Eine weitere Voraussetzung für hohe Signalintegrität ist ein möglichst ebener Frequenzgang. Jedes Oszilloskop-Modell hat einen irgendwie gearteten Frequenzgang, der mitentscheidend dafür ist, wie genau das Oszilloskop Signale erfasst, die innerhalb seiner spezifizierten Bandbreite liegen. Eine präzise Signalerfassung setzt drei Dinge voraus:
Ein ebener Amplitudenfrequenzgang bedeutet, dass das Oszilloskop alle Frequenzen gleich behandelt. Ein linearer Phasenfrequenzgang bedeutet, dass alle Frequenzkomponenten des Messsignals die gleiche Laufzeit haben. Ist eine dieser Vorbedingungen nicht erfüllt, weicht das vom Oszilloskop angezeigte Signal mehr oder weniger stark vom tatsächlichen Messsignal ab.
Einige Oszilloskope enthalten Korrekturfilter, die in der Regel als Hardware-DSP-Blöcke implementiert und auf bestimmte Oszilloskop-Familien zugeschnitten sind. Bild 2 zeigt, wie solche Korrekturfilter die Signalintegrität durch Linearisierung des Amplituden- und Phasenfrequenzgangs verbessern können. Das Oszilloskop rechts zeigt ein Signal an, dessen Form exakt dem Spektrum des Eingangssignals entspricht. Bei dem Oszilloskop links ist dies nicht der Fall.
Effektive Auflösung (ENOB)
ENOB (Effective Number Of Bits, also die Anzahl effektiver Bits) ist ein Maß für die dynamischen Eigenschaften eines Oszilloskops, dargestellt in Form einer Kennlinienschar, in der Bits gegenüber der Frequenz aufgezeichnet wird. Jede Kennlinie gilt für eine bestimmte vertikale Skalierung. Die Kennlinien basieren auf der Auswertung von Messdaten, die in den jeweiligen Messbereichen erfasst wurden. Ganz allgemein gilt: Je größer der ENOB-Wert (in Bits) ist, desto besser. Einige Hersteller geben den ENOB-Wert für den ADC im Oszilloskop an, der ist jedoch mehr oder weniger uninteressant. Worauf es ankommt, ist der ENOB des gesamten Systems. Selbst wenn der ADC mit einem tollen ENOB glänzt, kann es sein, dass das Rauschen der Eingangsstufe des Oszilloskops den ENOB des Gesamtsystems drastisch verringert. Ingenieure sollten vorsichtig sein und die Signalintegrität nicht ausschließlich am ENOB-Wert festmachen. In den ENOB-Wert fließen weder Offset-Fehler noch Phasenverzerrungen ein, die das Oszilloskop eventuell produziert.
Zu beachten ist, dass die ENOB-Spezifikation eines Oszilloskops nicht eine einzige Zahl ist, sondern – wie bereits erwähnt – eine Kennlinienschar für jede vertikale Skalierung über den gesamten Frequenzbereich des Gerätes.
Eigenjitter
Jitter ist ein Maß für die Abweichung eines Zeitpunkts von dessen idealer Horizontalposition auf der Zeitachse, ausgedrückt in „ps eff“ oder „ps SS“. Typische Jitter-Quellen sind thermisches Rauschen und Mikrofonie-Rauschen durch Vibration des Schwingquarzes im Taktsignalgeber. Auch Leiterbahnen, Kabel und Steckverbinder können durch Intersymbol-Interferenz (Symbolübersprechen) zum Gesamt-Jitter beitragen.
Der intern in einem Oszilloskop entstehende Jitter wird als dessen Eigenjitter bezeichnet. Dies ist der Jitter-Wert, den ein Oszilloskop bei der Messung eines perfekten, jitterfreien Signals anzeigt. Zum Eigenjitter trägt nicht nur der Abtasttaktsignal-Jitter bei, sondern auch das Vertikalsystem, beispielsweise durch Amplitudenrauschen und Aliasing-bedingte Signaloberwellen. Diese Fehlerquellen im Vertikalsystem wirken sich deshalb auf Zeitintervallmessungen aus, weil sie den Zeitpunkt verändern, an dem das Signal die für Zeitintervallmessungen relevanten Amplituden-Schwellenwerte schneidet.
Exzessiver Jitter kann üble Folgen haben, so z.B. Timing-Verstöße, die System-Fehlfunktionen verursachen können, oder erhöhte Bitfehlerraten (BER) in Kommunikationssystemen. Zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit von Hochgeschwindigkeitssystemen sind Jitter-Messungen unerlässlich. Um die Jitter-Messergebnisse richtig interpretieren zu können, muss man wissen, wie genau die vom Oszilloskop angezeigten Werte sind.
Fazit
Alle oben erwähnten Eigenschaften sind wichtig. Die Tabelle fasst die sieben wichtigsten davon zusammen. Keysight empfiehlt, ein Oszilloskop zu wählen, das in allen diesen Kategorien gut abschneidet. Wer nur auf ein einziges Qualitätsattribut schaut und die übrigen außer Acht lässt, kann zu falschen Schlüssen gelangen und riskieren, dass die eigenen Produkte letztlich nicht den Vorstellungen und Anforderungen entsprechen.