Indie Semiconductor bietet auch Standardprodukte. Aus McClymonts Sicht ist das ein logisch folgerichtiger Schritt. Denn neben den kundenspezifischen Lösungen würde das Unternehmen ab und zu auch spezielle Nischen entdecken, die es mit den eigenen IP-Blöcken gut abdecken kann. McClymont: »Das sind dann wirkliche Nischen mit vier/fünf Kunden, aber mit unseren Standardprodukten decken wir dann dort auch einen Marktanteil von 80 Prozent ab.«
Laut McClymont wird der Großteil des Umsatzes wirklich mit Customized MCUs erzielt, und damit mit der Automotive-Industrie. Auch das klingt zunächst verwunderlich, denn die Zeiten, in denen der Automotive-Markt immer auf eigene ASICs gesetzt hat, sind längst vorbei. Heute sollen möglichst viele Standardprodukte eingesetzt werden, weil das kostengünstiger ist. Hollingworth kann aber einfach erklären, warum Indie speziell in diesem Markt besonders erfolgreich ist: Gerade hier ist es von Vorteil, für die zwei Chips unterschiedliche Prozesstechnologien zu nutzen, denn einerseits braucht die Automobilindustrie viel Speicher, andererseits geht es aber auch um Hochvolt. Hollingworth: »In diesem Markt stellt sich immer die Frage, welche Prozesstechnologie am günstigsten ist. Orientiert man sich am Speicher, sind keine Hochvolt-Eigenschaften möglich. Orientiert man sich an HV, dann lassen sich nur relativ kleine Speicher realisieren. Damit ist klar, dass unser Ansatz besonders gut auf die Anforderungen im Automotive-Markt passt: MCU und Speicher in der einen Prozesstechnologie, Peripherie in einer anderen Technologie.« Und hier erwartet McClymont, dass der Bedarf noch zunimmt. Nicht nur, weil immer mehr Elektronik ins Fahrzeug wandert, sondern weil auch immer höhere Spannungen erforderlich werden. Und weiter: »Die Zweiteilung bei den Prozessen macht sich bereits bei den I/Os bezahlt, denn dank unterschiedlicher Prozesse ist es überhaupt kein Problem, 12-V-I/Os zu realisieren, die dann auch noch einen Load-Dump von 45 V überstehen und 100 mA liefern. «
Die von Indie Semiconductor genutzten Technologien erlauben zwar Controller mit sehr großem Flash, aber auf diese Anwendungen zielt Indie noch nicht. Vielmehr geht es dem Unternehmen um die zig Mikrocontroller für Peripheriefunktionen. Ein Beispiel: Indie hat für einen Kunden einen Mikrocontroller entwickelt, der eine Automotive-Komfortfunktion realisiert. Diskret wäre das nicht gegangen, denn jede Instanz hätte einen eigenen Treiber-Chip, eine MCU, einen Interface-Chip und einen 12-V-Regler gebraucht. Hollingworth: »Dieser Ansatz wäre viel zu teuer gewesen, wir haben alle diese Funktionen in einem 8-Pin-Chip implementiert.« Ein ähnliches Beispiel aus der Medizintechnik: In diesem Fall hat Indie Semiconductor alle Funktionen, die ursprünglich diskret auf einer Leiterplatte für ein Glukosemessgerät saßen, in einen kundenspezifischen Mikrocontroller gegossen. Hollingworth: »Diese Art der Integration ist unsere Stärke.«
Schaut man sich die IP-Blöcke an, aus denen Indie seine Peripheral-Chips strickt, sind alle gängigen IPs zu finden. Das fängt bei A/D- und D/A-Wandlern mit unterschiedlicher Auflösung und Architektur an, geht über Sensor-Schnittstellen und Power-Management-Funktionen (Buck- und Boost-Wandler, HV-Treiber, Linearregler, Li-Ionen-Batterie-Lade-IPs etc.) bis hin zu Display-Treibern und Kommunikations-IP wie Receiver, Transmitter und Transceiver für die drahtlose und bedrahtete Kommunikation. Hinzu kommen natürlich noch Standardfunktionen wie Komparatoren, Operationsverstärker, Referenzspannung, digitale Zellbibliotheken, I/O-Bibliotheken (verschiedene Spannungen) und Taktgeber. Hollingworth: »Nachdem der Automotive-Markt unser Hauptabsatzmarkt ist, sind natürlich auch IPs für CAN-FD, LIN, LVDS etc. vorhanden.«
Die Zielsetzung ist anders
Indie Semiconductor nutzt nicht nur einen anderen Ansatz als bisherige Halbleiterhersteller, um eine kundenspezifische Lösung zu realisieren, das Unternehmen stellt auch ganz andere Ziele in den Vordergrund. Bei Indie geht es nicht darum, das kundenspezifische Layout mühsam und zeitaufwendig noch um einen halben mm² zu verkleinern, sondern es möglichst schnell zu realisieren. McClymont: »Wir optimieren die Festkosten in der Entwicklung, der Rest der Industrie optimiert die variablen Kosten der Fertigung. Das heißt, dass die Halbleiterindustrie typischerweise zwei/drei Monate spendiert, um einen halben mm² einzusparen, und bei kleinsten Strukturen lohnt sich das auch. Bei uns dagegen geht es um Geschwindigkeit und um geringere Entwicklungskosten. Dementsprechend haben wir unsere Prozesse optimiert.«