Corona

Medikamente aus dem Teilchenbeschleuniger

13. April 2021, 8:00 Uhr | DESY
Per Röntgenscreening haben Forscherinnen und Forscher vielversprechende Kandidaten für Medikamente gegen das Coronavirus identifiziert.
© DESY

DESY-Forscher identifizieren Kandidaten für Coronamedikamente

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An DESYs hochbrillanter Röntgenlichtquelle Petra III hat ein Forschungsteam mehrere Kandidaten für Wirkstoffe gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 identifiziert. Sie binden an ein wichtiges Protein des Virus und könnten damit die Basis für ein Medikament gegen Covid-19 sein. In einem sogenannten Röntgenscreening testeten die Forscherinnen und Forscher unter Federführung des Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) in kurzer Zeit fast 6000 bereits für die Behandlung anderer Krankheiten existierende Wirkstoffe.

Nach der Messung von rund 7000 Proben konnte das Team insgesamt 37 Stoffe identifizieren, die an die Hauptprotease (Mpro) des SARS-CoV-2-Virus binden. Sieben dieser Stoffe hemmen die Tätigkeit des Proteins und bremsen so die Vermehrung des Virus. Zwei von ihnen tun das so vielversprechend, dass sie zurzeit in präklinischen Studien weiter untersucht werden. Das vermutlich größte Wirkstoffscreening dieser Art brachte zudem eine neue Bindungsstelle an der Hauptprotease des Virus zu Tage, an der Medikamente ankoppeln können.

Atomgenaue Darstellung

Im Gegensatz zu Impfstoffen, die gesunden Menschen helfen, sich gegen das Virus wehren zu können, werden in der Wirkstoffforschung Medikamente gesucht, die bei erkrankten Personen die Vermehrung des Virus im Körper bremsen oder zum Erliegen bringen. Viren können sich allein nicht vermehren. Sie schleusen stattdessen ihr eigenes Erbgut in die Zellen ihres Wirts ein und bringen diese dazu, neue Viren herzustellen.

Dabei spielen Proteine wie die Hauptprotease des Virus eine wichtige Rolle. Sie zerschneidet Proteinketten, die nach dem Bauplan des Viruserbguts von der Wirtszelle hergestellt wurden, in kleinere Teile, die für die Vermehrung des Virus notwendig sind. Gelingt es, die Hauptprotease zu blockieren, lässt sich der Zyklus unter Umständen unterbrechen; das Virus kann sich nicht mehr vermehren, und die Infektion ist besiegt.

Die Strahlführung P11 von Petra III ist auf strukturbiologische Untersuchungen spezialisiert. Hier lässt sich die dreidimensionale räumliche Struktur von Proteinen atomgenau darstellen. Das nutzte das Forschungsteam um DESY-Physiker Alke Meents, um mehrere tausend bekannte Wirkstoffe aus einer Bibliothek des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie und einer weiteren der italienischen Firma Dompé Farmaceutici SpA darauf zu untersuchen, ob und wie sie an die Hauptprotease »andocken« – der erste wichtige Schritt, um sie zu blockieren. Wie der Schlüssel in ein Schloss passt dabei das Wirkstoffmolekül in ein Bindungszentrum der Protease.

Wichtige Datenbasis

Der Vorteil der Wirkstoffbibliothek: Es handelt sich um bereits für die Behandlung von Menschen zugelassene Wirkstoffe oder solche, die sich zurzeit in verschiedenen Erprobungsphasen befinden. Geeignete Kandidaten zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 könnten daher erheblich schneller in klinischen Studien eingesetzt werden und so Monate oder Jahre der Wirkstoffentwicklung sparen.

»Eine besondere Stärke unserer Methode des Röntgenscreenings im Vergleich zu anderen Screeningmethoden ist, dass wir als Ergebnis die dreidimensionale Struktur der Protein-Wirkstoff-Komplexe erhalten und damit die Bindung der Wirkstoffe an das Protein auf atomarer Ebene bestimmen können. Selbst wenn die beiden aussichtsreichsten Kandidaten es nicht in klinische Studien schaffen sollten, so bilden die 37 Stoffe, die an die Hauptprotease binden, eine wertvolle Datenbasis für darauf aufbauende Medikametenentwicklungen«, erläutert Patrick Reinke, DESY-Forscher und Koautor der Veröffentlichung.

Die Untersuchungen an PETRA III würden eindrucksvoll zeigen, wie relevant hochbrillante Synchrotronlichtquellen für die Entwicklung zukünftiger Medikamente und die Gesundheitsforschung insgesamt sind. »Wir müssen und wollen unsere Infrastrukturen künftig noch stärker zur Bewältigung von derartigen Gesundheitskrisen ausbauen«, sagt Helmut Dosch, Vorsitzender des DESY-Direktoriums.

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(me)


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