Kommentar

Wochen der Entscheidung

11. Juni 2012, 10:44 Uhr | Engelbert Hopf
Engelbert Hopf, Chefreporter Markt&Technik
© elektroniknet.de

Die Spannung steigt. In den nächsten Wochen entscheidet sich, ob das Jahr 2012 ein »normales«, oder vielleicht sogar ein sehr gutes Jahr für die Elektronikbranche wird. Noch will sich niemand festlegen, und so hat bislang nur der eine oder andere Distributor darauf hingewiesen, dass sich die Liefersituation im Herbst deutlich verschlechtern könnte. Eine Warnung, der naturgemäß ein gewisses Eigeninteresse innewohnt - genau darum nimmt sie bislang niemand wirklich ernst.

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Zwar sollte man annehmen, dass die Lager auf der Kundenseite nach dem bisherigen Konjunkturverlauf dieses Jahres nun doch wieder abgeschmolzen sein müssten, doch die Auftragssituation der Hersteller und Distributoren spiegelt das bisher nicht wider. Doch offenbar zieren sich die Einkäufer der herstellenden Industrie noch. Der weitere Verlauf des Jahres sei noch nicht absehbar. Nach einem phantastischen 2010 und einem immer noch hervorragenden 2011 liegt der Auftragshorizont nun wieder bei den berühmten zwei, maximal drei Monaten!

Zugegeben, das vierte Quartal des letzten Jahres hatte niemand auf dem Radar. Griechenland- und Eurokrise hin oder her, völlig ignorieren kann auch die Realwirtschaft die Kapriolen um Hellas nicht. Jüngstes Beispiel dafür ist der letzte Einbruch des Ifo-Index. Jede neue Volte des griechischen Trauerspiels verunsichert die Finanzmärkte und hat damit letztlich Auswirkungen auf geplante Investitionen.

Angesichts dieser anhaltenden Unsicherheit kann man es den Herstellern eigentlich kaum verdenken, dass sie sich bedeckt halten. Umso gespannter wartet man bei den Distributoren und Vertriebsabteilungen der Hersteller darauf, wie der Auftragseingang in den nächsten Wochen ausfallen wird. Denn bestellt werden muss in den nächsten Wochen, daran führt kein Weg vorbei. 

Nur wie wird bestellt werden? Auf dem Niveau des Vorjahres? Auf dem Niveau eines »normalen« Jahres, wobei noch zu klären wäre, was nach den Ereignissen der Jahre 2008/09 in der Elektronikbranche noch als »normal« zu gelten hat. Oder wird es wirklich nur darum gehen, die Lager wieder aufzufüllen? Selbst Distributionsexperten mit jahrzehntelanger Berufserfahrung können sich nicht an eine vergleichbare Situation erinnern.

Ob die Supply-Chain in diesem Herbst reibungslos funktioniert, wird mit davon abhängen, wie gut gefüllt die Lager der Distributoren sind. Solle es besser kommen als bisher erwartet, dann wird das die altbekannten Folgen haben, von sich verlängernden Lieferzeiten bis letztlich zum Premium Fee. Sobald also in den nächsten Wochen klar wird, welches Volumen die Aufträge für die zweite Jahreshälfte haben werden, klärt sich auch die Fragen, welche Bedeutung der diesjährigen electronica zukommt.

Fallen die Aufträge »normal« aus, werden die CEOs und Presidents wohl schon wieder nach zwei Tagen den Heimflug antreten. Fällt der Auftragseingang stärker aus als erwartet, werden die Chefs wohl wie 2010 länger bleiben müssen, um in eng getakteten Meetings auf oberster Ebene zu klären, wer, wann, wie viel der heiß begehrten Komponenten und Subsysteme bekommen soll. Die Vorentscheidung darüber, wann die Rückflüge für die Chefs gebucht werden, fällt in den nächsten Wochen.


Ihr Engelbert Hopf


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