Vor zehn Jahren verabschiedeten die europäischen Staaten im italienischen Bologna ein Abkommen, nach dem bis 2010 die Hochschulausbildung in ganz Europa vereinheitlicht werden soll. Nach erfolgreicher Einführung des Bachelor- und Masterstudiums geht es nun dem kaum reglementierten (die negative Lesart) beziehungsweise dem recht selbstständigen (die positive Lesart) Promotionsstudium in Deutschland an den Kragen.
Ähnlich wie bei der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen zielen die geplanten Reformen auf eine stärkere Strukturierung und eine Ausweitung bildungsartiger Elemente wie zum Beispiel verpflichtender Promotionsstudien. Nach den bisherigen Vorschlägen soll zum Beispiel jeder examinierte Ingenieur für weitere ein bis zwei Jahre regelmäßig im Hörsaal Platz nehmen, auch etwas über Fachgebiete abseits seines gewählten Dissertationsthema lernen und in Klausuren Zeugnis über seinen Bildungszuwachs ablegen.
Das beeinträchtige nicht nur die studienbegleitende Erwerbsarbeit, meint Acatech. Auch die bisher weitgehende Selbstständigkeit der Doktoranden in Forschung, Lehre und Projektarbeit könnte stark eingeschränkt und der berufliche Leistungsaspekt der Promotionsphase geschwächt werden. Denn für die Technikakademie als Sprecherin des Zusammenschlusses von neun Technischen Universitäten (TU9) ist die Promotion ihrem Wesen nach eben keine Ausbildung wie im Rest von Europa, sondern eine erste Berufstätigkeit im Anschluss an das Studium.
Vorschläge zur Neuordnung des Promotionsstudiums
Diesen Stellenwert sieht sie schwinden, damit den Vorsprung der von der Uni direkt in die Wirtschaft gewanderten Ingenieure weiter wachsen und als Reaktion die Zahl der promotionswilligen Ingenieure langfristig sinken. Und das kann eine Akademie der Technikwissenschaften wirklich nicht wollen.
Klugerweise beschränkt sich Acatech nicht auf bloßen Protest, sondern bringt eigene Vorschläge zur Neuordnung des Promotionsstudiums in die Diskussion. Zu den vorgelegten zwölf Empfehlungen gehören unter anderen:
• In der Promotionsphase sollten begleitend zum eigentlichen Promotionsverfahren verstärkt außerfachliche Qualifikationen wie betriebswirtschaftliches und juristisches Wissen sowie Soft Skills – Personalführung, Projektmanagementfähigkeiten, Kommunikationskompetenzen, Sprachkenntnisse – erworben werden können. Damit könnte dem Vorsprung der Praktiker etwas entgegengesetzt werden.
• Viele angehende Dr.-Ing. kommen vor lauter Vorlesungsvorbereitung, Quellenstudium für den Doktorvater und Klausurenkorrekturen kaum noch zur Arbeit an ihrer Dissertation. Deshalb dauert das Promotionsstudium in Deutschland länger als anderswo. Acatech fordert, eine Ingenieurpromotion solle in vier Jahren oder weniger möglich sein. Dazu müssten dissertationsfremde Aufgaben der Doktoranden in Forschung, Lehre und Verwaltung begrenzt werden.
• Um den Frauenanteil unter den promotionswilligen Ingenieuren zu steigern, fordert Acatech eine Art Quote und Stipendien explizit für Frauen sowie eine familienfreundliche Arbeitsumgebung.
• Zwischen Doktorand und betreuendem Hochschullehrer sollte zu Beginn der Promotion eine »Vereinbarung zur Betreuung eines Promotionsvorhabens« abgeschlossen werden. Darin festgehalten werden soll eine Skizze des Forschungsthemas, ein Zeitplan mit definierten Meilensteinen, eine Abschätzung der benötigten Ressourcen sowie Aussagen zu Vorträgen, Publikationen und zu Vorveröffentlichungen von Teilergebnissen der Dissertation. Acatech hat dazu eine Mustervereinbarung formuliert (zu finden in Anhang A5 der Empfehlungen unter www.acatech.de, Projektberichte).