Der Rechenzentrumsbetreiber Telehouse liefert seine Abwärme direkt an das gegenüberliegende Wohnquartiert »Franky«. CEO Béla Waldhauser hat für seine RZ-Pläne bereits frühzeitig an Stromversorgung und Abwärmenutzung gedacht.
Es ist ein Leuchtturmprojekt des nachhaltigen Rechenzentrumsbetriebs: Der Frankfurter RZ-Betreiber Telehouse stellt dem Wohnquartier »Franky«, das nebenan entsteht, RZ-Abwärme als Nahwärme bereit. Möglich ist dies unter anderem, weil das Geschäft von Telehouse brummt. So wurde das letzte Finanzjahr, das am 31. März endete, mit Rekordergebnis abgeschlossen. Im letzten November hat Telehouse zudem ein neues Rechenzentrum eröffnet, dass bereits ein Jahr im Voraus – also im November 2022 – voll vermietet gewesen ist. Telehouse-CEO Béla Waldhauser bestätigt: »Die Nachfrage ist ungebrochen.«
Nicht verwunderlich, dass der Colocation-Anbieter seine Kapazitäten aufstocken will. So sei bereits ein neues Datacenter in Planung, das vor dem 1. Juli 2026 fertig sein soll. Am Standort gäbe es noch Platz für zwei Rechenzentren: eines mit 3,5 bis 5 MW und ein größeres.
Andere Frankfurter RZ-Betreiber können ihre Wachstumspläne oft gar nicht wie gewünscht umsetzen, da der örtliche Stromversorger Mainova gar nicht mehr weiß, wo er die Energie für die Stromfresser hernehmen soll. Waldhauser ist die Hürde frühzeitig umgangen, indem er vor zwölf Jahren der NRM Netzdienste Rhein-Main, dem regionalen Netzbetreiber, ein 1.100 m² großes Grundstück geschenkt hatte. Dort baute NRM eine 110-kV-Umspannstation.
Diese versorgt zwar Telehouse nicht exklusiv, aber er habe, so Waldhauser, einen Vertrag mit der NRM, der ihm »mehr als genug Strom« garantiere. »Dadurch bin ich der einzige RZ-Betreiber in Frankfurt, der keine Stromsorgen hat«, sagt er.
Gegenüber dem Telehouse-RZ entsteht neues Wohnviertel, das vormals »Westville« hieß, nun aber unter dem Namen »Franky« läuft. Das neue Quartier wird in 1.330 Wohneinheiten Platz für rund 3.000 Menschen bieten. Neben Wohnblöcken mit Innenhöfen umfasst es Kitas, Ladenlokale und Gastronomie. Ende April feierte man das Richtfest für die ersten 328 Wohnungen. Den Wärmebedarf schätzt der Versorger Mainova auf rund 4.000 MWh pro Jahr. Frankys Nahwärmelieferant: Telehouse.
Denn den gleichen Weitblick wie bei der Stromversorgung bewies Waldhauser auch bei der RZ-Abwärmenutzung. Die Telehouse-Räume befinden sich im ehemaligen Werk 1 von Telenorma, dem einst zweitgrößten Telefonhersteller Deutschlands nach Siemens. Auf der anderen Straßenseite, wo Baufirmen an Franky werkeln, lag das Telenorma-Werk 2. Auf dem Gelände gab es ein Heizhaus, das Telehouse gerade zu einer Stromversorgungsstation umbaut. Das Heizhaus versorgte damals beide Straßenseiten. Die alten Nahwärmerohre, die über die Straße gehen, existieren noch heute, liegen aber seit Jahren brach.
»Diese Nahwärmeleitung«, sagte Waldhauser, »habe ich damals Ralf Werner, dem Geschäftsführer des Franky-Bauträgers Instone, gezeigt, ihm die Telenorma-Historie geschildert und gesagt: Was früher mit dem Heizhaus funktioniert hat, funktioniert heute mit der Abwärme unseres Rechenzentrums. Das ist nachhaltige, grüne Wärme.« Wenig später habe er Norbert Breitenbach, dem damals zuständigen Vorstand der Mainova, davon erzählt und offene Türen eingerannt.
