Interview mit André Bauer, Batronix

»Es war an der Zeit für ein völlig neues Oszilloskop-Konzept«

24. Mai 2024, 10:00 Uhr | Nicole Wörner
André Bauer, Batronix: »Als Entwickler und Projektleiter habe ich jede Phase des Projekts intensiv durchlebt, von der ersten Idee bis zur Markteinführung. Mein Herzblut und das meiner Kollegen ist in jedes Detail des Magnova geflossen.«
© Batronix

Das Staunen war groß, als der Messtechnik-Fachhändler Batronix zur embedded world seine erste eigenentwickelte Oszilloskopserie vorstellte. Dabei hat sich das Team um Geschäftsführer André Bauer für die Geräte ein paar Besonderheiten ausgedacht, die es so bislang noch nicht gab. Was steckt dahinter?

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Markt&Technik: Herr Bauer, Batronix ist seit vielen Jahren erfolgreich als Messtechnik-Fachhändler am Markt. Was hat Sie nun dazu inspiriert, eigene Oszilloskope zu entwickeln?

André Bauer: Wir konnten uns in den letzten 17 Jahren als Distributor für Messtechnik verschiedener Hersteller etablieren, treten aber schon deutlich länger, nämlich 25 Jahre, als Hersteller von Programmiergeräten auf. Als Elektronikentwickler haben uns immer wieder bestimmte Aspekte der auf dem Markt erhältlichen Oszilloskope gestört. Es war an der Zeit für ein völlig neues Konzept. Auf der embedded world haben wir nun großartiges Feedback von zahlreichen Entwicklern erhalten – was uns darin bestätigt, dass wir den richtigen Weg gewählt haben.

Sie haben die Geräte selbst mitentwickelt. Wieviel Herzblut ist in das Projekt geflossen?

Für mich war es mehr als nur ein neues Produkt. Es ist das Ergebnis jahrelanger Leidenschaft, Innovationshunger und harter Arbeit. Als Entwickler und Projektleiter habe ich jede Phase des Projekts intensiv durchlebt, von der ersten Idee bis zur Markteinführung. Mein Herzblut und das meiner Kollegen ist in jedes Detail des Magnova geflossen – sei es das innovative Bedienkonzept, die aufwendige Hardware-Entwicklung des Mess-Front-Ends, die wirklich extrem gute Software oder die Auswahl der hochwertigen Komponenten. Wir sind stolz darauf, ein neues Oszilloskop geschaffen zu haben, das die Bedürfnisse der Elektronikentwickler in neuer Form erfüllt und sie in ihrer Arbeit unterstützt.

Was waren die größten Herausforderungen im Entwicklungsprozess?

Auf der Hardwareseite war eine der größten Herausforderungen die Entwicklung des Mess-Front-Ends. Dabei stand die Anforderung im Vordergrund, Signale von Gleichspannungen bis hin in hohe Frequenzbereiche möglichst linear abschwächen oder verstärken zu können. Dies musste fein einstellbar, verzerrungsarm und mit minimalem Rauschen geschehen. Bei der Software und der FPGA-Programmierung war es besonders herausfordernd, die hohe Performance zu erreichen. Zum Beispiel erfordert die Bilderzeugung für viele hunderttausend überlagerte Waveforms pro Sekunde eine Parallelverarbeitung durch das FPGA, weil ein Prozessor allein diesen Durchsatz nicht bewältigen könnte. Auch viele weitere Funktionen wie die automatischen Messungen, Dekodierungen, Maskentests und mehr laufen in der programmierbaren FPGA-Hardware, und das Magnova hält so auch bei diesen Funktionen die sehr hohe Performance aufrecht. Darüber hinaus stellte auch der enorm große Funktionsumfang, den ein modernes Oszilloskop bietet, eine beträchtliche Herausforderung dar. Die Implementierung und Integration all dieser Funktionen erforderte eine sorgfältige Planung und Umsetzung, um sicherzustellen, dass das Magnova seinen Anwendern ein breites Spektrum an Möglichkeiten bietet, ohne die Benutzerfreundlichkeit oder Leistung zu beeinträchtigen.

Wie hat Ihnen die Erfahrung als Messtechnik-Distributor geholfen, die Geräte auf die Bedürfnisse der Kunden abzustimmen?

