Digitale Vorverzerrung

Fehlersuche und Feinabstimmung – ein Leitfaden

13. Juni 2022, 6:00 Uhr | Wangning Ge
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Typische Probleme bei DPD-Schaltungen

Die digitale Vorverzerrung kann von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Daher empfiehlt es sich, sicherzustellen, dass alle aufgeführten potenziellen Probleme berücksichtigt und geprüft werden. Bevor ein Entwickler sich mit den Problemen befasst, sollte gewährleistet sein, dass die Schaltung richtig angeschlossen ist.

Datenübersteuerung beim Senden (Transmit Data Overload)

BilVereinfachte Blockschaltung für eine digitale Vorverzerrung (DPD).
Bild 10. Vereinfachte Blockschaltung für eine digitale Vorverzerrung (DPD).
© Analog Devices

Bild 10 zeigt eine vereinfachte Blockschaltung der DPD-Schaltung mit dem ADRV9002. Die eintreffenden Sendedaten können den D/A-Umsetzer (DAU) übersteuern. Wenn der DAU übersteuert wird, wird das HF-Signal des Senders bereits vor dem Leistungsverstärker verzerrt. Daher ist sicherzustellen, dass die Senderdaten den DAU nicht übersteuern.

Um zu sehen, ob der Sender-DAU übersteuert wird, können Entwickler den DAU über die grafische Benutzeroberfläche beobachten.

Ein Ausschnitt der TETRA-1-Standardwellenform im Zeitbereich.
Bild 11. Ein Ausschnitt der TETRA-1-Standardwellenform im Zeitbereich.
© Analog Devices

Bild 11 zeigt eine TETRA-1-Wellenform mit einer Bandbreite von 25 kHz. Der Spitzenwert ist noch weit von der digitalen Vollaussteuerung entfernt. Für den ADRV9002 wird empfohlen, mindestens ein paar dB von der Vollaussteuerung entfernt zu bleiben, um eine mögliche Übersteuerung des DAU zu vermeiden.

Es ist schwierig zu beziffern, welchen Abstand Entwickler von der Vollaussteuerung halten sollten. Dies liegt daran, dass die DPD-Funktion versuchen wird, eine Vorverzerrung durchzuführen, und damit den Spitzenwert des vorverzerrten Signals erweitert, was den DAU möglicherweise überlastet.

Dies ist abhängig vom Verhalten der digitalen Vorverzerrung bei einem bestimmten Leistungsverstärker. Im Allgemeinen gilt: Je mehr der Leistungsverstärker komprimiert, desto mehr Reserve ist für die Spitzenausdehnung erforderlich.

Übersteuerung beim Empfang (Receiver Data Overload)

Beispiel für einen übersteuerten ADU.
Bild 12. Beispiel für Empfängerdaten von einem übersteuerten ADU.
© Analog Devices

Ein weiterer häufiger Fehler ist die Übersteuerung des A/D-Umsetzers (ADU) im Rückkopplungspfad durch das Empfangssignal. Ursache dafür ist, dass auf dem Weg zum Empfänger nicht genügend Dämpfung vorhanden ist. Der Effekt, wie sich mit dem Debugging-Tool feststellen lässt, ist, dass die Empfängerdaten abgeschnitten werden, so dass sich Sender und Empfänger nicht effektiv abgleichen können. Dies führt zu einem Berechnungsfehler bei der digitalen Vorverzerrung. Die digitale Vorverzerrung verhält sich dann extrem schlecht, was zu einem erhöhten Rauschen im gesamten Spektrum führt.

Zu kleine Aussteuerung des Empfängers (Receiver Data Underload)

Verglichen mit der Übersteuerung des Empfängers wird diese Problematik oft übersehen. Ursache dafür ist eine nicht richtig eingestellte Rückkopplungsdämpfung. Entwickler können den Rückkopplungspfad zu stark dämpfen, so dass die Empfängerdaten zu klein werden. Standardmäßig wird für den ADRV9002 ein Spitzenwert von –18 dBm empfohlen, da dieser die Daten von analog zu digital auf einen guten bekannten Leistungspegel für die digitale Vorverzerrung bringt.

Entwickler können diesen Wert jedoch an ihre Bedürfnisse anpassen. Sie sollten aber wissen, dass der DPD-Rückkopplungsempfänger nicht das gleiche Dämpfungsglied wie normale Empfänger verwendet und eine viel größere Stufenweite hat. Der Dämpfungsgrad wird durch den vom Entwickler eingestellten Spitzenleistungspegel angepasst. Ein Wert von –23 dBm ist der niedrigste Leistungspegel, mit 0 Dämpfung. Unterhalb stoßen Anwender auf zu niedrige Leistungspegel, was das Leistungsvermögen der digitalen Vorverzerrung beeinträchtigt. Als Faustregel sollten Entwickler sicherstellen, dass die Rückkopplungsleistung stets korrekt gemessen und eingestellt wird. Oft neigen Entwickler dazu, verschiedene Leistungspegel auszuprobieren und vergessen dabei, die Rückkopplungsleistung richtig einzustellen, was dieses Problem verursacht.

