Auch wenn sich an Ostern noch mal ein weißer Mantel über den Süden der Republik gelegt hat, der Frühling ist nicht mehr aufzuhalten. Ähnlich sieht es mit den Konjunkturaussichten der deutschen Elektronikindustrie aus.
Sie erwiesen sich auch in den ersten drei Monaten dieses Jahres als äußerst stabil. Blickten die deutschen Elektro- und Elektronikunternehmen zu Beginn des Jahres noch etwas verhalten in die Zukunft, scheint sich inzwischen Zuversicht breit zu machen.
Bereits im Januar war die Branche mit 11,9 Mrd. Euro, dem zweithöchsten, jemals im Januar erzielten Exportwert in das neue Jahr gestartet. Im Februar blieben dann zwar die Auftragseingänge der Branche geringfügig unter dem Vorjahresniveau, dafür legten aber die Inlandsumsätze zum zweiten Mal in Folge stärker zu, als die Auslandserlöse. Kein Wunder, dass sich die Erwartungen der Branche weiter aufhellen, und sich damit immer mehr den Einschätzungen des Ifo-Geschäftsklimaindex annähern.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex war im März zum fünften Mal in Folge gestiegen, das Bild, das die deutsche Konjunktur wieder Fuß fasst, hat sich damit weiter verfestigt. Eine positive Grundstimmung, die sich laut ZVEI-Chefvolkswirt Dr. Andreas Gontermann auch in der Elektro- und Elektronikbranche immer weiter ausbreitet. So hat sich die Zahl der Unternehmen, die für 2012 weiter steigende Geschäfte erwarten, diejenigen mit rückläufigen Erwartungen inzwischen um das Doppelte übertroffen.
Die trotz der noch immer nicht endgültig geklärten europäischen Schuldenkrise guten deutschen Konjunkturdaten, schlagen sich inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. So stellten allein die 30-Dax-Firmen im Vorjahr rund 16.000 Menschen ein. Für 2012 melden sie weitere 12.000 offene Stellen. Die Zahl der offenen Ingenieurstellen erreichte im Februar nach Angaben des VDI-/IW mit 105.700 ein neues Rekordniveau.
Vor dem Hintergrund dieser konjunkturellen Basisdaten, richten sich offenbar immer mehr Unternehmen auf einen »normalen« Jahresverlauf 2012 ein. Bleibt nur die Frage zu beantworten, was nach den Verwerfungen der letzten Jahre als normal zu bezeichnen ist. Ein gemeinsamer Nenner scheinen dabei einstellige Wachstumserwartungen für 2012 zu sein. Vielleicht gilt diese Zurückhaltung aber auch nur für die ersten drei Quartale dieses Jahres, da manch einer spätestens für das 4. Quartal mit der Rückkehr einer anderen Normalität rechnet: Mit steigenden Lieferzeiten und partieller Allokation.
Warum? Weil ganz offensichtlich wieder die nur allzu vertrauten Marktmechanismen zu wirken beginnen. So nutzt der Einkauf, angesichts normalisierter Lieferzeiten, offenbar breitflächig die Gunst der Stunde, um bei Preisverhandlungen wieder etwas selbstbewusster aufzutreten. Manch einer hat sich dabei wohl zum Ziel gesetzt, die Mehrkosten, die ihm zu Zeiten knapper Ware 2010/11 entstanden sind, nun wieder herein zu holen. So lange die Verfügbarkeit hoch ist, und der ein, oder andere Zwischenhändler oder Distributor aus Gründen des Kostenmanagements sein Lager reduzieren muss, dürfte das auch klappen.
Das Spiel dürfte aber nur von beschränkter Dauer sein. Angesichts guter Auftragslage und Konjunkturaussichten, dürften auch die bestgefüllten Lager kontinuierlich abschmelzen. Auch dürften die Distributoren angesichts steigender Transport- und Logistikkosten kaum längere Zeit Spaß an diesen Best-Price-Spielen finden. Ungeachtet des natürlichen Eigeninteresses an lukrativen Handelsmargen und einer kontrollierbaren Auftragsannahme und Lieferabwicklung, dürfte es interessant sein, zu beobachten, wann das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt.
So lanciert die Distributionsbranche schon mal wieder Lieferzeiten für spezielle Produkte, die sich im Extremfall der Zwei-Jahres-Grenze nähern. Spinnerei? Wohl eher ein Schuss vor den Bug, kombiniert mit dem Hinweis, dass die Fertigungsauslastung bei den meisten Herstellern aktiver und passiver Bauelemente, sowie elektromechanischer Komponenten, nach oben zeigt.
Kommt nichts Außergewöhnliches dazwischen, dann könnte das Jahr 2012 mit einer anderen Normalität enden, als es begonnen hat: Verlängerte Lieferzeiten, mangelnde Verfügbarkeit, Lieferanten-Priorisierung und Premium-Fees. Erschienen zu Jahresbeginn noch weiße Ostern als äußerst unwahrscheinlich, könnte so der ruhige Jahresbeginn 2012 in einem ziemlich hektischen Herbst enden. Gut, dass sich die Branche dann sowieso zur electronica in München trifft, da können aktuelle Lieferprobleme dann wieder in knapp aufeinander folgenden Krisenmeetings auf höchster Ebene besprochen werden.
Ihr Engelbert Hopf