Interview mit Renesas' Electronics Amerika-Chef und Synergy-Erfinder Ali Sebt

Wie es bei Renesas zur Kulturrevolution kam

12. Oktober 2015, 2:03 Uhr | Frank Riemenschneider
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"Ich mag das Wort 'Dinge' beim IoT nicht"

DESIGN & ELEKTRONIK: In Japan haben Sie im Automotive-Bereich soweit ich weiß einen Marktanteil von 95 %, da ist es schwierig weiter zu wachsen, zumal die japanische Automobilindustrie ja auch nicht gerade mit exorbitanten Wachstumsraten glänzt. Also müssen Sie folgerichtig außerhalb von Japan wachsen. Welche Märkte haben Sie denn außerhalb von Japan identifiziert?

Sebt: Automotive wird immer in unserem Fokus stehen. Und dann das IoT, auch wenn ich das Wort Dinge nicht mag. Als Handys vernetzt wurden, nannten wir sie Smartphones. Wenn Maschinen vernetzt werden, nennen wir sie Dinge. Ich nenne sie lieber smarte Maschinen. Für diese Märkte haben wir Synergy von Grund auf neu entwickelt. Was ist der Mehrwert des IoT? Doch nicht die Datenerfassung und die Übertragung der Daten, sondern die Intelligenz dahinter, die können Sie monetarisieren.

DESIGN & ELEKTRONIK: Und wie zum Beispiel? Nehmen wir mal eine einfache Pumpe als Beispiel…

Sebt: Wir haben eine Pumpe in einer Fabrik, die arbeitet. Wir wissen basierend auf den Daten auch, wie sie arbeitet. Wir wissen auch, wenn die Pumpe überstrapaziert wird, fällt sie aus und der Ausfallgrund ist die Information, die wir erhalten. Die Intelligenz liegt jetzt darin, einen Ausfall vorherzusagen und die Fabrik derartig zu steuern, dass sie eben nicht ausfällt. Damit verdienen Sie Geld. Die Herausforderung ist, dass wir Maschinen mit fester Funktionalität haben, z.B. einen Mikrocontroller und bestimmten Speicher, was es schwierig macht, von einer Stufe auf die nächste zu springen. Sie müssen daher die Daten in die Cloud bringen, wo Sie quasi unbegrenzte Rechenleistung haben, um die gewünschte Intelligenz bereitzustellen. Auf Deutsch gesagt: Dank Konnektivität erreichen Sie die nächste Stufe, um die Daten zu monetarisieren. Renesas will genau das ermöglichen im Industrieumfeld oder auch in der Medizinelektronik.

DESIGN & ELEKTRONIK: Daraus darf ich also schließen, dass die Synergy-MCUs reichlich mit Konnektivität ausgestattet sind?

Sebt: Ethernet, I2C, I2S, CAN alles was Sie brauchen, bezüglich HF haben wir lokale Partner. Wenn Kunden eine HF-basierende Lösung haben wollen wie WiFi, Bluetooth u.s.w. bevorzugen Sie lokale Firmen, z.B. in Japan einen japanischen HF-Modul-Hersteller, in den USA einen amerikanischen Hersteller und so weiter. Die Kunden können mit Synergy somit ihre eigenen Vorlieben auswählen.

DESIGN & ELEKTRONIK: Sie haben also bei den Synergy-MCUs keine Wireless-Konnektivität auf dem Chip? Keine Ein-Chip-Lösung?

Sebt: Nein.

DESIGN & ELEKTRONIK: Nachdem Sie jetzt soviel Geld in Synergy investiert haben, muss ich Sie fragen: Wann wollen Sie mit der Plattform Geld verdienen?

Sebt: Wenn Sie eine neue Familie einführen, brauchen Sie 3 bis 5 Jahre. Wir haben RX 2010 eingeführt und jetzt im Jahr 2015 erleben wir eine massive Akzeptanz in der Embedded-Community. Gleiches ist bei unseren Wettbewerbern zu sehen. Die Embedded-Kunden wechseln nicht sehr oft ihre Plattformen, aber das IoT gibt uns eine Opportunity, schneller als gewohnt neue Produkte einzudesignen. Mit Synergy haben wir die begründete Hoffnung, einen hohen Anteil der Kunden zu gewinnen, die einen Wechsel einer alten zu einer neuen IoT-konformen Plattform vollziehen.

DESIGN & ELEKTRONIK: Ich frage mich gerade, warum Renesas bei der Bandbreite von Synergy langfristig mit RX weitermachen soll. Das macht doch technisch eigentlich keinen Sinn und kostet viel Geld. ARM hat eine tolle Roadmap, wozu brauchen Sie strategisch gesehen noch RX?

Sebt: Es geht um die Positionierung. Synergy wird als Plattform verkauft und RX als Chip. Der Kunde, der nur einen Chip will ohne RTOS, ohne Kommunikations-Stack, der bekommt den Chip mit RX geliefert. Der hat natürlich auch einen anderen Preis als sein Synergy-Pedant mit der ganzen Software-Plattform drumherum.

DESIGN & ELEKTRONIK: Ihre Entwicklerkonferenz DevCon wird jetzt auch in Japan stattfinden, nachdem sie jetzt 4x in den USA stattfand und von Ihrem Team konzipiert wurde. Worin liegen die Unterschiede? Muss ich jetzt pro Jahr einmal nach Japan und einmal nach Kalifornien fliegen, um alle Informationen zu bekommen?

Sebt (lacht): Nein müssen Sie nicht. Der Content wird zu 100 % in den USA gestaltet, alle Präsentationen und Sessions werden hier gemacht. Und dann sozusagen nach Japan exportiert, der Content ist fast der Gleiche, Sie müssen nur einmal reisen, keine Angst. Übrigens: Nach 900 Teilnehmern 2013 erwarten wir dieses Jahr 1.400 Teilnehmer. Und unsere erste Konferenz in Japan war ein riesiger Erfolg.

DESIGN & ELEKTRONIK: Die Europäer müssen also weiter auf jeden Fall 11 Stunden im Flieger sitzen, um am Ball zu bleiben, oder gibt es da auch Pläne? Immerhin wollen Sie doch in Europa wachsen, ich sage nur Automobilindustrie!

Sebt: Sie werden lachen, es wird eine sogenannte „DevCon Extension“ geben, eine Eintagesveranstaltung, die wir neben Europa auch in Kanada und an der US-Ostküste durchführen werden, wo unsere Kunden den Content auswählen und sie nur das bekommen, was sie interessiert. Eine 4tägige Konferenz ist in Europa schwierig umzusetzen, weil Sie unterschiedliche Kulturen und Sprachen haben.

DESIGN&ELEKTRONIK: Herr Sebt, vielen Dank!


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