Diese Erfahrung hat uns immens geholfen. Die Beratung, der Support und die Klärung bei Problemfällen spielen für Kunden eine zentrale Rolle, und als Distributor sind wir ihre primären Ansprechpartner in diesen Belangen. Bei der Beratung hören wir, welche Anforderungen und Wünsche die Kunden haben. Durch den technischen Support erfahren wir aus erster Hand, welche Aspekte der Bedienung für die Anwender unintuitiv oder ineffizient sind. Auch bei der Retouren- und Reparaturabwicklung bekommen wir Einblicke in mögliche Schwachstellen oder Probleme bestehender Geräte. Als Elektronikentwickler wissen wir natürlich auch aus eigener Erfahrung, was wichtig für ein Oszilloskop ist. Diese Kombination aus Kunden-Feedback, technischem Support und unserer eigenen Entwicklungserfahrung hat es uns ermöglicht, die Oszilloskope genau auf die Anforderungen der Anwender zuzuschneiden.

Wie sind Sie als Distributor auf die Kalibrierung und die – auch langfristige – Wartung der Oszilloskope eingerichtet? Wie sieht es generell mit After-Sales-Support aus?

Wir führen vor der Auslieferung eine Werkskalibrierung durch, und die Magnova-Oszilloskope können dann je nach den Anforderungen des Kunden von verschiedenen Kalibrierdienstleistern nach verschiedenen Standards kalibriert werden. Die Oszilloskope selbst sind wartungsarm und auch wartungsfreundlich designt. Es werden ausschließlich hochwertige Komponenten verwendet. Dazu gehören beispielsweise ELMA-E33-Drehencoder mit einer Lebensdauer von 1 Million Umdrehungen, Drehknöpfe mit Metallspannzangen aus der Schweiz und MEC-Mikrotaster aus Dänemark. Die Tastköpfe, die dem Magnova beiliegen, stammen von der Firma Testec. Auf dem Magnova-Mainboard und -Front-End sowie in den Generator- und Logikanalysator-Modulen werden keine Tantal- oder Elektrolytkondensatoren verbaut. Und wir setzen auf hochwertige Displays mit LOCA »Full Liquid Bonding«. Das Magnova wurde mit dem Fokus auf eine besonders lange Lebensdauer entwickelt, dafür stehen wir auch mit fünf Jahren Garantie ein.

Gerätekonstruktion und Bedienphilosophie der Magnova-Scopes sind anders, als man es bislang gewohnt ist – das Gehäuse ist aus Metall, die Kanaleingänge seitlich angeordnet etc. Warum haben Sie sich für dieses Konzept entschieden? Es wäre doch einfacher gewesen, sich auf Bewährtes zu stützen.

Wozu ein weiteres Oszilloskop entwickeln, das alles genauso macht? Welchen Fortschritt oder Nutzen hätte das für die Anwender gebracht? Es gab bislang zwei Bedienvarianten, entweder mit einem Drehencoderpaar pro Kanal oder mit einem Drehencoderpaar für alle Kanäle. Dazu gab es weiterhin Drehencoder für die Zeitbasis, den Trigger und einen mehr oder weniger universalen Drehknopf und eine Menge Tasten. Mit dem Einzug der Touchdisplays haben die Hersteller dann angefangen, die Tasten zusätzlich auch im Display anzuzeigen. In der Regel war aber immer die eine oder andere Funktion nur im Display oder nur bei den Tasten zu finden, was es auch nicht gerade einfacher gemacht hat.

Mit neuer Gerätekonstruktion und lautlosem Betrieb präsentieren sich die neuen Oszilloskope von Batronix.
Mit neuer Gerätekonstruktion und lautlosem Betrieb präsentieren sich die neuen Oszilloskope von Batronix.
© Batronix

Beim Magnova gibt es nur noch die Tasten, die man während einer Messung auch ohne hinzusehen ertasten können muss: Run/Stop und Single. Alles andere läuft über das Touchdisplay. Und weil sich manche Einstellungen immer noch viel besser mit einem Drehencoder als über ein Touch einstellen lassen, gibt es auch weiterhin vier Drehencoder. Die passen sich aber automatisch der gerade genutzten Funktion an und ermöglichen so eine komfortable Einstellung der Parameter in allen Bereichen. Das Display zeigt die entsprechenden Parameter direkt neben den Drehencodern an. Dadurch konnten wir den Platzbedarf für den Bedienbereich minimieren und ein kompaktes Oszilloskop mit einem besonders großen Display und einer hervorragenden Bedienbarkeit entwickeln. Wir nennen es das Flex-Encoder-Bedienkonzept.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist das Standfußkonzept, das eine frei einstellbare Geräteneigung ermöglicht und somit immer die beste Sicht auf das Display gewährleistet. Unter dem Oszilloskop bleibt dabei ausreichend Platz für die Verlegung der Messkabel. Durch die seitlich angebrachten Anschlüsse bleibt der Bereich vor dem Oszilloskop für die zu messende Schaltung frei, was eine bessere Kabelführung ermöglicht.

