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Wie robust ist der Arbeitsmarkt?

11. November 2022, 7:30 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Interconsult erklärt

Auch Dietrich Graf von Reischach hat mit seiner Personalberatung Interconsult weiterhin gut zu tun: »Fachkräfte werden weiterhin sehr gesucht.« Erschwerend für ihn sei allenfalls, dass die angespannte Situation potenziellen und latenten Jobwechslern die Lust auf Karriereschritte vermiest: »Lieber das Risiko eines Jobwechsels NICHT eingehen wollen, um dann ggf. in der Probezeit entlassen zu werden«, laute die Devise, so Reischach. Ungeachtet der guten Situation am Arbeitsmarkt: »Positionen im IT-Bereich generell, IT Security und Hardwareentwicklung, aber auch Vertrieb in den meistens Branchen der Elektronik werden am häufigsten ausgeschrieben«, sagt der langjährige Berater. Die Funktionen? »Quer Beet«: »Von Entwicklung über Qualität, viel Einkauf, Sales und auch viele Führungsfunktionen sind dabei.«

Hochschild Tanja
Tanja Hochschild, Head of Digitalization und Mitglied der Geschäftsleitung bei Würth Elektronik eiSos: »Es ist schwierig, Fachkräfte zu bekommen. Und es wird auch in den nächsten Monaten extrem schwierig sein.«
© Würth Elektronik eiSos

Die Trends

Das liegt auch an zwei langfristigen Trends. Zum einen macht sich der demografische Wandel mittlerweile bemerkbar. Nachfolgeregelungen etwa seien für Schuh-Eder Consulting inzwischen »ein großes Thema, da in den nächsten Monaten und Jahren Unzählige in Pension gehen«. Und zum anderen die technischen Umwälzungen in Richtung Energiewende, Digitalisierung, Elektromobilität und Industrie 4.0.

Digitalisierung und Klimaschutz ließen den Bedarf an Beschäftigten in Ingenieur- und Informatikberufen deutlich steigen, die Lage sei angespannt, die Zahlen alarmierend, sagt Ingo Rauhut, Geschäftsführer Fachbeirat Beruf und Arbeitsmarkt beim VDI. Im zweiten Quartal habe es zuletzt sogar einen Rekordwert an offenen Stellen für Ingenieure gegeben. »Als Schlüsseltechnik erlebt die Mikroelektronik eine Renaissance«, sekundiert Dr. Michael Schanz, Arbeitsmarktexperte beim VDE. »Die Wirtschaft sucht diejenigen, die diese Trends vorantreiben«. Und mit Blick auf die Fab-Pläne von Intel und TSMC in Sachsen: »Das ist wieder ein Beleg für die Auferstehung der Mikroelektronik in Deutschland. Aber woher die benötigten Experten und Expertinnen nehmen?« – »Bis Ende des Jahrzehnts werden uns rund 200.000 Ingenieurinnen und Ingenieure fehlen«, ergänzt Katharina Hain von Hays, »der Nachwuchs fehlt in allen Fachbereichen«.

Natürlich beobachte man »die Lage« schon genau und wäre gegebenenfalls »im Aufbau etwas vorsichtiger«, gibt Thomas Dudenhöffer, Personalchef bei TTI, zu. Doch dazu bestehe im Moment kein Anlass. Bei Neueinstellungen gehe man aber ohnehin immer sehr überlegt vor, denn »wir glauben an eine langfristige Zusammenarbeit mit unseren Beschäftigten«. Man folge nicht kurzfristigen Gewinnoptimierungen. Auch bei Odu ändert sich die Strategie nicht. »Wir werden weiterhin technisch gut ausgebildete Spezialisten benötigen und bleiben auf Wachstumskurs«, erklärt Chief HR Officer Gerlinde Dilg. Das bestätigt auch Puls: »Unsere Strategie gilt unverändert weiter, da sich der Bewerbermarkt noch nicht entspannt hat und die Auftragslage weiterhin sehr gut ist.«

Kremser Carsten
Dipl.-Ing. Carsten Kremser, Director und Executive-Search-Experte im Bereich Industrial bei Kienbaum, registriert bei den Kunden eine »leichte Tendenz zu einer abwartenderen Haltung«.
© Kienbaum

Auch für Tanja Hochschild von Würth Elektronik hat die allgemeine Krisenlage die harte Konkurrenzsituation um Fachkräfte und Ingenieure nicht verändert. Es sei schwierig, Fachkräfte zu bekommen. Und werde es auch in den nächsten Monaten sein, sogar »extrem schwierig. Wir Unternehmen müssen uns gut überlegen, wie wir noch sichtbarer und attraktiver werden wollen«, sagt sie.

Welche Faktoren muss heute ein Unternehmen erfüllen, um in diesem harten Wettbewerb um Ingenieure erfolgreich sein zu können? Katharina Hain sieht viel HR-Arbeit: »Sowohl langjährige Mitarbeiter als auch neue Generationen müssen im Unternehmen gehalten werden. Die Mitarbeiter-Bindung ist ein großer Faktor.« Daneben seien attraktive Gehälter, Flexibilität, Innovation und Weiterentwicklung, aber auch Diversity und Wertschätzung unabdingbar für Arbeitgeber-Attraktivität. Vor allem Diversity: »Wir brauchen meiner Meinung Inklusion und Teilhabe mehr denn je. Wir brauchen Zuwanderung, Offenheit und Programme, die all das unterstützen. Vor allem mit Blick auf die neuen Generationen an Ingenieuren.« Deren Loyalität nehme ab – spannende Projekte und verschiedene Aufstiegsmöglichkeiten abseits der herkömmlichen Kaminkarrieren empfiehlt daher die Expertin: »Unternehmen müssen sich dem stellen.«

Denn »viel besser wird es nicht«, bekräftigte das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zuletzt im August 2022 und meint den Arbeitskräftemangel, der bis 2030 unabänderbar sei. Experte Holger Schäfer vom IW sieht Deutschlands Arbeitsmarkt nach über 15 guten Jahren an einem Höhepunkt angekommen; ein Rückgang der Erwerbspersonen bis 2030 sei aller Voraussicht nach nicht mehr zu verhindern. Man könne nur noch versuchen, punktuell abzumildern. Für die großen Stellschrauben – Zuwanderung, späterer Renteneintritt, höhere Erwerbsquote von Frauen – sieht das IW für die nächsten Jahre zumindest keinen Effekt. 

 

Podiumsdiskussion

Am ersten Messetag diskutiert Markt&Technik mit Unternehmensvertretern, Personalberatern und Arbeitsmarktexperten die Frage: »Wie robust ist der (Ingenieur-)Arbeitsmarkt in der Elektronik?« Beginn ist 15:30 Uhr.

Arbeitsmarkt-Podiumsdiskussion Dienstag, 15:30 Uhr, Halle A1, PCB & Components Marketplace

 


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