Magic Power Technology

Netzteil auf Embedded-System abgestimmt

17. Januar 2020, 11:00 Uhr | Heidrun Seelen und Frank Cubasch, Magic Power Technology
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Auswahl der Stromversorgung

Hierfür sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen und hinsichtlich Priorität zu werten. Die wichtigsten Fragen, die wir im Folgenden besprechen wollen, sind:

  • Ist ein Netzteil mit nur einer oder mehrerer Ausgangsspannungen vorteilhafter?
  • Welches ist die richtige Leistungsklasse?

Grundsätzlich erhöht ein Netzteil mit mehreren Ausgangsspannungen die Betriebssicherheit und die Zuverlässigkeit. Die einzelnen Ausgänge lassen sich an den Bedarf der Subsysteme anpassen. Überlastzustände der einzelnen Stränge werden damit schneller und zuverlässiger erkannt und die Ausgänge entsprechend geregelt. Zudem verursachen die kleineren Ströme geringere Störungen zwischen den einzelnen Strängen. Für Applikationen, bei denen weitere Aktoren oder Lasten zum Beispiel auf der 5-V-Schiene betrieben werden, ist auf jeden Fall der Einsatz eines Netzteils mit mehreren Ausgangsspannungen zu empfehlen.

Dagegen bietet das Netzteil mit nur einer Ausgangsspannung systembedingt Einsparpotenzial bei Überlastschutz und Leitungsführung. Zudem ist der Anwender bei der Auswahl einzelner Komponenten mit höherer Ausgangsleistung weniger eingeschränkt, da das Netzteil je Ausgangsspannung grundsätzlich die volle Ausgangsleistung zur Verfügung stellt.

Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile eines abgestimmten, optimierten Gesamtsystems geht die Tendenz daher oftmals zum Netzteil mit mehreren Ausgangsspannungen hin. In letzter Instanz sind jedoch immer die individuellen Anforderungen der Applikation entscheidend.

Speziell bei einem Netzteil mit ATX-Ausgang sind die Prüfungen recht umfangreich. Einen wichtigen Anhaltspunkt bieten das Handbuch des Motherboards sowie Intels PSU Design Guide for Desktop Platform Form Factors. Hier findet man unter anderem das Power-Supply-Timing, in welcher zeitlichen Abfolge also die Ausgangsspannungen und Signale hochlaufen (Sequencing).

Magic Power Technology, Power Supplies, Embedded Computing
Bild 2: Hochlaufphase des ATX-Netzteils (Netzspannung: Kanal 1 (gelb); Ausgangsspannungen: Kanäle 2 bis 5; PG/PF-Signal: Kanal 6 (ocker; wechselt später auf High); ON/OFF- bzw. PSON-Signal: Kanal 7 (violett)).
© Magic Power Technology

Hochlauf und Netzausfall

Am konkreten Bundle haben wir die wichtigen Zustände Hochlauf und Netzausfall vermessen.

Nach Anlegen der Netzspannung erzeugt das Netzteil zuerst nur eine Stand-by-Spannung von 5 V, die das Motherboard versorgt (Bild 2). Wird nun der Startknopf gedrückt, zieht das Motherboard den ON/OFF-Pin am Netzteil dauerhaft auf Masse (schwarze Linie unten). Damit startet das Netzteil seine Hauptspannungen +3,3 V, +5 V und +12 V sowie –12 V. Hier ist es laut Intels PSU Guide wichtig, dass die 12-V-Schiene schon beim Hochlauf immer einen höheren Wert als die 3,3-V- und 5-V-Schiene aufweist. Haben diese Spannungen ihr Soll erreicht, geht das Power-Good/Power-Fail-Signal (PG/PF) von Low auf High (= PSON) und signalisiert dem Board, dass es mit der Startsequenz fortfahren kann. Ab diesem Zeitpunkt ist für das Netzteil der stabile Betriebszustand erreicht.

