Die Technik
Erfasst werden die Bewegungen des Benutzers durch zwei Aptina MT9M021 CMOS-Sensoren. Diese liefern ein Schwarz-Weiß-Bild mit einer Auflösung von 1280 x 960 Pixeln.
Im Gegensatz zu Leap Motion findet die Datenverarbeitung bei Myestro direkt im Gerät selbst statt, um die Rechenleistung des verbundenen Computers zu schonen. Die Rechenaufgaben übernimmt ein Embedded-Computer mit einem Intel Core i3-Prozessor (3217U mit 1,8 GHz). Die Berechnungen werden durch das OpenCL 1.2 Framework auf die integrierte Intel HD4000 GPU wie auch auf die CPU aufgeteilt. Komplettiert wird die Hardware von zwei 2GB DDR3-Arbeitsspeichern von Kingston (1600MHz) und einer 30GB SSD-Festplatte von Intel (525 Series). Als Betriebssystem kommt Windows Embedded 8 zum Einsatz. Die vollständig ausgewerteten Gesten-Daten werden über Ethernet oder WLAN an einen oder mehrere angemeldete Geräte gestreamt. Sie benötigen Dank der Vorverarbeitung keine weiteren Berechnungen und können direkt verwendet werden.
Wie funktioniert die Bedienung?
Zur Steuerung der Bildschirminhalte zieht Myestro lediglich die bewegten, faustgroßen Elemente innerhalb der virtuellen Box (SpacePad) heran. Wenn sich beispielsweise noch ein abgestellter Kinderwagen oder ein zweiter Beobachter in der gescannten Zone befinden, tut dies der Bedienung keinen Abbruch. Wenn ein unbeteiligter Passant zwischen Bildschirm und SpacePad vorbeiläuft, verschwindet der Mauszeiger kurz und ist anschließend wieder verfügbar.
Wenn auf dem verbundenen Computer die mitgelieferte Software läuft, wird Myestro direkt als Eingabegerät erkannt und kann für die Steuerung der Inhalte verwendet werden. Neben Windows 7 und 8 arbeitet man in Ulm derzeit an einer direkten Ansteuerung für Mac, die im Januar fertig sein soll. Die Integration in Drittanwendungen ist für jede Programmiersprache über Zugriff auf Sockets möglich. Das mitgelieferte SDK stellt Code-Beispiele in C++ zur Verfügung. Desweiteren wird Javascript für die direkte Integration in Web-Anwendungen über WebSockets unterstützt. Von Haus aus werden die vom Tablet bekannten Standardgesten erkannt (siehe Video), aber auch hier ist softwareseitig noch einiges mehr möglich.
Die Vision
Neben der Integration im Bereich Digital Signage erwägen die Entwickler auch andere Einsatzgebiete. So ließe sich die Technik beispielsweise ohne größeren Aufwand in Fernseher oder Spielekonsolen einbauen. Diesbezüglich verhandele man bereits mit bekannten Elektronikkonzernen aus den USA, Korea und Japan über eine OEM-Integration in bestehende Geräte, teilte Dr. Wenger gegenüber elektroniknet mit. Doch die Ideen reichen noch weiter. Man stehe darüber hinaus in Kontakt mit mehreren großen deutschen Automobilherstellern und -zulieferern, für die die Technik im Hinblick auf die Bedienung automobiler Multimediasysteme interessant sei. Auch für neuartige elektronische Gadgets wie Cyberbrillen à la Google Glass könne die Gestensteuerung einen Mehrwert bringen. Denn Körpersprache ist universeller nutzbar als die länder- und dialektabhängige Sprachsteuerung.
Ein weiteres Anwendungsszenario könnte durch den demografischen Wandel an Bedeutung gewinnen. Denn ein System, das Bewegungen präzise erkennt, könnte beispielsweise die Betreuung alter Menschen unterstützen. Angenommen, eine Seniorin stürzt zuhause und kann ohne fremde Hilfe nicht wieder aufstehen. Myestro könnte dies erkennen und der angeschlossene Computer die notwendigen Schritte einleiten. Aufgrund des Preises und möglicher Berührungsängste älterer Menschen dürfte dieser Anwendungsfall allerdings noch einen weiten Weg vor sich haben.