Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Elektromobilität: Ist das Ziel der Bundesregierung noch zu halten?

10. Oktober 2013, 9:33 Uhr | Iris Stroh

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutsche Straße zu bringen, bis 2030 sollen es sogar 6 Millionen sein. Die Meinungen, ob das Ziel zu erreichen ist, differieren stark. Auch das Fraunhofer-ISI kommt zu dem Ergebnis, dass es keine einfache Antwort gibt.

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Das liegt daran, dass der Markthochlauf von Elektrofahrzeugen (EVs) von vielen Faktoren abhängt. Dazu zählt die Entwicklung von Rohöl- und Strompreisen, aber auch die Frage, ob die Hersteller der Fahrzeugbatterien die Kosten so senken können, wie bislang angenommen. Auch das Angebot an E-Fahrzeugen spielt laut Studie eine Rolle.

Prof. Dr. Martin Wietschel, stellvertretender Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am Fraunhofer ISI, erklärt: »Unter optimistischen Annahmen zur Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Elektromobilität kann das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen im Bestand bis 2020 erreicht werden. Unter diesen Annahmen gibt es keinen Bedarf an externen Anreizen für den Massenmarkt. Die Ergebnisse der Studie zeigen außerdem, dass Elektromobilität auch unter für sie ungünstigen Annahmen in den Markt kommen kann: Auch unter schwierigen Rahmenbedingungen wird 2020 ein Sockel von etwa 150.000 bis 200.000 Elektrofahrzeugen in Deutschland ermittelt. Ob diese Zahl ausreichend hoch ist, damit die Automobilhersteller hier in dem notwendigen Maße einsteigen und damit die unterstellten Kostensenkungspotenziale für EV und Ladeinfrastruktur tatsächlich auch erreicht werden können, wurde in der Studie nicht betrachtet.«

Nachdem es also nicht klar ist, wie der Markt hochlaufen wird, empfehlen die Verfasser der Studie, dass künftige Förderinstrumente flexibel sein sollen, damit sie an technologische und ökonomische Bedingungen angepasst werden können.

Je mehr Kilometer, desto eher ein E-Fahrzeug

Nachdem die E-Fahrzeuge sehr teuer sind, müssen sie viel gefahren werden, um die höheren Anschaffungsausgaben über die günstigeren Verbrauchs- und Wartungskosten zu amortisieren. Deshalb glauben die Forscher der Studie, dass der Benzinmotor bei geringen jährlichen Fahrleistungen (bis etwa 15.000 km) auch künftig dominieren wird, bei sehr hohen Fahrleistungen wiederum wird es beim Dieselmotor (ab etwa 30.000 bis 40.000 km Jahresfahrleistung) bleiben. Für Fahrleistungen, die dazwischen liegen, hängt die Entscheidung davon ab, ob sich in den jeweiligen Fahrprofilen noch genügend Strecken befinden, die sich rein elektrisch bewältigen lassen.

Wietschel: »Bei relativ gleichmäßigen täglichen Fahrzyklen und ausreichender jährlicher Fahrleistung sind EV wirtschaftlich am sinnvollsten einzusetzen.« Und das ist laut Studie gar nicht so selten der Fall. So erklärt Wietschel weiter, »dass rund 12 Prozent der deutschen Neuzulassungen einen elektrischen Fahranteil von über 95 Prozent erreichen könnten, wenn man Plug-in Hybrid als generelle Fahrzeuge unterstellt. Mögliche künftige Fördersysteme für EV sollten deshalb möglichst an elektrisch gefahrenen Kilometern ausgerichtet werden. Wie andere Studien gezeigt haben, sind recht hohe Fahrleistungen auch eine Voraussetzung dafür, dass sich eine positive Umweltbilanz bei EV einstellt.«

Da die Verbrauchseinsparungen durch EV bei großen Fahrzeugen am höchsten sind und diese sich oft auch durch hohe jährliche Fahrleistungen auszeichnen, sei dieses Segment unter wirtschaftlichen Aspekten am attraktivsten. Das passt bislang aber nicht zu den angebotenen Fahrzeugen, denn die sind eher bei den Kleinwagen und in der Mittelklasse zu finden. Die Analysen zeigen außerdem eine recht hohe Wirtschaftlichkeit der REEV (Range Extended Electric Vehicle) und PHEV, die zusammen einen höheren Marktanteil (ca. drei Viertel) erreichen als die BEV (Battery Electric Vehicle). Wietschel weist außerdem darauf hin, dass die Reichweitenangst eine der wesentlichen Hürden für die Akzeptanz von BEV spielt, die auch durch positive Erfahrungen mit EV nur bedingt abgebaut werden kann.

Die Studie sieht bei privaten Nutzern ein großes Potenzial für EVs, denn einerseits passen hier die Fahrprofile, und zweitens ist hier auch zumindest teilweise die Bereitschaft vorhanden, einen höheren Preis zu bezahlen. Hohes Potenzial bieten aber auch die gewerblichen Flotten. Das liegt zum einen daran, dass hier tendenziell regelmäßiger und kaum lange Einzelstrecken gefahren wird, zum anderen machen sich die bestehenden Abschreibungsmöglichkeiten und der Wegfall der Mehrwertsteuer bei gewerblichem Einsatz positiv bemerkbar. Wietschel: »Bei gewerblichen Flotten kann man somit mit wenig Aufwand nennenswerte Marktpotenziale erschließen. Wenn über Fördermöglichkeiten zur Markteinführung nachgedacht wird, sollte deshalb der gewerbliche Bereich im Fokus stehen. Da gewerbliche Fahrzeuge häufig in den privaten Gebrauchtwagenmarkt übergehen, ist dieses Segment ein wichtiger Türöffner für die Verbreitung von EV.« Wenn eine Sonder-AfA (Absetzung für Abnutzung) mit einer 50-Prozent-Sonderabschreibung im ersten Jahr eingeführt werden würde, dann würde sich der Markthochlauf deutlich beschleunigen. EVs sind bei Dienstwagen wiederum keine Option, das liegt zum Teil an der momentanen Versteuerungspraxis der Dienstwagen, aber auch daran, dass die Fahrprofile nicht zu den EVs passen.

Die Kosten einer Ladeinfrastruktur haben einen deutlichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von EV. Muss ein Nutzer ohne eigene Garage oder Stellplatz noch viel Geld für die Lademöglichkeit hinlegen, rechnet sich das EV nur für sehr wenige Nutzer. Wietschel abschließend: »Wenn öffentliche Ladeinfrastruktur, aber auch halböffentliche Ladung, beispielsweise in Parkhäusern von Einkaufszentren oder auf Firmenparkplätzen, kostengünstig bzw. für viele Nutzer verwendbar angeboten werden kann, hat dies deutlich positive Auswirkung auf den Markthochlauf. Hierdurch kann der Anteil an elektrischen Fahranteilen deutlich gesteigert werden, auch bei kleiner dimensionierten Batterien.«


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