TDD gegenüber FDD

Die digitale Vorverzerrung beim Time Division Duplex (TDD) muss in der automatisierten Zustandsmaschine (State Machine) ausgeführt werden. Bei der Untersuchung mit der Evaluierungssoftware (TES) im manuellen TDD-Modus lässt sich die digitale Vorverzerrung zwar immer noch aktivieren, allerdings muss eine verminderte Leistungsfähigkeit in Kauf genommen werden. Das liegt daran, dass die digitale Vorverzerrung nur Datenpaketorientiert arbeitet.

Im manuellen TDD-Modus wird die Länge eines Datenpakets durch Umschalten des Sende-/Empfangsfreigabesignals bestimmt. Mit anderen Worten: Jedes Ein- und Ausschalten ist ein Datenpaket. In der Zeit, die ein Mensch zum Umschalten benötigt, ist der Leistungsverstärker jedoch bereits in einen anderen Temperaturzustand übergegangen. Daher ist es unmöglich, die digitale Vorverzerrung ohne den automatischen TDD-Modus aufrechtzuerhalten, bei dem die Sendefreigabesignale häufig umgeschaltet werden können. Beim Frequency Division Duplex (FDD) sollte die digitale Vorverzerrung jedoch normal funktionieren.

Zum Beispiel könnten Entwickler den Standard TETRA-1 nutzen wollen, der ein TDD-ähnliches Datenpaket verwendet ­ eigentlich ist es TDM-FDD. Daher ist die direkte Wahl des TDD-Modus und die manuelle Überprüfung der digitalen Vorverzerrung nicht erwünscht, und deren Leistungsfähigkeit ist eher bescheiden.

Stattdessen können Entwickler entweder das Profil »Custom FDD« verwenden und die gleiche Abtastrate und Bandbreite wie bei TETRA-1 wählen, oder alternativ das TETRA-1-TDD-Datenpaket-Timing einstellen und den automatischen TDD-Modus nutzen. Beide Methoden können wesentlich bessere Leistungsdaten liefern als manuelles TDD.

Sender und Empfänger nicht abgeglichen

Beispiel für eine nicht abgeglichene DPD-Erfassung.
Bild 13. Beispiel für eine nicht abgeglichene DPD-Erfassung.
© Analog Devices
Vergrößerte Darstellung der Realteile.
Bild 14. Vergrößerung der Realteile der Sender- und Empfängerdaten von LTE10 (nicht abgeglichen).
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Der ADRV9002 versucht, die Daten von Sender und Empfänger zeitlich anzugleichen. Wenn Daten vom Entwickler erfasst werden, wird erwartet, dass sie aufeinander abgeglichen werden. Die Messung der Laufzeitverzögerung wird in der anfänglichen Kalibrierungszeit durchgeführt. Bei Profilen mit hoher Abtastrate ist jedoch eine genauere Angleichung der Subsamples separat durchzuführen.

Die digitale Vorverzerrung ist ein adaptiver Algorithmus, bei dem der Fehler der beiden Einheiten (Sender und Empfänger) zu berücksichtigen ist. Bevor der Fehler des Senders und des Empfängers ermittelt werden kann, müssen beide Signale richtig zueinander ausgerichtet werden. Insbesondere bei einem Profil mit hoher Abtastrate wie beispielsweise LTE10.

Externe Verzögerungsmessung
Bild 15. Externe Verzögerungsmessung mit dem IronPython-Script External_Delay_Measurement.py.
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Die Ausrichtung ist wichtig, da die Abstände zwischen den Abtastwerten klein sind. Daher müssen Entwickler das Skript External_Delay_Measurement.py ausführen, um die externe Pfadverzögerung zu extrahieren. Diese Zahl kann unter Board Configuration → Path Delay eingegeben werden.

Wenn die Daten von Sender und Empfänger nicht aufeinander abgestimmt sind, führt dies zu einem stärkeren Rauschen in der AM/AM-Kurve.

Beispiel für eine abgeglichene DPD-Erfassung.
Bild 16. Beispiel für eine abgeglichene DPD-Erfassung – siehe Bild 13 zum Vergleich.
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Vergrößerte Darstellung der Realteile.
Bild 17. Vergrößerung der Realteile der Sender- und Empfängerdaten von LTE10 (abgeglichen) – siehe Bild 14 zum Vergleich.
© Analog Devices

Nachdem die Pfadverzögerungszahl eingestellt ist, lässt sich beobachten, dass die AM/AM- und AM/PM-Kurven viel sauberer sind und weniger Rauschen aufweisen. Auch die Phasendifferenz ist wesentlich geringer.

