Das Interesse der Deutschen an Steckersolargeräten, auch Balkonkraftwerke genannt, übertrifft weiterhin alle Erwartungen. Laut Angaben der Bundesnetzagentur hat sich die Anzahl der gemeldeten Anlagen in Deutschland allein im ersten Halbjahr 2023 von 137.000 (2022) auf 230.000 erhöht.
Politik, Verbände und Interessensgruppen sehen das Engagement der Bürger, sich durch Steckersolargeräte an einer dezentralen und erneuerbaren Energiewelt zu beteiligen, vollständig entfesselt. Balkonkraftwerke haben die Solarstromerzeugung ins Wohnzimmer der Privatverbraucher gebracht. Die Wirtschaftlichkeit ist nicht bei jeder Anlage automatisch gegeben; der gesamtgesellschaftliche Nutzen jedoch unumstritten hoch.
Als Balkonkraftwerke oder Steckersolargeräte, auch Mini-PV-Anlagen, gelten PV-Anlagen mit einer maximalen Einspeiseleistung von bis zu 600 Watt Wechselrichterleistung. Die PV-Module des Kraftwerks können an beliebigen Außenflächen wie Balkonen, Dächern, Außenwänden oder Gartenflächen angebracht werden. Der Anschluss an das häusliche Stromnetz erfolgt meist über einen Schuko-Stecker; so kann dem Haushalt direkt Strom zugeführt werden, der im Normalfall vollständig dort verbraucht wird. Das Anmeldeverfahren eines Balkonkraftwerks, dass unter die sogenannte Bagatellgrenze fällt, ist im Gegensatz zu leistungsstärkeren Anlagen stark vereinfacht.
»Berliner wollen ihren eigenen Strom erzeugen«, titelte die Berliner Zeitung im Mai 2023. Aber es sind nicht nur die Berliner: Ganz Deutschland interessiert sich stark für Steckersolargeräte. Komplettsysteme sind bei Discountern und im Baumarkt erhältlich, Solar2Go sozusagen. Was steckt dahinter? Die Bürger fühlen sich ermächtigt, sich innerhalb ihres eigenen Möglichkeitsraums autark zu machen von galoppierenden Energiepreisen. Sie sehen Steckersolar als Werkzeug, um ihre Stromrechnung zu senken. Oft spielt auch die Motivation eine Rolle, einen persönlichen Beitrag zu einem Wechsel hin zu nachhaltiger Stromerzeugung in Deutschland erbringen zu wollen.
Die vielen Vorteile von Balkonsolar liegen auf der Hand: Energie in Bürgerhand, jeder kann mitmachen. Unterstützung für die Energiewende wird mobilisiert; die Netze durch den Vor-Ort-Verbrauch entlastet. Und auch Technik-Laien können am Mobiltelefon über eine App den Ertrag ihrer Mini-PV-Anlage verfolgen. Im nächsten Schritt passen die Verbraucher ihr Nutzungsverhalten an und stellen Hausgeräte wie Spül- und Waschmaschine nun um die Mittagszeit an, wenn ihre Anlage am meisten Strom generiert.
Aber Balkonsolaranlagen sind nicht nur durch die rosa Brille zu sehen: So hebt Georg Zachmann, Senior Fellow für Energie- und Klimapolitik bei Bruegel, bei einem Webinar die wirtschaftlich untergeordnete Rolle der Erzeugungskapazitäten aus Balkonsolar hervor. Denn die Energieausbeute ist durch die begrenzte Fläche und nicht optimale Ausrichtung der Anlagen begrenzt.
Auch das Thema Ressourceneffizienz müsse laut Zachmann in die Bewertung mit einfließen: Für jeden Mikrowechselrichter eines Balkonkraftwerks falle ein Verbrauch an Rohstoffen wie beispielsweise Seltene Erden an, der Preis pro Kilowatt installierter Leistung Strom sei im Vergleich zu Großanlagen bedeutend höher.
