Seit rund einem Jahr ist Lantiq von Infineon getrennt und eine eigenständige Firma. Über den zurückgelegten Weg und die weiteren Schritte berichtet Christian Wolff, CEO von Lantiq.
Markt&Technik: Ein Jahr Lantiq - ist Ihnen die Zeit schnell verflogen?
Christian Wolff: In der Tat ist das Jahr rasend schnell vergangen. Es war ungeheuer spannend und aufregend. Wenn man auf das erste Jahr zurück blickt, dann ist es zum einen darum gegangen, die Firma auf solide Beine zu stellen. Wir waren früher eine Division, aber dann entdeckt man eine ganze Reihe von Themen, die eine Firma ausmachen und die man nicht selber abdeckt - jetzt decken wir alles selber ab. Das waren eine ganze Menge Herausforderungen - man plante es zwar schon im Voraus, aber es gab immer wieder Überraschungen, da man niemals alle Fälle vorhersehen kann. Das wichtigste, was man dann braucht, sind Leute, die die Ärmel hochkrempeln und Lösungen finden.
Kaum war Lantiq eigenständig, da kam es schon zu den ersten beiden Firmenübernahmen.
Die zwei Akquisitionen waren extrem entscheidend. Es war das eine, das »Gebäude« zu schaffen, um die Firma fortzuführen. Was viel interessanter und wichtiger ist, war eine zusätzliche Basis zu schaffen für neues Wachstum. Darauf haben wir von Anfang an gesetzt und durch die frühen Akquisitionen unterstrichen, dass Home-Networking eine hohe Bedeutung für uns haben wird - sowohl Wireless als auch Wireline. Dass die Akquisitionen kurz nach dem Start stattgefunden haben, hat auch gezeigt, wie gut wir mit unserem Investor Golden Gate Capital abgestimmt waren.
Mit T-Venture haben Sie mittlerweile auch einen weiteren Investor gefunden.
Darauf sind wir sehr stolz, denn es ist eine ganz besondere Auszeichnung, dass wir die Deutsche Telekom als einen unserer Investoren nennen dürfen und dass das Unternehmen uns das Vertrauen geschenkt hat. Das Interesse dabei ist weniger monetär als strategisch - man will den Schulterschluss noch etwas enger machen, um der Abstimmung der Roadmaps einen gewissen Rahmen zu geben.
Wie war dann die wirtschaftliche Entwicklung?
Relativ zum letzten Geschäftsjahr sind wir um circa 8 Prozent gewachsen. Es hätte mehr sein können, doch die in den abgelaufenen Quartalen industrieweit angespannte Liefersituation führte zu gewissen Limitierungen.
Und wie hat sich die Mitarbeiterzahl entwickelt?
Am Tage Null waren wir circa 850 Mitarbeiter, jetzt sind wir rund 1030. Wir haben uns natürlich durch die zwei Akquisitionen verstärkt, die uns rund 100 extrem erfahrene Ingenieure hinzu gebracht haben. In beiden Fällen waren das immer Teams mit mehr als 10 Jahren Erfahrung - das ist ein ungeheurer Wert. Wir wissen ja alle, dass nicht alle Akquisitionen zum Erfolg werden - aber für uns sieht es bisher so aus, dass beide Akquisitionen in sehr interessante Produkte münden und damit ein voller Erfolg sind. Wenn Sie auf unsere Web-Site schauen, dann sehen Sie, dass wir weltweit noch Leute suchen.
Was brachten die Firmenübernahmen technologisch?
Zwei wichtige Themen: Zum einen ein Wireless-LAN, das so hohe Qualität hat, dass man auch mehrere - bis zu vier - HD-Videos anstandslos übertragen kann. Zum anderen wichtige Optionen im Bereich der drahtgebundenen Verteilung von Breitbanddaten im Haus. Hier spielen Powerline oder Koaxkabel neben der Telefonleitung in Zukunft eine wichtige Rolle. Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, und durch die frühen Akquisitionen unterstrichen, dass Home-Networking eine hohe Bedeutung für uns haben soll.
Rechnen Sie mit einer weiteren Marktkonsolidierung?
Ich glaube schon, dass die Konsolidierung weiter geht. Wenn man sich eine CPE Box anschaut, so findet man heute VDSL, Gigabit-Ethernet, Voice-over-IP etc. - das macht es deutlich, dass nur Portfolio-Companys eine Chance haben, diesen ganzen Strauß an Technologien anzubieten. Eine Vielzahl der Nischen-Start-Ups, die sich auf eine dieser Komponenten spezialisiert haben, hat eigentlich nur eine endliche Lebenszeit. In dem Moment wo ihre Technologie integriert wird, können sie typischerweise nicht mehr mithalten. Es gab ja in den letzten Monaten etliche andere Übernahmen. Das wird sich wohl auch in den nächsten Quartalen noch so fortführen.
Beteiligt sich Lantiq daran?
Mit dem Zukauf der Wireless-LAN-Technologie haben wir damals die einzige strategische Lücke geschlossen. Wir haben also nicht die Situation, dass wir ein strategisches Loch stopfen müssten, aber wir gehen mit offenen Augen und Ohren durch die Welt - wenn sich etwas Passendes findet, dann haben wir durch Golden Gate Capital in jedem Fall die Ressourcen, um solche Themen sehr schnell evaluieren und gegebenenfalls auch umsetzen zu können.
Liegt der Fokus von Lantiq noch auf Kupfer? Wie passen die neuen Chips für Glasfaser ins Bild?
Ich möchte GPON als Komplettierung und Aufwertung der Kupfer-infrastruktur sehen, weil in vielen Fällen das Kupfer weiter genutzt wird, allerdings über kürzere Entfernungen. Teilweise mag Glasfaser auch direkt ans Haus gehen - für uns ist das eine gleichwertige Gelegenheit. Wenn man den neuen GPON-Chip mit dem VDSL-Gateway-Chip vergleicht, den wir Anfang des Jahres eingeführt haben, dann basieren sie mehr oder weniger auf dem gleichen Silizium - Gigabit-Ethernet und VoIP sind integriert, und an Stelle eines VDSL-Modems findet sich jetzt ein GPON-MAC. Für uns bleiben die technischen Herausforderungen ähnlich und auch die geschäftliche Perspektive. Ich gehe davon aus, dass sich diese beiden Technologien ergänzen oder als Alternativen verwendet werden. Es ist deshalb für uns wichtig, sie im Portfolio zu haben - damit können wir sicherstellen, dass wir den Kunden auf jeden Fall erreichen und bedienen können.