Dreimal weniger?

18. März 2014, 10:47 Uhr | Marcel Consée

Dass es in einer Gesellschaft, in der man unwidersprochen stolz darauf sein darf, »Mathe noch nie verstanden« zu haben, mit den Statistikfähigkeiten der Bevölkerung nicht weit her ist, liegt auf der Hand.

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Wer schon Probleme mit der Unterscheidung zwischen Prozenten und Prozentpunkten hat und nicht weiß, was eine statistische Wahrscheinlichkeit bedeutet, der geht professionellen Zahlenmanipulatoren aus der Politik und dem Bankwesen schnell auf den Leim, aber auch gesundheitsgefährdenden Esoterikern wie Impfgegnern oder Homöopathen. So richtig problematisch wird es, wenn Ärzte (die im Allgemeinen durchaus die Wissenschaft der Stochastik erlernt haben) ihre Patienten mit halbverstandenen Begriffen verunsichern.
Wer Kinder hat, wird bei den U-Untersuchungen beispielsweise mit Perzentilentabellen konfrontiert, kaum ein Kinderarzt erklärt jedoch, dass ein Perzentil etwas anderes als Penicillin ist. Und wer nach Sinn und Unsinn einer Prostataoperation bei einem Achtzigjährigen fragt, dem kann es allen Ernstes passieren, dass der Spezialist mit Unfug wie »dreimal niedrigere Sterberate« kommt.
Vorbildlich sind erstaunlicherweise die Beipackzettel von Medikamenten formuliert. Wer sich die Mühe macht, sie durchzulesen, findet überraschend allgemeinverständlich aufbereitete Zahlen zu Wirkung und Nebenwirkung. Wer allerdings nach Chancen und Risiken beispielsweise einer bestimmten Chemotherapie fragt, erhält meist nur eine Variante von »seien Sie froh, dass es sowas überhaupt gibt« zur Antwort.
Mit einer Unzahl von Details hingegen wird der Patient vor einer Operation überschüttet. Im Sinne der Risikoaufklärung erfährt man etwa, dass man eine 7,5-prozentige Chance habe, nicht wieder aus der Narkose aufzuwachen oder eine 3,25-%-Wahrscheinlichkeit für totale Lähmung bestehe. Ob so etwas sinnvoll ist (außer für die Rechtsabteilung der Klinik), scheint unklar, denn in den meisten Fällen hat man ja keine Wahl – abgesehen von Freunden der Schönheitschirurgie legt sich ja niemand zum Spaß unters Messer.


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