Interview

Zertifizierung nach ISO 13485

16. März 2012, 8:33 Uhr | Ralf Higgelke

Als Mitglied der exceet Group bietet AEMtec seit dem Jahr 2000 Entwicklung, Qualifikation, Industrialisierung und Produktion miniaturisierter und komplexer elektronischer Schaltungen unter Verwendung von Chip-Level-Technologien wie COB und Flip-Chip. Seit Juni 2011 ist das Unternehmen nach der ISO 13485, dem Qualitätsmanagementsystem für Medizingeräte, zertifiziert. Wir fragten Uwe Kintzel, QM-Manager bei AEMtec, was die ISO 13485 fordert und welche Herausforderungen dies für ein Unternehmen mit sich bringt.

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MEDIZIN+elektronik: Welche Anforderungen an die Qualität werden in der ISO 13485 gestellt?

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AEMtec
»Die Schwerpunkte bei der ISO 13485 liegen im Risikomanagement inklusive Feldbeobachtungen, Dokumentation der Rückverfolgbarkeit sowie Prüfung der behördlichen und gesetzlichen Anforderungen.«
© AEMtec

Uwe Kintzel: AEMtec hat schon mit der ISO/TS 16949, also dem Qualitätsmanagementsystem der Automobilindustrie, entscheidende Voraussetzungen hinsichtlich erweiterter QMS-Anforderungen über die ISO 9001 hinaus realisiert.

Die ISO 13485 stellt an sich eine Erweiterung der ISO 9001 hinsichtlich besonderer medizintechnischer Anforderungen dar.

Die Schwerpunkte bei der ISO 13485 liegen im Risikomanagement inklusive Feldbeobachtungen, Dokumentation der Rückverfolgbarkeit sowie Prüfung der behördlichen und gesetzlichen Anforderungen.

Gerade der Punkt Feldbeobachtungen ist sehr facettenreich.

Darunter fallen das regelmäßige Tracking der Produktqualität beim Kunden, zum Beispiel durch eigene Kundenzufriedenheitsanalysen oder Lieferantenbewertungen der Kunden und Gespräche oder Meetings mit dem Kunden.

Die ISO 13485 verlangt Prozesssicherheit. Wie gewährleisten Sie diese?

Verifizierung und Validierung während der Produktentwicklung und während der Produktion durch Set-up-Prozeduren, also der Einrichtvorgänge, sowie Überwachungsprozesse stellen sicher, dass die Prozesse stabil laufen. Zudem überwachen wir die Prozesse ständig. Natürlich werden sie auch durchgängig und nachvollziehbar dokumentiert.

Wie stellt AEMtec die in der Norm verlangte Rückverfolgbarkeit sicher?

Als langjähriger Zulieferer für die Medtech-Branche haben wir uns schon vor Jahren mit dem Thema Rückverfolgbarkeit beschäftigt, denn dies ist eine generelle Anforderung unserer Kunden. Mit diesen Voraussetzungen bearbeitet die AEMtec diesen Markt seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Trotzdem gab es in Verbindung mit der Zertifizierung nach ISO 13485 unter anderem eine Weiterentwicklung des Rückverfolgbarkeitssystems.

Dieses beinhaltet die Erstellung einer Entwicklungsakte in Form eines Design History Files, eines Device Master Records für den Entwicklungsoutput, also dem Ergebnis, sowie des Device History Records. Bei dem Device Master Record handelt es sich um einen kompletten Datensatz, damit man zu jeder Zeit das Produkt überall nachbauen könnte. Das Device History Record stellt ein Register für alle Änderungen im Rahmen der Produktherstellung dar.

Welche Aussagen trifft die ISO 13485 über die Dokumentationspflicht?

Hier ist vor allem die Dokumentationspflicht in Hinblick auf die Rückverfolgbarkeit und das Risikomanagement zu betrachten. Es sind regelmäßig Pläne zu erstellen, Berichte zu schreiben und Ergebnisse auszuwerten. Wie schon erwähnt, müssen alle Prozesse nachvollziehbar und bei Bedarf zurückzuverfolgen sein.

Wie lange dauert der Zertifizierungsprozess inklusive Vorbereitung? Und wie viel kostet das?

Bei der AEMtec hat die Zertifizierung inklusive Vorbereitung etwa neun Monate in Anspruch genommen. Je nach Voraussetzungen, die ein Unternehmen in Bezug auf das Qualitätsmanagementsystem schon mitbringt, kann die Dauer natürlich variieren. An Gesamtinvestitionen, interne Kosten also mit eingerechnet, muss man mit einem sechsstelligen Euro-Betrag rechnen.