Überlastung des Leistungsverstärkers

Überlasteter Leistungsverstärker.
Bild 18. Daten bei Überlastung des Leistungsverstärkers.
© Analog Devices

Jeder Leistungsverstärker hat seine eigene Spezifikation im Hinblick auf die mögliche Kompression. Obwohl die Daten für den 1-dB-Kompressionspunkt (P1dB) in der Regel in den Datenblättern stehen, sollten Entwickler in der Praxis genaue Messungen der digitalen Vorverzerrung vornehmen, um sicherzustellen, dass der Kompressionspunkt bei 1 dB liegt. Die DPD-Software bietet die Möglichkeit, die AM/AM-Kurve auf Basis der erfassten Daten zu betrachten, um zu sehen, wie nahe der Kompressionspunkt im Vergleich zum P1dB liegt.

Vergrößerter Ausschnitt der AM/AM-Kurve.
Bild 19. Vergrößerte Darstellung der AM/AM-Kurve in dB aus Bild 18.
© Analog Devices

Wenn jedoch ein Signal über dem 1-dB-Kompressionspunkt liegt, kann dies dazu führen, dass die digitale Vorverzerrung instabil wird oder sogar zusammenbricht, was dazu führt, dass das Spektrum auf einen sehr hohen Pegel springt und dort bleibt. In Bild 19 liegt die Kompression weit über dem 1-dB-Bereich der Spitzenwerte, und auch der Kurvenverlauf wird flacher.

Dies signalisiert, dass der Leistungsverstärker übersteuert ist. Um mehr Leistung am Ausgang zu erzeugen, wird der Eingang viel stark angesteuert. Wenn sich Entwickler an diesem Punkt für eine weitere Erhöhung der Eingangsleistung entscheiden, wird das Leistungsvermögen der digitalen Vorverzerrung abnehmen.

Allgemeine Strategie – Modellauswahl und Abstimmung

Die Idee der indirekten digitalen Vorverzerrung besteht darin, Daten vor und nach dem Leistungsverstärker zu erfassen, wobei die DPD-Stufe versucht, den gegenteiligen Effekt des Leistungsverstärkers nachzuahmen. Die Lookup-Tabellen (LUTs) werden verwendet, um diesen Effekt mit Hilfe der Koeffizienten anzuwenden, und das Modell basiert auf einem Polynom.

Das bedeutet, dass DPD eher einem Kurvenanpassungsproblem ähnelt, und die Entwickler werden versuchen, die Terme zur »Kurvenanpassung« des Nichtlinearitätseffekts zu verwenden.

Der Unterschied ist, dass beim Kurvenanpassungsproblem eine einzelne Kurve angepasst wird, wogegen bei der digitalen Vorverzerrung auch der Memory-Effekt zu berücksichtigen ist. Der ADRV9002 hat drei Memory Taps und einen Cross Tap für die Modellierung von DPD-LUTs.

Memory und Cross Terms des ADR9002.
Bild 20. Darstellung von Memory und Cross Terms des ADR9002.
© Analog Devices

Bild 20 zeigt die drei Memory Taps und den einen Cross Tap, die der ADRV9002 bietet. Die allgemeine Strategie ähnelt einem Kurvenanpassungsproblem. Entwickler können mit einigen Grunddaten beginnen und Terme hinzufügen oder entfernen. In der Regel muss ein Center Tap vorhanden sein (Tap 1). Terme können Entwickler nacheinander hinzufügen und entfernen, um die Wirkung der digitalen Vorverzerrung zu testen. Anschließend können sie eine Erweiterung um zwei Memory Taps (Tap 0 und 2) vornehmen, um den Effekt der Memory-Effekt-Korrektur zu berücksichtigen.

Da der ADRV9002 über zwei seitliche Taps verfügt, sollten diese gleich sein, sprich symmetrisch. Terme sollten ebenfalls nacheinander hinzugefügt und entfernt werden. Auch können Entwickler mit Cross-Termen experimentieren. Cross-Terme vervollständigen das Kurvenanpassungsproblem aus mathematischer Sicht und machen so die digitale Vorverzerrung leistungsfähiger.

HF-Entwickler sollten keine Terme überspringen, indem sie sie leer lassen, da dies ein unerwünschtes Verhalten der digitalen Vorverzerrung bewirkt. Ferner ist zu beachten, dass der nullte Term nicht auf den Cross Term Tap gesetzt werden sollte, da dies auch aus mathematischer Sicht ungültig ist.


  1. Fehlersuche und Feinabstimmung – ein Leitfaden
  2. Modell der digitalen Vorverzerrung
  3. DPD-Schaltung mit dem ADRV9001
  4. Typische Probleme bei DPD-Schaltungen
  5. Erweiterte Abstimmung

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