Das Metallgehäuse bietet einen besonderen Vorteil: Wir nutzen es als Kühlkörper für die lautlose passive Kühlung, was in dieser Leistungsklasse einzigartig ist. Die größten Wärmequellen wie Prozessor, FPGA und RAM sind thermisch direkt mit dem Metallgehäuse verbunden. Dadurch wird ein Großteil der Wärme direkt außerhalb des Gehäuses abgeführt, wodurch das Magnova lautlos betrieben werden kann.

Der Oszilloskopmarkt ist mit starken Herstellern und Marken besetzt. Wie positionieren Sie sich im Wettbewerbsumfeld?

Wir adressieren eine Marktlücke. Das Magnova bietet die Ausstattungs- und Leistungsmerkmale von Oberklasse-Oszilloskopen kombiniert mit der A/D-Wandlergeschwindigkeit – und damit den Kosten – der Mittelklasse. Mit dem großen 15,6-Zoll-Touchdisplay mit Full-HD-Auflösung, dem neuartigen Bedienkonzept und einer herausragenden Verarbeitungs- und Analyseleistung, etwa der Möglichkeit zur Darstellung von bis zu vier FFT-Spektren mit jeweils bis zu acht Millionen Stützstellen, bietet das Magnova Funktionen, die in dieser Preisklasse sonst nicht zu finden sind. Wir kombinieren also hochwertige Ausstattung und Funktionen mit einer A/D-Wandlergeschwindigkeit, die für die meisten täglichen Entwickleraufgaben mehr als ausreichend ist. Unser Ziel ist es, den Kunden ein Oszilloskop anzubieten, das nicht nur leistungsstark ist, sondern auch erschwinglich und benutzerfreundlich.

Die Geräte entstehen komplett in Deutschland – Entwicklung und Fertigung erfolgen an Ihrem Firmensitz in der Nähe von Hamburg, die Gehäuseteile werden in der Nähe von Stuttgart gefertigt und die Platinenbestückung geschieht in Magdeburg. Wie wichtig war Ihnen dieses »Made in Germany«? Und ist das nicht teuer? Das muss sich doch im Gerätepreis niederschlagen.

Für uns war es von großer Bedeutung, die Geräte weitgehend in Deutschland herzustellen. So können wir höchste Qualitätsstandards einhalten und behalten die Kontrolle über den gesamten Produktionsprozess. Das »Made in Germany« steht immer noch für Zuverlässigkeit, Präzision und für zu Ende gedachte Lösungen. Die Nähe zu unseren Lieferanten und Dienstleistern und eine ähnliche Denkweise ermöglicht eine enge Zusammenarbeit und einen effizienten Informationsaustausch, was unter anderem dazu beiträgt, Probleme und damit verbundene Kosten zu vermeiden. Natürlich müssen wir trotz der »Made in Germany«-Produktion unseren Kunden wettbewerbsfähige Preise anbieten. Wir haben da aber als kleinere Firma mit überschaubaren Kostenstrukturen einige Vorteile. Und unsere Marge ist sicher niedriger als bei manchen unserer Wettbewerber.

Gibt es bereits Feedback seitens der Kunden? Vielleicht auch schon vom Mitbewerb?

