Gefragt nach seinem Karriere-Ratschlag an Ingenieure, appelliert Personalberater Udo Wirth aus München an deren Vernunft: »Die Halbleiterindustrie wird in Deutschland keine große Zukunft mehr haben.« Also Wechsel? Erstmal Fakten sammeln: »Wir haben in Deutschland nicht mehr den Arbeitsmarkt und auch nicht den Ingenieurarbeitsmarkt, sondern wir haben viele verschieden Teilbereiche und Marktsegmente, die völlig unterschiedlich betrachtet werden müssen. Die Situation für den Entwicklungsingenieur in der Halbleiterbranche sieht völlig anders aus als etwa für den Ingenieur in der Gerätekonstruktion.«
Auf Gehaltseinbußen einstellen
Auf Gehaltseinbußen sollten sich Ingenieure aus der verwöhnten Halbleiterbranche einstellen, wenn sie den Job wechseln, wozu Wirth rät. Etwa in die Medizintechnik oder Energiewirtschaft, in denen die Aussichten für Ingenieure durchaus gut seien und wo noch Personalbedarf bestünde. Viel wichtiger als Geld sei schließlich die Zukunftsfähigkeit des neuen Arbeitgebers: »Wer sich darüber heute als Ingenieur – vor allem, wenn er in der Halbleiterbranche arbeitet – keine Gedanken macht, handelt grob fahrlässig!«
Jens Schulte ist Geschäftsführer der Personalberatung MRL Consulting – und sieht nicht ganz so schwarz: »In der Halbleiterindustrie sehen wir derzeit mit Ausnahme weniger Unternehmen, die durch antizyklisches Verhalten Top-Leute für sich gewinnen können, einen quasi Industrie- übergreifenden Einstellungsstopp.« Kann er das konkretisieren? »Zum einen handelt es sich um Unternehmen, die aufgrund gesunkener Nachfrage keine weiteren Mitarbeiter einstellen.« Die anderen fliegen auf Sicht: »Viele Firmen wollen die Entwicklung der ersten beiden Quartale des Jahres 2009 abwarten, obwohl sie aufgrund der stabilen Auftragslage Bedarf an zusätzlichen Mitarbeitern hätten.«
Auch Renate Schuh-Eder von Schuh-Eder Consulting warnt vor übertriebenem Pessimismus, denn sie hat noch Aufträge von Halbleiterfirmen: »Bestimmte Positionen sind nach wie vor nicht zu besetzen.« Von einem Exodus der Branche würde sie daher nicht sprechen wollen, das sei Panikmache: »Meiner Ansicht nach nutzen Firmen in diesen Tagen auch die Situation aus, um sich von sog. »Low Performern« zu trennen und Überbesetzungen durch Reorganisation, Übernahmen und Kooperationen zu korrigieren!«
Das sieht auch Kollege Schulte so: »Neben den bekannten Personalfreistellungen bei einigen Halbleitergrößen finden primär punktuell strategische Entlassungen statt. In solchen Fällen trifft es einen Querschnitt der Mitarbeiter und nicht nur gering qualifizierte Personen.« Solche Anpassungen wären zum Teil für einen späteren Zeitpunkt geplant gewesen, allerdings habe man sie jetzt mit Verweis auf die allgemein schwierige wirtschaftliche Situation vorgezogen.
Strategischer Wechsel
Andere sind viel pessimistischer und raten jetzt zu strategischen Wechseln, weil sie, wie etwa Beraterkollege Udo Wirth, die Halbleiterbranche in Deutschland schrumpfen, wenn nicht langfristig vor dem Aus sehen. Vieles hänge davon ab, ob sich der Staat bereit erkläre, im weltweiten Standortpoker mitzuziehen und »zu investieren«. Kritiker wie Wirth halten Subventionen für falsch, und der Wettlauf mit den subventionierenden Asiaten sei ohnehin nicht mehr zu gewinnen.