»Intelligente« Chirurgische Tupfer

RFID verhindert Kunstfehler

22. Juli 2011, 9:29 Uhr | Victor Vega
© NXP Semiconductors

Mit elektronischen Etiketten, so genannten RFID-Tags, können verschiedenste Gegenstände identifiziert und verfolgt werden - angefangen bei Laptops über große Frachten von Kleidung bis hin zu sicherheitskritischen Dokumenten. Doch damit lässt sich auch verhindern, dass der Chirurg beim Eingriff Tupfer im Körper der Patienten vergisst.

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Es kommt zwar laut dem Journal of the American College of Surgeons nur bei einer von 5500 Operationen vor, aber für die Patienten kann es schwerwiegende, gelegentlich tödliche Folgen haben: Fremdobjekte, die nach einem Eingriff im Körper zurückbleiben. Besonders chirurgische Tupfer sind davon betroffen, denn diese saugen sich im Laufe eines Eingriffs häufig so mit Blut voll, dass sie im Körper eines Patienten übersehen werden können und noch nicht einmal beim Zunähen bemerkt werden.

Neben dem Imageschaden entstehen den betroffenen Kliniken hohe Kosten aufgrund von Kunstfehlerprozessen. In der Regel ist es Aufgabe einer OP-Schwester, die bei einer Operation verwendeten Gegenstände vor und nach dem Eingriff manuell oder mittels eines Barcode-Systems zu zählen. Dies umfasst Verbrauchsmaterial wie Tupfer sowie die chirurgischen Instrumente. Wenn die Zahlen übereinstimmen, weiß man, dass nichts im Körper des Patienten vergessen wurde. Doch mit keiner der genannten Methoden können blutgetränkte Tupfer gefunden werden, die sich im Körper des Patienten verbergen.

Zudem ist Irren menschlich, insbesondere in Stresssituationen. Die meisten Fehler treten bei Notoperationen und bei Operationen auf, bei denen mehrere Schwesternteams mitwirken. Und der chirurgische Tupfer ist der Gegenstand, der am häufigsten vergessen wird.

Elektronisches Abzählen

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Bild 1: Chirurgischer Tupfer, der mit einem RFID-Chip von NXP ausgerüstet wurde
© NXP Semiconductors

Das »SmartSponge«-System von ClearCount Medical Solutions soll dieses Problem lösen.

Es besteht aus chirurgischen Tupfern mit eingebetteten RFID-Tags (Bild 1), einem RFID-basierten Terminal, das die bereitgestellten und genutzten Tupfer registriert, zählt und anzeigt, und dem so genannten »Smart-Bucket« mit RFID-Lesegerät (Bild 2).

Dieser »intelligente« Behälter zählt die in ihm entsorgten Tupfer. Mitgeliefert wird auch die Software des RFID-Terminals, das über eine leicht bedienbare Benutzeroberfläche die OP-Schwestern durch den Zählungs- und Abgleichprozess führt.

Bild 2: In diesem »SmartBucket« von ClearCount werden die »intelligenten« Tupfer entsorgt und gleichzeitig über einen eingebauten RFID-Leser gezählt.
© NXP Semiconductors

Komplettiert wird das System durch einen ebenfalls RFID-basierten Handscanner, der die im Körper verbliebenen »intelligenten« Tupfer aufspüren kann.Dieser Scanner kommt dann zum Einsatz, wenn das RFID-basierte Terminal eine Differenz zwischen eingecheckten und im SmartBucket entsorgten Tupfern anzeigt. Ermöglicht wird das SmartSponge-System durch den bei 13,56 MHz arbeitenden »ICODE«-Chip von NXP Semiconductors, der in den RFID-Tags enthalten ist. »Es wurden bereits mehr als eine Million Tupfer mit RFID-Chips in Kliniken verwendet«, freut sich David Palmer, Verwaltungsratsvorsitzender und CEO von ClearCount.

Laut Palmer verwenden die Kunden die Tupfer bei allen durchzuführenden Operationen. Denn, so Palmer weiter: »Es geht darum, ein umfassendes Sicherheitssystem aufzubauen. Niemand kann vorhersagen, wann der Fall eintreten wird, dass ein Tupfer vergessen wird.« Die SmartSponge-Plattform erkennt schnell und genau die RFID-fähigen Tupfer und hilft dadurch den Kliniken, die Patientensicherheit zu verbessern. Zudem wirkt sie sich positiv auf die Produktivität aus, weil die Schwestern weniger Zeit mit dem Zählen von Tupfern verbringen müssen. Und schließlich bringt sie ein großes Plus an Genauigkeit, da menschliches Versagen in diesem Bereich praktisch ausgeschlossen werden lann.

So sparen Kliniken doppelt Kosten: durch effizientere Sicherheitsmaßnahmen und durch weniger Kunstfehlerprozesse. Vor der Operation führt eine Schwester ein Paket von RFID-fähigen Tupfern über das Terminal mit integriertem RFID-Lesegerät. Jeder einzelne Tupfer ist mit einem eingebetteten RFID-Tag ausgestattet, der einen individuellen Identifizierungs-Code enthält. Das Lesegerät ermittelt die Identifizierungscodes und sendet sie an die Software, die aus den Codes eine Datenbank der Tag-IDs erstellt. Wird ein Tupfer nicht mehr benötigt, landet er im SmartBucket. Dieser spezielle Abfallbehälter hat ein RFID-Lesegerät, das die Codes der entsorgten Tupfer ermittelt und einen Abgleich mit den in den OP-Saal gebrachten Tupfern durchführt.

So liegt zu jeder Zeit eine Aufstellung über die Tupfer und ihr jeweiliges Einsatzfeld vor (registriert, entsorgt und fehlend). Wenn nach Beendigung des Eingriffs einer der eindeutig gekennzeichneten Tupfer fehlt, löst das Terminal einen Alarm aus. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme kann eine Schwester den Körper des Patienten sowie den OP-Bereich mit dem RFID-Handlesegerät scannen. Die Software von ClearCount speichert alle erfassten Daten und bietet somit eine Schnittstelle zur elek-tronischen Patientenakte.

Laut Palmer entstehen durch RFID-fähige Tupfer zunächst Mehrkosten von rund 20 US-Dollar je OP. Diese Kosten werden jedoch bereits durch die verbesserte Effizienz mehr als aufgewogen, denn der Zeitaufwand gegenüber maunuellem Zählen ist weitaus geringer. Hinzu kommen die erhöhte Sicherheit der Patienten und die Unterstützung des OP-Personals. Dellene Nielson, leitende OP-Schwester im Jane Phillips Medical Center in Oklahoma, wo das SmartSponge-System bereits eingesetzt wird, betont: »Mit dieser Technologie können wir ein ganz neues Maß an Patientensicherheit erreichen. Für mich und meine Kollegen ist die Möglichkeit, das manuelle Zählen elektronisch überprüfen zu lassen, von unschätzbarem Wert.«

Über den Autor:

Victor Vega ist Marketing Director für RFID Solutions bei NXP Semiconductors
© NXP Semiconductors

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