Direkte finanzielle Förderung auf die Anschaffung verlockt derzeit besonders zur Installation einer Mini-PV-Anlage in Deutschland: Zwischen 50 Euro und 1.450 Euro pauschal pro Anlage betragen die Fördersummen je nach Wohnort. Besonders großzügige Förderung gibt es beispielsweise in Heidelberg (bis zu 1.450 Euro bei einem Eigenanteil von 50 Euro) oder Bonn (300 bis 800 Euro).
Setzt man die Installationen in Beziehung zur Einwohnerzahl, ist Mecklenburg-Vorpommern ist deutscher Spitzenreiter bei Balkonkraftwerken. Die zahlenmäßig meisten Anlagen gibt es in Nordrhein-Westfalen.
Das Thema Einspeisung von Strom aus Balkonkraftwerken löst noch Unklarheit bei Verbrauchern aus. Derzeit ist unter Inanspruchnahme der vereinfachten Anmeldung beim Netzbetreiber sowie im Marktstammdatenregister keine Einspeisevergütung vorgesehen. Das heißt: Erzeugt ein Balkonkraftwerk mehr Strom, als im Haushalt verbraucht wird, wird die Reststrommenge ins öffentliche Netz eingespeist, ohne dass der Haushalt dafür eine entsprechende Vergütung erhält.
Die Ausnahme bilden Balkonkraftwerke, die in einem Haushalt mit einem rückwärtsdrehenden Ferraris-Zähler betrieben werden. Derzeit ist dies noch verboten; ein Zählertausch muss vor Inbetriebnahme vom Netzbetreiber vorgenommen werden. Ab 2023 werden die Zähler jedoch voraussichtlich für eine Übergangsfrist von vier Monaten ab Anmeldung bis zum Zählertausch durch den Netzbetreiber erlaubt werden (Solarpaket I – siehe dazu auch den Artikel »Bundesregierung stellt Weichen für anhaltenden Solarboom« auf elektroniknet.de)
In Anbetracht dessen fragen sich die Verbraucher zu Recht: »Warum Strom verschenken? Kann ich nicht besser eine Einspeisevergütung beantragen?«. Die Antwort lautet ja, jedoch sollte sehr sorgfältig erwogen werden, ob sich dies überhaupt lohnt. Denn da die Leistung der Steckersolaranlagen stark begrenzt ist, wird der Strom in den allermeisten Fällen direkt im Haushalt mit Geräten im Dauerbetrieb verbraucht (Kühlschrank, WLAN-Router etc.).
Auf der anderen Seite bringt die Beantragung einer Einspeisevergütung finanzielle und administrative Pflichten mit sich: Die Kosten für Zählertausch durch den Netzbetreiber (100 Euro) sowie Messtellengebühr (20 Euro jährlich) müssen vom Anlagenbetreiber getragen werden. Dies steht einer niedrigen Einspeisevergütung von nur 8,2 Cent pro Kilowattstunde gegenüber.
Wer überschüssig produzierten Strom trotzdem nicht verschenken oder seinen selbst produzierten Strom zu allen Verbrauchszeiten verfügbar haben möchte, für den gibt es nun schon zahlreiche Balkonspeichersysteme mit Kapazitäten bis zu 2,2 Kilowattstunden auf dem Markt. Für die Ermittlung, ob sich eine Speicherlösung wirtschaftlich lohnt, kann die Produktion von Solarstrom aus dem Balkonkraftwerk mit einer Verbrauchsmessung abgeglichen werden. So wird ermittelt, wieviel Strom tatsächlich an das Netz verschenkt wird.
Im vom BMWK vorgelegten Strategiepapier Solarpaket I ist eine baldige Anhebung der Bagatellgrenze auf 800 W Wechselrichterleistung vorgesehen. Es wird erwartet, dass dies ab Januar 2024 möglich sein wird.
Derzeit ist es bereits möglich, PV-Module mit einer Leistung über 600 W als Balkonkraftwerk zu installieren, um eine jederzeit optimale Auslastung des auf 600 W begrenzten Wechselrichters zu erreichen.
Weitere Informationen zu Themen rund um Solarenergie sind auf www.intersolar.de zu finden. (kv)