Die Nutzung der Nahwärmerohre erhält Mainova von Telehouse kostenlos, die Abwärme ebenso. Waldhauser erläutert die Technik dahinter: »Die Mainova installiert die Wärmetauscher bei uns und die Heizzentrale mit der Großwärmepumpe im Wohnquartier Franky. Dadurch bringt sie die Wärme, die sie bei mir mit 30°C abnehmen, auf 60 bis 70°C.«
Denn das Wohnquartier Franky habe zwar eine Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung, dafür wären 30°C mehr als genug. Die Abwärme diene aber auch dazu, Warmwasser aufzubereiten, daher der Bedarf an einer Heizzentrale. »Der COP-Wert (Verhältnis aufzuwendender Energie zu erzeugter Wärme, Anm. d. Red.) der Großwärmepumpe liegt bei vier«, erklärt Waldhauser, »das ist ziemlich gut.«
Dennoch ist nicht alles Friede, Freude, Wärmepumpe. Das Problem: Die Heizperiode beträgt in Deutschland nur ungefähr sechs Monate. »Mainova spricht für Franky von einer maximalen Last im Winter von 3 bis 3,2 MW, im Sommer von einer minimalen Last von 150 bis 160 kW«, erläutert der Telehouse-Chef. »Damit liegt ziemlich genau ein Faktor 20 zwischen Minimum und Maximum.«
Diese Spanne ist das Grundproblem hiesiger RZ-Abwärmekonzepte, produzieren doch Rechenzentren ihre Abwärme jahrein, jahraus sehr gleichmäßig. »Wenn wir mit indirekter freier Kühlung arbeiten, entsteht nicht einmal ein großer Spareffekt für uns, da wir ja die Außentemperatur als Kühlung nutzen«, sagt Waldhauser. Es sei gut für die Umwelt, die Abwärme zu verwerten, aber der RZ-Betrieb werde dadurch nicht wirklich effizienter.
»Was wir bräuchten, wären sehr große Energiespeichersysteme«, betont der Telehouse-CEO. Dazu habe der eco Verband der Internetwirtschaft bereits eine Veranstaltung an der Uni Bayreuth abgehalten, die einen großen Eisspeicher betreibt. Jedoch: »Beim Eisspeicher der Uni Bayreuth reden wir von 100 kW Kälte beziehungsweise Wärme«, so Waldhauser. »Ich habe hier aber 15 MW Abwärme.« Es gebe leider zu wenige Techniken, die es erlauben, solche Energiemengen zu speichern.
Mit dem neuen Energieeffizienzgesetz will der Bund Projekte wie das von Telehouse fördern. Doch Béla Waldhauser ist kritisch: »Das Energieeffizienzgesetz verpflichtet Rechenzentren, Abwärme abzugeben, aber die Wärmenetzbetreiber und Immobilienbesitzer nicht, sie abzunehmen. Der ERF (Energy Reuse Factor, Anm. d. Red.), den der Gesetzgeber von uns fordert, ist absoluter Humbug. Franky bedeutet für uns einen ERF von zwei Prozent, gefordert sind im Gesetz aber bis zu zwanzig Prozent.« Telehouse müsste also nicht 3.000, sondern 30.000 Menschen versorgen, um die Vorgabe zu erfüllen.
»Deutschland wendet für die Produktion von Wärme und Kälte – inklusive der Industrie – 50 Prozent des Energieverbrauchs auf«, rechnet Waldhauser vor. »Der Endenergiebedarf der Rechenzentren in Deutschland liegt bei circa 0,6 Prozent. Selbst wenn man die Abwärme der Rechenzentren zu 100 Prozent nutzen würde, wäre also das Problem noch lange nicht gelöst.«
Keine Branche allein hält die nötige Energiewende in der Hand. Angesichts der eskalierenden Klimaproblematik muss der Gesetzgeber versuchen, RZ-Betreiber und Wärmenetzbetreiber zusammenzubringen. Zumindest mit Blick auf RZ-Neubauten scheint diese Kooperation richtig und wichtig – sofern sich eine Schnittmenge zwischen RZ-Abwärme und Wärmenetz finden oder aber schaffen lässt.
Nicht umsonst treibt der Telehouse-CEO längst ähnliche Vorhaben voran: So laufen Gespräche, um auch die historische Friedrich-Ebert-Siedlung, direkt neben Franky gelegen, mit Abwärme zu beliefern. Zudem diskutiert er mit Mainova die Anbindung seines Campus an das Fernwärmenetz. Dann könnte Telehouse die Abwärme im Winter komplett abgeben.
»Mittlerweile betreibt NTT in Berlin ein Projekt, das größer ist als Franky (gemeint ist das NTT-RZ Berlin 2, Anm. d. Red.), aber unser Projekt war das erste dieser Größenordnung in Deutschland«, sagt Waldhauser. Die Verträge zwischen Mainova und Telehouse seien im März 2021 unterschrieben worden, damals habe sich noch niemand viele Gedanken über Abwärmenutzung gemacht. »Ich freue mich, dass es heute Projekte gibt, die größer sind als unseres, denn mit einem Projekt allein kommen wir nicht weit. Wenn wir etwas bewegen wollen, braucht es viele solcher Projekte.«
Dr. Wilhelm Greiner ist freiberuflicher IT-Fachjournalist.