geld an der Energiewende mitwirken und dabei auch die regionale Wertschöpfung unterstützen. Und das ist kein Privileg der Wohlhabenden. Die Beteiligung an einer Energiegenossenschaft ist schon mit kleinen Beträgen von unter 100 Euro möglich.«

Eine Befragung des DGRV hat ergeben, dass die bloße Stromproduktion den Energiegenossenschaften schon nicht mehr ausreichen könnte: 52 Prozent der Befragten denken darüber nach, den selbsterzeugten Strom regional auch direkt zu vertreiben. Ursache dafür ist einerseits die 2014 sinkende Einspeisevergütung für Solarstromanlagen mittlerer Größe, wie sie Energiegenossenschaften häufig errichten. 10 Prozent des Solarstroms werden 2014 nicht mehr vergütet und stehen für den Selbstverbrauch oder die Vermarktung zur Verfügung. Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, BSW-Solar, sieht darin nur Positives: »Es lohnt sich, den Ökostrom selbst zu verbrauchen oder Abnehmer in der Nähe damit zu beliefern. Die Energiegenossenschaften demokratisieren damit nicht nur die Stromerzeugung, sondern jetzt auch schrittweise die Stromversorgung.«

Bei der genossenschaftlichen Stromvermarktung erfreuen sich Vertriebskooperationen mit etablierten Stromversorgern steigender Beliebtheit: »Die Genossenschaften suchen nach neuen Geschäftsmodellen und denken dabei auch über mögliche Partnerschaften nach«, erklärt DGRV-Vorstandsvorsitzender Dr. Ott. »So sind beispielsweise die örtlichen Stadtwerke in vielen Fällen ein geeigneter Partner für Energiegenossenschaften.« Stadtwerke haben Know-how in der Stromvermarktung, genießen häufig ein hohes örtliches Ansehen und glauben, die Kundennähe noch verbessern zu können, indem sie genossenschaftlichen Regenerativstrom ins Portfolio aufnehmen. Philipp Vorer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), geht sogar so weit, die Bürgerenergieprojekte als »unverzichtbar« für die Akzeptanz der Energiewende zu erklären. Dies könne aber nur Früchte tragen, wenn Energiegenossenschaften auf »langfristig verlässliche politische Rahmenbedingungen und den Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien« vertrauen könnten.


  1. Die BürgerEnergieGenossenschaft Wolfhagen
  2. Bürgerbeteiligung konkret: Das Modell Wolfhagen

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