Zuwanderungswillige haben es schwer in Deutschland, selbst wenn sie Elektrotechniker sind.

Wie die deutsche Bürokratie ausländische Fachkräfte behindert

3. August 2010, 12:29 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Alles hängt von einem Stempel im Pass ab

Während des Studiums brauchte Ivanova zweimal einen neuen Reisepass, da in Russland Reisepässe nur fünf Jahre gültig sind. »Beim ersten Versuch bin ich weinend aus dem Konsulat raus, beim zweiten mal gab ich mich schon kämpferischer und meine Anträge auf einen neuen Reisepass wurden angenommen, ohne dass ich gesagt bekommen hätte, dass ich mir meinen Reisepass zu Hause in Russland beantragen soll, dass das russische Konsulat sich in diesen Fragen nicht zuständig fühlt und für Studenten schon überhaupt nicht, dass ich der russischen Sprache nicht mehr mächtig sei. Bis hierher glaubte ich, das Konsulat sei ein Stück Heimat und wolle mir helfen.«  

Der erste Pass hat Ivanova rund 400 Euro gekostet, die Ausstellung des Passes dauerte acht Monate. »Wäre ich nach Hause gefahren um dort einen Pass zu beantragen, hätte ich mein deutsches Visum neu beantragen müssen, da das Visum nicht einfach umgeklebt werden darf. Das war die Aussage einer Beamtin der deutschen Botschaft in Moskau, mit der ich telefonierte. Doch das hätte genau so lange gedauert und genau soviel gekostet - und es hätte meine Studienzeit unnötig verlängert.«

Kurz vor Abschluss des Studiums, mitten in der Wirtschaftskrise, schrieb Ivanova Bewerbungen. An deutsche Firmen, an österreichische, zeigte sich mobil ohne Wohnort-Präferenz. Das Ausländergesetz ließ ihr genau ein Jahr Zeit, um eine Stelle zu suchen und ein Visum zu beantragen. Also ging Ivanova rechtzeitig ins Ausländeramt und bat um eine Verlängerung des Visums. Es wurde für ein Jahr verlängert mit der Bitte, sich wieder zu melden, wenn eine Stelle gefunden worden sei. Denn die Ausstellung der Arbeitserlaubnis nehme eine gewisse Zeit in Anspruch und müsse mit dem Arbeitsamt abgestimmt werden.

»Da kamen mir die ersten Zweifel an dem Fachkräftemangel in der IT-Branche. Ich habe mich vor den Computer gesetzt und mir die Gesetzesbücher, die in meinem Fall zur Geltung kommen, durchgelesen. Wie ernst meint es die deutsche Politik mit dem Fachkräftemangel in der IT-Branche? Die »Greencard«-Hürden sind hoch. Nach meinen Recherchen hätte ich von Anfang an 51.000 Euro als Jahresgehalt vorweisen müssen, um an diesem Programm teilnehmen zu dürfen. Die Einstiegsgehälter in der IT-Branche sind gut, aber so gut dann doch nicht, und wenn die Finanzkrise auf der Erde tobt, schon überhaupt nicht. Wie soll ich als Absolventin frisch von der Hochschule so viel Geld verdienen können, damit mir mein Aufenthaltstitel genehmigt wird?

Ivanova kann ausländische Studierende verstehen, die nach dem Studium wieder nach Hause zurückkehren. Ivanovas Bruder hat in Russland Kryptographie und Informationstechnologie studiert und verdient mehr als sie hier in Deutschland, ihm gefällt seine Arbeit, er ist zufrieden, er macht Fortbildungen und entwickelt sich weiter, er hat in Russland eine sichere Zukunft.

Sicher ist bei Ivanova dagegen nichts. Sie ist als Ausländerin in Deutschland geduldet, hat zwar einen unbefristeten Arbeitsvertrag, muss aber jedes Jahr aufs Neue eine Aufenthaltsgenehmigung einholen. Alles, was sie sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, hängt von einem Stempel im Pass ab und ein bisschen auch von der Laune des Beamten im Ausländeramt.

»Wenn die Politiker so viel Angst haben, dass solche Leute wie ich hier bleiben, warum machen sie überhaupt so ein Programm?« fragt Ivanova. Oft packen sie Zweifel, ob der Gang nach Deutschland richtig war, dann ist sie mutlos. »Ich versuche, etwas aus mir zu machen, meinen Platz in der deutschen Gesellschaft zu finden, ich bestreite meinen Lebensunterhalt, ich beziehe keine Hilfen vom Staat, die ich auch nicht bekommen würde, obwohl ich Steuern bezahle, ich zahle in die Rente ein, hier in Deutschland und nicht in Russland.« Die junge Frau hat von der deutschen Bevölkerung selten das Gefühl vermittelt bekommen, unwillkommen zu sein. Dagegen die meisten Beamten: »Sie wirken nach außen nett, kennen sie sich aber weder mit Gesetzesbüchern noch mit Vorschriften aus. Oder wollen sie sich nicht auskennen?«

Sollte sie heiraten, um ein unbefristetes Aufenthaltsrecht zu bekommen? Ivanova sieht das nicht ein. »Nur weil das das Klischee-Verhalten für eine Ausländerin ist?« Sie versucht, nicht alles so nah an sich ran zu lassen. »Man braucht eine dicke Haut und viel Humor, denn sonst kommt unweigerlich das Gefühl auf, hier in Deutschland nicht erwünscht zu sein.«, sagt sie ein wenig traurig. Ivanova ist überzeugt: »Die Politiker, die für die Erleichterung des Zuwanderungsgesetzes sind, wissen nicht, was sie damit erreichen wollen. Wir Ausländer müssen mit negativen Situationen alleine und ohne Unterstützung zurechtkommen, dürfen keine Wunder erwarten. Das Leben ist ein Geben und Nehmen, ich habe es verstanden, und die Politiker?«


  1. Wie die deutsche Bürokratie ausländische Fachkräfte behindert
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