Wir haben bereits viel positives Feedback von Kunden erhalten, insbesondere auf der embedded world. Viele Besucher waren von dem neuen Bedienkonzept und dem großen Display begeistert. Es gab aber auch einige Besucher, die noch nicht gänzlich vom neuen Bedienkonzept überzeugt waren und sich weiterhin ein herkömmliches Oszilloskop mit vielen Tasten und einem kleineren Display wünschten. Dennoch konnten wir auch diese mit den neuen Funktionen wie der frei einstellbaren Geräteneigung, dem lautlosen Betrieb durch passive Kühlung und der leistungsstarken Software beeindrucken. Auch die anderen Hersteller, die auf der Messe waren, haben die Gelegenheit genutzt, einen Blick auf das neue Magnova zu werfen. Ihr Feedback war gemischt, von Begeisterung für das neue Konzept und Gratulationen zu dem gelungenen Start über Erstaunen über die Performance bis hin zu Skepsis, ob unsere Zusammenarbeit oder unser Support für ihre Oszilloskope darunter leiden könnten.

Interessanter Punkt. Sie vertreiben ja weiterhin die Oszilloskope von Rohde & Schwarz, Rigol, Siglent und Pico Technology. Wie reihen sich da Ihre eigenen Scopes ein?

Die gute Partnerschaft mit den genannten Herstellern ist für uns von großer Bedeutung. Die Magnova-Oszilloskope adressieren wie gesagt eine Marktlücke und sind nicht darauf ausgerichtet, mit den Geräten der Partner in Konkurrenz zu treten – auch wenn sich das manchmal sicher nicht ganz vermeiden lässt. Dennoch sind wir fest davon überzeugt, dass wir auch den Vertrieb für unsere Partner weiter ausbauen können. Jeder Hersteller bietet gute Lösungen für bestimmte Anforderungen. Ob ein Kunde nun eine besonders hohe Performance, spezielle Analysefunktionen, ein bestimmtes Merkmal oder ein besonders günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis sucht – mit unseren Partnern können wir jedem die passende Lösung anbieten. Wir werden weiterhin unabhängig beraten und sicherstellen, dass unsere Mitarbeiter immer im Interesse der Kunden denken und gemeinsam mit ihnen die optimale Lösung finden.

Geben Sie uns abschließend bitte noch einen Einblick in die Zukunft Ihrer Produktpalette. Gibt es Pläne für weitere Eigenentwicklungen im Bereich der Messtechnik?

Wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf weitere Funktionen der Magnova-Firmware und -Software und haben da einige wirklich interessante Features geplant. Die werden wir nach und nach finalisieren und den Kunden über kostenlose Updates zur Verfügung stellen.

Das Interview führte Nicole Wörner. 

Magnova-Spezifikationen im Überblick

  • 15,6-Zoll-Touchdisplay mit Full-HD-Auflösung
  • 12-bit-A/D-Wandler, 16-bit-Systemarchitektur
  • Digitales Triggersystem mit frei einstellbarer Hysterese
  • Erfassung von bis 12 Millionen Wellenformen pro Sekunde im History-Modus, im Normal-Modus bis über 300.000 Wellenformen pro Sekunde
  • Durchführung von über 300.000 Maskentests pro Sekunde
  • Unter 70 ns Trigger-Rearm-Time/Totzeit zwischen den Wellenformen
  • Bis 3,8 Millionen Wellenformen im History-Speicher und für Averages
  • Vier FFT-Spektren mit jeweils bis acht Millionen Stützstellen
  • Vier Mathematikkanäle mit frei definierbaren Formeln
  • Vier simultane Protokolldekoder
  • Acht simultane Messfunktionen (bis zu vier mit Trend-Charts)
  • Optionaler 16-Kanal-Logikanalysator mit einer Abtastrate bis 1600 MSamples/s
  • Optionaler Funktionsgenerator mit vollwertigem 20-V-pp-Amplitudenbereich, 90 MHz Bandbreite und bis 400 MSamples/s für beliebige Signalformen
  • Lautlos – ein Lüfter wird bei normalem Betrieb nicht benötigt.

Das Magnova bietet vielfältige Software- und Analysefunktionen wie etwa automatische Messungen mit Trendcharts, History (segmentierter Speicher) mit Signalsuchfunktionen, Maskentests, X/Y-Darstellung, mathematische Funktionen, Vierfach-FFT, Persistenz, Zoomfunktion in beiden Achsen, Protokollanalysator, Bode-Plots und mehr. Das Oszilloskop ist über SCPI-Befehle und VISA/HiSLIP von gängiger Datenanalyse- und -aufzeichnungssoftware ansteuerbar. In Kürze wird es eine kostenlose PC-Software geben, mit der die Oszilloskope wie am Gerät selbst gesteuert werden, die Messdaten ausgelesen und z. B. Screenshots erstellt werden können.


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