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Dehnungsmessstreifen: elektrisch oder optisch?

20. November 2009, 10:00 Uhr | Nicole Wörner
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Dehnungsmessstreifen: elektrisch oder optisch?


Ohne Vorspannung würde nämlich die Glasfaser im Falle einer Stauchung schlicht und ergreifend ›ausbeulen‹, denn das eigentliche Bragg-Gitter ist nicht geführt oder etwa ›ganzflächig‹ installiert. Diese Vorspannung schränkt jedoch den Messbereich in negativer Dehnungsrichtung ein – er entspricht maximal dem Wert der Vordehnung.« Neben dem Problem, das Bragg-Gitter innerhalb der Faser zu finden, komme erschwerend hinzu, die Faser vorzudehnen und zu installieren ohne diese dabei zu beschädigen. »Das verlangt sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Möglicherweise ist das ein Grund, weshalb optische DMS noch nicht so weit verbreitet sind.«

Mit dem bei HBM neu entwickelten optischen Dehnungsmessstreifen ist die Installation eleganter gelöst: Bei ihm ist das Bragg-Gitter in einem Kunststoffverbund symmetrisch eingebettet. Dieser konstruktive Aufbau leitet sowohl positive als auch negative Dehnung in das Bragg-Gitter ein. Die dunkleren Bereiche (siehe Bild Seite 1) an den Enden des Dehnungsmessstreifens sorgen dafür, dass positive Dehnungen von bis zu 10.000 μm/m in das Bragg-Gitter verlustfrei eingeleitet werden. Der etwas hellere Bereich in der Mitte sorgt dafür, dass negative Dehnungen übertragen werden, ohne dass die Faser bei diesem Sensor vorgespannt werden muss. »Gegenüber einer vorgespannten Faser steht dem Anwender hier ein weitaus größerer Messbereich, sowohl in positiver als auch in negativer Dehnungsrichtung, zur Verfügung«, so Eberlein. Optische DMS gibt es in dieser Art in einer Baulänge von 40 mm. HBM hat diese Lösung zum Patent angemeldet.

Der optische DMS von HBM lässt sich mit den gleichen Mitteln und Verfahren installieren, wie ein »normaler« elektrischer DMS. Dazu zählen nicht nur die Klebstoffe, sondern auch die zum Schutz der Messstelle notwendigen Abdeckmittel. Der Zeitaufwand für die Installation ist ebenfalls vergleichbar.

Optisch oder doch besser elektrisch?

Ist damit der optische DMS der bessere Dehnungsmessstreifen? »Bei einigen technischen Features hat er tatsächlich die Nase vorn«, fährt der Experte fort. »So ist die erreichbare Wechseldehnung im Vergleich zum elektrischen DMS deutlich höher. Erfolgreiche Messungen mit dem kalthärtenden Klebstoff X280 ergaben für den optischen DMS mehr als 10 Millionen Lastwechsel bei einer Wechseldehnung von ±5000 μm/m. Das sind Werte, die für elektrische Dehnungsmessstreifen nicht erreichbar sind, was auf Grund des Einsatzes einer Metallfolie auch so bleiben wird.« Nach Eberleins Überzeugung prädestiniert die erheblich höhere Wechsellastbeständigkeit der optischen DMS diese für den Einsatz bei der Untersuchung neuer Materialien, wie zum Beispiel faserverstärkten Kunststoffen. Vielfach seien die eingeleiteten Dehnungen bei faserverstärkten Kunststoffen höher im Vergleich zu klassischen, metallischen Strukturen.

»Bei einer anderen Eigenschaft ist mehr Hintergrundwissen gefragt: die Temperaturabhängigkeit, eine der meist diskutierten Eigenschaften, der Faser-Bragg-Gitter«, so Eberlein. »Der so genannte Temperaturkoeffizient des Brechungsindexes ist der Grund dafür, dass das temperaturbedingte Ausgangssignal einer solchen Messstelle relativ groß ist. Das Ausgangssignal setzt sich zusammen aus dem eigentlichen Temperaturkoeffizient des Brechungsindexes (ca. 8 μm/m/K) und der freien Wärmeausdehnung des zu untersuchenden Bauteils. Eine Temperaturganganpassung, wie sie von elektrischen DMS bekannt ist, ist bei optischen DMS nicht möglich. Daher ist eine Kompensation des Temperatureinflusses nur rechnerisch oder durch Einsatz einer Kompensationsschaltung möglich.«

Fazit

Der optische Dehnungsmessstreifen von HBM ist ein einfach einzusetzender DMS, der auf Grund seiner Eigenschaften weite Anwendungsfelder erschließt und dabei sogar Messungen in Bereichen erlaubt, die vorher nicht oder nur mit hohem Aufwand realisierbar waren. »Aber auch wenn es Anwendungen gibt, bei denen beide Technologien konkurrieren, den elektrischen DMS kann er nicht ablösen«, resümiert Eberlein. »Bei genauerer Betrachtung ergänzen sich beide in fast idealer Weise. Die Stärken optischer DMS liegen bei Messungen in und an Faserverbundwerkstoffen, in explosionsgefährdeten Bereichen, an sehr großer Messobjekten mit sehr vielen Messstellen sowie an Objekten mit sehr langen Distanzen zwischen Messstelle und Auswerteeineinheiten.«

Die Praxis zeige ferner, dass beide Technologien problemlos am gleichen Messobjekt parallel verwendet werden können. »Dabei werden die Messsignale der elektrischen und der optischen Welt in der Messtechnik-Software ›catman‹ zusammengeführt. Es liegt also an der Anwendung und dem Anwender selber, die am besten geeignete DMS-Technologie einzusetzen.«


  1. Dehnungsmessstreifen: elektrisch oder optisch?
  2. Dehnungsmessstreifen: elektrisch oder optisch?

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