Digitale Vorverzerrung

Fehlersuche und Feinabstimmung – ein Leitfaden

13. Juni 2022, 6:00 Uhr | Wangning Ge
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Fortsetzung des Artikels von Teil 4

Erweiterte Abstimmung

Kompander und Pre-LUT Scaler

Der Kompander wurde bereits erwähnt. Beim ersten Blick in das Benutzerhandbuch kann dieses Konzept Fragen aufwerfen, wie beispielsweise was es bedeutet oder was zu wählen ist: 256 oder 512. Der Kompander (Bild 21) hat die Aufgabe, die Eingangsdaten zu komprimieren und in die LUT einzupassen.

Die allgemeine Form des Kompanders ist eine Quadratwurzel, bei der die I/Q-Daten eingehen. Bevor sie in die LUTs eingesetzt wird, wird mit der Gleichung:

 

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die Signalamplitude aus den vorherigen Gleichungen berechnet. Die Quadratwurzel ist jedoch eine aufwändige Operation in Bezug auf die Geschwindigkeit, und sie muss auch in die LUT (8 oder 9 bit) abgebildet werden, ergo den Kompander.

Graph der Quadratwurzelfunktion
Bild 21. Graph der Quadratwurzelfunktion. Für den Kompander wird der Verlauf geschätzt.
© Analog Devices

Bild 22 zeigt die ideale Quadratwurzelkurve. Die tatsächliche Implementierung ist hier nicht gezeigt. Kurzum wird es aber eine Schätzung der Quadratwurzelkurve sein.

Sobald verstanden ist, wie Daten in die LUTs passen, kann damit begonnen werden, die Daten sinnvoll abzustimmen. Der ADRV9002 bietet die Möglichkeit, für die LUT-Größe 8 bit (256) oder 9 bit (512) zu wählen. Eine größere LUT bedeutet eine Verdoppelung der Adressbereiche für Daten. Dies bedeutet eine feinere Auflösung der Daten und im Allgemeinen einen besseren Quantisierungsrauschpegel.

Für Schmalbandanwendungen, bei denen das Rauschen wichtig ist, wird empfohlen, immer die Option 512 zu verwenden. Für Breitbandanwendungen, bei denen der Rauschpegel nicht so wichtig ist, können Entwickler beide Optionen verwenden. Bei der Option 512 wird jedoch etwas mehr elektrische Energie gebraucht und die Berechnungen erfolgen langsamer.

Histogramm und Crest-Faktor-Reduzierung (CFR)

Die Vorab-Skalierung (Pre-Scale) in der DPD-Konfiguration wurde bereits kurz erwähnt. Dieser Parameter dient dazu, die Eingangsdaten für LUTs zu verstärken. Der Grund für diese Verstärkung ist, dass die Daten in manchen Fällen von der digitalen Vorverzerrung nicht richtig genutzt werden. Bei einem Kompressionsproblem des Leistungsverstärkers wie diesem sind es die Abtastwerte mit hoher Amplitude, die wirklich komprimiert werden und Probleme verursachen. Daher dürfen nicht alle Abtastwerte gleichbehandelt werden. Der Beitrag konzentriert sich auf die Abtastwerte mit hoher Amplitude.

TETRA1-Histogramm – Magnitude
Bild 22. TETRA1-Histogramm – Magnitude.
© Analog Devices

Im Histogramm der TETRA1-Standardwellenform (Bilder 22 und 23) ist zu sehen, dass die meisten Werte in Bereichen mit mittlerer bis hoher Amplitude auftreten. Dies ist darin begründet, dass der Standard TETRA1 mit einer D-QPSK-Modulation arbeitet. Dies führt dazu, dass das Signal eine konstante Hüllkurve hat. Die Spitzenleistung unterscheidet sich nicht allzu sehr von der Durchschnittsleistung. Für die digitale Vorverzerrung ist dies erwünscht. Wie bereits erwähnt, erfasst die digitale Vorverzerrung mehr Abtastwerte mit hoher Amplitude und charakterisiert daher das Verhalten des Leistungsverstärkers besser.

TETRA-1-Histogramm – Leistung.
Bild 23. TETRA-1-Histogramm – Leistung.
© Analog Devices

Wird im Leistungshistogramm (Bild 23) der hintere Bereich vergrößert, lässt sich feststellen, dass immer noch sehr hohe Spitzenwerte auftreten. Allerdings mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit. Dies ist für die digitale Vorverzerrung sehr unerwünscht. Dafür gibt es zwei Gründe, die weiter unten erläutert werden.

Wird der Standard LTE10 auf ähnliche Weise betrachtet, ergibt sich folgendes. LTE verwendet OFDM (Orthogonal Frequency-Division Multiplexing) als Modulationsverfahren, das zur digitalen Datenübertragung Hunderte oder Tausende Unterträger verwendet. Gegenüber TETRA-1 sind die Spitzen hier sehr weit vom Hauptdurchschnitt entfernt (Bilder 24 und 25).