Während bei einem normalen Ausschalten das Board nur das ON/OFF-Signal wieder auf High legt, gilt es bei einem unbeabsichtigten Netzausfall zwei Fälle zu unterscheiden:

  • Das Netz fällt kurzfristig für maximal eine 50-Hz-Vollwelle (20 ms) aus und
  • kompletter Ausfall der Netzversorgung.
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Bild 3: Ein Netzausfall mit einer vollen 50-Hz-Welle (20 ms) wirkt sich nicht auf den Betrieb des Systems aus.
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Ein kurzer Ausfall kann beispielsweise dann auftreten, wenn eine Offline-USV vom AC- in den USV-Modus umschaltet. In einer solchen Situation muss das Netzteil die Ausgangsspannung so lange stabil halten, bis die USV den weiteren Betrieb der Netzseite übernimmt (Bild 3). Fällt die Netzversorgung jedoch komplett aus, hat das Netzteil die Aufgabe, das Motherboard entsprechend zu warnen. Dies erledigt das PG/PF-Signal in seiner Funktion als Power-Fail-Signal (Bild 4). Es kündigt dem Rechner mit mindestens 1 ms Vorwarnzeit an, dass die Ausgangsspannung zusammenbrechen wird.

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Bild 4: Kompletter Netzausfall mit PG/PF-Signal (Kanal 6 (ocker)).
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Kommen wir nun zu der Frage nach der richtigen Leistungsklasse. Bei einem Netzteil mit nur einer Ausgangsspannung ist die Ermittlung der richtigen Leistungsklasse deutlich einfacher als bei ihren Pendants mit mehreren Ausgangsspannungen. Man kann entweder alle Worst-Case-Leistungsbedarfe der einzelnen Komponenten summieren oder entsprechende Messungen durchführen.

Wir entscheiden uns, den Leistungsbedarf des Bundles durch Messungen zu ermitteln. Hierzu setzen wir idealerweise Stromzange und Oszilloskop am Ausgang ein, um auch die zeitlichen Aspekte des Lastverlaufs zu berücksichtigen. Für die Ermittlung der Durchschnittsleistung eignet sich in grober Annäherung auch ein Wattmeter auf der Eingangsseite.

Schwieriger wird die Ermittlung der passenden Leistungsklasse, wenn ein ATX-Netzteil zum Einsatz kommt. Dieses versorgt gleichzeitig mehrere Komponenten, die unter Umständen in unterschiedlichen Modi betrieben werden. Hierfür gibt es folgende Rechenwege:

  • Die einzelnen Worst-Case-Bedarfe pro Ausgangsspannung und Komponente werden addiert. In der Regel erhält man auf diesem Weg aber Werte, die oftmals dazu führen, dass ein unnötig großes und teures Netzteil ausgewählt wird.
  • Magic Power führt für das Bundle eine simultane Leistungsanalyse über alle vier Ausgangsspannungen durch.

Als Beispiel wählen wir das MPI-822H, das konvektionsgekühlt 170 W und 220 W mit Luftstrom liefert. Dieses 1 HE hohe Industrie-ATX-Netzteil eignet sich sowohl für hohe Leistungen auf den 3,3-V- und 5-V-Schienen als auch für Systeme mit hohem Bedarf auf der 12-V-Schiene (Tabelle 1). Für die optimale Netzteilauswahl ist es wichtig, dass die einzelnen Kanäle eine deutlich höhere Dauerleistung als nominal liefern können. In einem solchen Fall muss man darauf achten, dass die anderen Ausgänge gleichzeitig weniger belastet werden. Dies schafft die nötigen Leistungsreserven.

Ausgangsspannung / VNennleistung / WDauerleistung (max.) / WDauerleistung (max.; relativ) / %
1260144240
55570127
3,32540148

Tabelle 1: Einzelkanalleistung (lüfterlos) am Beispiel des MPI-822H von Magic Power Technology. (Wichtig: In Summe dürfen nie mehr als 170 W entnommen werden!)

Speziell bei kleineren Systemen, zum Beispiel in IP65-Anwendungen oder im Medizinbereich, sind belüftete Lösungen nicht möglich. Hier muss bei der Auswahl des Netzteils sichergestellt sein, dass die einzelnen Komponenten nicht überfahren werden.


  1. Netzteil auf Embedded-System abgestimmt
  2. Auswahl der Stromversorgung
  3. Unterschiedliche EMV-Anforderungen

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