Dr. Necip Sayiner, Chef von Renesas USA

»Plattform-Anbieter zerstören alte Ökosysteme und schaffen Neue«

2. Dezember 2017, 9:44 Uhr | Frank Riemenschneider
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»Open Source bringt Qualitätsrisiken mit sich«

Necip Renesas
Bis zur formellen Umbennenung am 1.1.2018 firmiert man in den USA immer noch unter dem Namen Intersil.
© DESIGN&ELEKTRONIK

Ich verstehe aber immer noch nicht, warum die Qualität bei Ihrer Konkurrenz so schlecht sein soll….

Wie schon gesagt: Sie unterstützen zu viele Kombinationen von Tool-Chains, RTOS, Stacks und Middleware von unterschiedlichen Quellen bzw. Herstellern mit auch noch nicht-kompatiblen MCUs. Damit ist es nicht möglich, Integration, Test und Wartung mit hoher Qualität durchzuführen. Desweiteren integrieren Sie oft auch noch Open-Source-Pakete in ihre Software-Pakete. Dies bringt Qualitätsrisiken, potentielle IP-Verletzung und unklaren Support mit sich. Synergy hat gar keine Open-Source-Komponenten.

Unabhängig davon zahlen Sie ja für Synergy-MCUs höhere Preise, weil Ihre Software-Pakete über das Silizium querfinanziert werden. Was soll Kunden, die ihre eigenen Software-Pakete weiterverwenden wollen, motivieren, mehr für Ihre MCUs zu bezahlen als bei der Konkurrenz? Verhindert Ihr Geschäftsmodell da nicht neue Märkte zu erschließen?

Genau das Gegenteil ist der Fall. Wie bei vielen verbreiteten Plattformen wie z.B. iOS, Android oder Linux ist die Tool-Chain Teil der Gesamtlösung. Durch Synergy werden die Einstiegshürden gesenkt und gleichzeitig Zeit gespart. Ich will es Ihnen gerne im Detail erläutern. Unsere Konkurrenz verlangt von den Kunden, die Software-Komponenten und Tools Stück für Stück zu lizensieren. Die Kosten richten sich entweder nach Anzahl der Entwicklerarbeitsplätze, der entwickelten Endprodukte oder auf Royalty-Basis nach der Anzahl der verkauften Endprodukte. Solche Lizenzen können pro Komponente zehntausende Euros betragen, dazu kommen hohe jährliche Wartungsgebühren, die wenn sie nur hoch genug sind, Kunden sogar von einer Entwicklung abhalten können. Im Fall der Royalty-Zahlungen können Sie kaum kalkulieren, welche Kosten am Ende für Sie herauskommen. Dazu kostest es Zeit, die ganzen Lizenzvereinbarungen mit den Rechtsabteilungen und Einkäufern auszuhandeln. Diese Zeit können Sie doch sinnvoller mit der Entwicklung toller Anwendungen verbringen!

» Bei Synergie gibt es keine Zusatzgebühren und Royalties «

Könnten Sie nochmals ganz konkret das Synergy-Geschäftsmodell erläutern?

Es gibt keine Minimum-Abnahmemenge, jede einzelne MCU räumt Ihnen das Recht ein, das Synergy-Software-Package für eine unlimitierte Anzahl von Endprodukten und eine unlimitierte Anzahl von Entwicklern einzusetzen, inkludiert ist die Wartung für Tools und Software für die gesamte Lebenszeit der MCU. Es gibt keine Zusätzgebühren und keine Royalties.

Ein Softwarehersteller hat mir erzählt, „Synergy zerstöre das Ökosystem“. Was sagen Sie denn dazu?

Plattform-Anbieter zerstören alte Ökosysteme und schaffen Neue. Diese Evolution haben wir beim PC gesehen, bei den Smartphones und bei den Netzwerk-Equipment-Märkten. Bei Synergy können Entwickler ja auch auf Software und Hardware-Komponenten von Drittanbietern zurückgreifen, die allerdings von uns in Bezug auf Kompatibilität mit der Synergy-Plattform geprüft und verifiziert worden sind. Über die Synergy-Gallery-Website können Sie sich das Angebot unserer Partner ansehen. Sie finden z.B. Treiber für zahlreiche HF-Module von Drittanbietern von WiFi über BLE und LTE bis zu Sensoren und Display-Panel, die für das Zusammenspiel mit Designs auf Synergy-Basis vorgetestet wurden.
Über unser Verified-Software-Add-On (VSA)-Programm haben unsere Partner zahlreiche Komponenten entwickelt, die von uns als SSP-kompatibel verifiziert wurden und daher sofort von unseren Kunden eingesetzt werden können. Abgedeckt werden z.B. drahtgebundene und drahtlose Netzwerke, Kommunikationsprotokolle, Cloud-Services, spezielle Steuerungs-Algorithmen, Security und funktionale Sicherheit.

Was werden denn die nächsten Schritte bei Synergy sein? Welche Hardware und Software kommt als nächstes? Könnten Sie die Roadmap beschreiben?

Auf Siliziumebene werden wir die Hardware-unterstützte Sicherheit weiterentwickeln, um die Anwendungen unserer gegen die Bedrohungen aus dem IoT in einer Weise zu schützen, welche auch für Nicht-Sicherheitsexperten einfach anzuwenden ist und zu keinen Preisexplosionen führt. Dazu werden wir einen WPAN HF-MAC/PHY direkt auf dem Chip integrieren. Auf der Software-Seite sind im SSP Funktionalitäten für ein sicheres Produkt-Lebenszyklusmanagement, erweiterte Implementierung von IoT-Verbindungsprotokollen und ein extrem granulares Power-Management für längere Batterielaufzeiten zu nennen. Die Tools werden weiterentwickeln, um die Abstraktion von Wireless-Konnektivität, Cloud-Services, Security und Power-Management zu erhöhen.

Schon vor dem Kauf von Intersil hatte Renesas eigene Leistungshalbleiter und Stromversorgungs-ICs im Programm. Wo liegen die Vorteile der Akquisition?

Zuerst einmal haben wir die Akquisition als Katalysator genutzt, um Renesas zu einer wirklich globalen Firma zu machen, d.h. mit zahlreichen globalen Geschäftseinheiten, die weltweit die Verantwortung für bestimmte Produkte haben. Das ist bei unseren Wettbewerbern schon lange üblich, aber für Renesas neu. Abgesehen davon hatte Renesas neben diskreten Halbleitern wie IGBTS und MOSFETs auch schon bisher ICs, die aber für bestimmte vertikale Märkte entwickelt wurden. Beispiele sind Bildstabilisatoren oder Motorsteuerungen für Festplattenlaufwerke. Was fehlte, war ein breitbandiges Angebot an Stromversorgungs-Chips, auf das Intersil spezialisiert war. Durch den Zukauf bekam Renesas somit Zugriff darauf und noch wichtiger auf die Technologie, die allen Stromversorgungs-ICs zu Grunde liegt. Sie können nämlich MCUs und Stromversorgung monolithisch auf einem IC integrieren, was erhebliche Vorteile bei der Leistungsaufnahme, Signalqualität, Footprint u.s.w. bringt.


  1. »Plattform-Anbieter zerstören alte Ökosysteme und schaffen Neue«
  2. »Open Source bringt Qualitätsrisiken mit sich«
  3. »Wir werden Analog-Blöcke und MCU auch in 40 nm integrieren«

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