LTE10-Histogram – Magnitude, ohne CFR
Bild 24. LTE10-Histogram – Magnitude, ohne Crest-Faktor-Reduzierung (CFR).
© Analog Devices
LTE10-Histogramm – Leistung, ohne CFR
Bild 25. LTE10-Histogramm – Leistung, ohne Crest-Faktor-Reduzierung (CFR).
© Analog Devices
Vergrößerter Ausschnitt des LTE10-Histogramm – Leistung.
Bild 26. Vergrößerter Ausschnitt des hinteren Bereichs von Bild 25 mit den Abtastwerten mit hoher Amplitude.
© Analog Devices

Im Leistungshistogramm (Bild 26) zeigt sich bei einer Vergrößerung des hinteren Bereichs, dass noch immer sehr hohe Spitzenwerte auftreten. Allerdings mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit. Dies ist, wie bereits erwähnt, für die digitale Vorverzerrung sehr unerwünscht – aus zwei Gründen:

  • Erstens führt die geringe Wahrscheinlichkeit, dass hohe Spitzen beziehungsweise Signale mit hoher Amplitude auftreten, dazu, dass der Leistungsverstärker mit extrem niedrigem Wirkungsgrad betrieben wird. Das Peak-to-Average Power Ratio (PAPR) von LTE beträgt zum Beispiel etwa 11 dB. Das ist ein großer Unterschied. Um eine Beschädigung des Leistungsverstärkers zu vermeiden, muss der Eingangspegel stark zurückgenommen werden. Daher nutzt der Leistungsverstärker nicht den größten Teil seiner Verstärkung zur Steigerung der Leistung.
  • Zweitens beeinträchtigen die hohen Spitzenwerte auch die Auslastung der LUTs. Aufgrund der hohen Spitzenwerte werden die LUTs viele Ressourcen für sie zuweisen und nur ein kleiner Teil der Look-up-Tabellen wird für einen Großteil der Daten verwendet. Dies verringert die Leistungsfähigkeit der digitalen Vorverzerrung.

Die Crest-Faktor-Reduzierung (CFR) ist eine Technik, die eingesetzt wird, um die Signalspitzen auf ein vertretbares Niveau zu senken. Sie wird normalerweise bei OFDM-Signalen verwendet. Da der ADRV9002 keine interne CFR enthält, muss diese Funktion extern realisiert werden.

LTE10-Histogramm – Magnitude, mit CFR
Bild 27. LTE10-Histogramm – Magnitude, mit Crest-Faktor-Reduzierung (CFR), siehe Bild 24 zum Vergleich.
© Analog Devices

Die TES-Evaluierungssoftware für den ADRV9002 enthält deshalb auch die CFR-Version der LTE-Wellenformen. Bild 27 zeigt CFR_sample_ rate_15p36M_bw_10M.csv. Erkennbar ist, dass das Signal bei hoher Leistung aufgrund der CFR auf einen bestimmten Pegel begrenzt wird (Neigung am Ende). Dadurch erhöht sich das Verhältnis von Spitzenleistung zur mittleren Leistung (PAPR) auf etwa 6,7 dB, was einer Differenz von fast 5 dB entspricht.

Die Crest-Faktor-Reduzierung wird den Daten »schaden« und zwar insofern, dass sich die EVM (Error Vector Magnitude) verschlechtert. Im Vergleich zur gesamten Wellenform ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass Amplitudenspitzen mit hohem Pegel auftreten, sehr gering und die auftretenden Vorteile sind enorm.

 

Literatur

[1] Morgan, D. R.; Ma, Z.; Kim, J.; Zierdt, M. G. und Pastalan, J.: A Generalized Memory Polynomial Model for Digital Predistortion of RF Power Amplifiers. IEEE Transactions on Signal Processing, 2006, H. 10, S. 3852–3860.

[2] ADRV9001 System Development User Guide. Analog Devices, System Development User Guide for the RF Agile Transceiver Family, UG-1828, 2021, www.analog.com/media/en/technical-documentation/user-guides/adrv9001-system-development-user-guide-ug-1828.pdf.

 

Der Autor

Wangning Ge, Analog Devices
Wangning Ge, Analog Devices
© Analog Devices

Wangning Ge

ist Product Applications Engineer bei Analog Devices mit Sitz in Somerset, New Jersey, und kam 2019 zum Unternehmen. Zuvor arbeitete er als Software-Ingenieur bei Nokia (ehemals Alcatel-Lucent).

Ge hat Erfahrung in der Entwicklung von DPD-Algorithmen und Funkanwendungen für Basisstationen. Er ist für die Transceiver-Produktfamilie ADRV9001 verantwortlich.


  1. Fehlersuche und Feinabstimmung – ein Leitfaden
  2. Modell der digitalen Vorverzerrung
  3. DPD-Schaltung mit dem ADRV9001
  4. Typische Probleme bei DPD-Schaltungen
  5. Erweiterte Abstimmung

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