Was waren aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen im Rahmen der Zertifizierung?

Zum einen die Umsetzung der Änderungen in kurzer Zeit neben dem Tagesgeschäft, was unsere Mitarbeiter absolut souverän gemeistert haben. Zum anderen stellte es sich als Herausforderung heraus, dass die empfohlenen Fragen aus der mit der ISO 13485 einhergehenden ISO 14971 - also der Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte - nicht immer auf Produkte eines Zulieferers von elektronischen Mikrosystemen anwendbar sind.

Tatsächlich betreffen diese Fragen häufig den Hersteller des Endprodukts und nicht den Zulieferer. Zwar betreibt AEMtec bereits ein sehr intensives Risikomanagement, allerdings wurde das Risiko bisher rein technisch beziehungsweise aus Fertigungssicht bewertet. Die ISO 13485 verlangt hier eine umfassendere Herangehensweise. So besteht die Herausforderung vor allem in der Informationsbeschaffung für die Bewertung der zu betrachtenden Risiken.

Dies ist natürlich extrem wichtig, wenn es sich um Wechselwirkungen beim Menschen während der Anwendung von Produkten handelt. Besonders kritisch ist hier das Risiko für in-vivo-Anwendungen wie Implantate zu bewerten.

Welche Abteilungen sind von Änderungen betroffen?

Grundsätzlich alle Abteilungen, da das Qualitätsmanagementsystem und damit die definierten Prozesse konsistent durch das gesamte Unternehmen gelebt und von den Mitarbeitern getragen werden muss. Die Schwerpunkte liegen aber beim Engineering, beim Qualitätsmanagement und bei der Fertigung, da vor allem diese Bereiche durch Prozessänderungen und die damit verbundenen Dokumentationen betroffen sind.

Wurden Mitarbeiter geschult? Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt?

Bild 1: Für die Zertifizierung nach der ISO 13485 wurden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fertigung hinsichtlich der Dokumentation der Prozessschritte geschult
Bild 1: Für die Zertifizierung nach der ISO 13485 wurden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fertigung hinsichtlich der Dokumentation der Prozessschritte geschult
© AEMtec

Zu den Normeninhalten und den resultierenden Veränderungen im Management-Handbuch sowie in Prozessbeschreibungen und Verfahrensanweisungen wurden alle Mitarbeiter geschult (Bild 1). Schwerpunktmäßig betraf das natürlich das Engineering bezüglich des Entwicklungsprozesses sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fertigung hinsichtlich der Dokumentation der Prozessschritte.

So stellt beispielsweise die Dokumentation der Entwicklungsergebnisse in Form einer Entwicklungsakte eine spezielle Anforderung für die Entwicklung von Medizinprodukten dar.

Diese Zusammenstellung ist eine Erweiterung unseres bisherigen Qualitätsmanagementsystems und musste erst in dieser Form aufgebaut und die Entwicklungsmitarbeiter entsprechend geschult werden.

Diese sind alle mit dieser Dokumentation und der resultierenden Reorganisation der Datenablage im Intranet nunmehr vertraut und arbeiten danach.

Eines der Grundprinzipien von Risikomanagement lautet: Fehler vermeiden, statt korrigieren. Was bedeutet das konkret?

Risikomanagement in Verbindung mit der Herstellung von Medizintechnik bedeutet, das vertretbare Restrisiko für den Patienten bereits in der Entwicklungsphase zu berücksichtigen. So überarbeitet und evaluiert die AEMtec zurzeit ein Glukosemessgerät, das dem Patienten sowohl über das Gerät selbst als auch über ein Smartphone die Mess-ergebnisse anzeigt.

Aufgrund eines Softwarefehlers wird aber auf dem Gerät sporadisch ein anderes Ergebnis angezeigt als auf dem Smartphone. Bedenklicherweise besteht hier ein erhebliches Risiko für den Patienten, weil er unter Umständen die falsche Medikation zu sich nimmt und damit seinen Gesundheitszustand gefährlich schädigen kann. Unsere Aufgabe ist es nun, beim Re-Engineering und der Programmierung der Software die Funktionssicherheit des Gerätes zu gewährleisten und diesen Fehler zu beheben.

Inwieweit ist die ISO 13485 wichtig, wenn es um Zulassungen geht, beispielsweise durch die FDA?

Das ist eine Voraussetzung, aber ersetzt die FDA-Zulassung nicht.


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