IMEC-Fellows kommentieren das moore'sche Gesetz - Teil 1: Prof. Dr. Marc Heyns

»In zehn Jahren wird CMOS so altmodisch wirken wie die Vakuumröhre«

9. Oktober 2015, 11:27 Uhr | Prof. Dr. Marc Heyns
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»Heute gibt es wieder Raum und Bedarf für revolutionäre Innovationen«

Man kann das Herannahen einer neuen Technologie immer schon im Voraus spüren: durch die schnelle Abfolge wichtiger Durchbrüche in der Physik und den Materialien. Der massive Fortschritt beim Einsatz des Elektronen-Spin und diverser magnetischer Materialeigenschaften ist ein Anzeichen dafür. Die folgende Auswahl könnte dabei eine wichtige Rolle spielen: 2D-Materialien, topologische Isolatoren, Mehrschichtmaterialien mit neuartigen Interaktionen an den Grenzflächen und anderes mehr. Ganz sicher wird dabei jemand hinreichend erfinderisch sein, die neuen Materialien und physikalischen Konzepte so zu fusionieren, dass sie neue Eigenschaften und Funktionen realisieren – gleichbedeutend mit der Entstehung einer großen, neuen Industrie. Ganz ähnlich, wie die Entwicklung der Quantenmechanik und der Halbleiterphysik den CMOS-Transistor und die heutige Elektronikindustrie ermöglicht haben.

Wie immer bestimmen natürlich die wirtschaftlichen vor den technologischen Erwägungen das Tempo dieser neuen Entwicklungen. Bereits heute erscheinen die Kosten der Entwicklung und Fertigung neuer Technologie-Knoten für Halbleiter nahezu unüberwindlich hoch. Die Investitionskosten für eine revolutionäre neue Zukunftstechnologie könnten sich sogar als untragbar erweisen. Deshalb wird sich eine „Beyond CMOS“-Technologie nur innerhalb von Nischenmärkten entwickeln können, wo sie alleinstehende Funktionen bietet und damit wirtschaftlich sinnvoll ist. Dann könnte sie reifen und auf erweiterte Einsatzbereiche expandieren – und so neben der weiter bestehenden CMOS-Technik an Bedeutung gewinnen. Nach 15 Jahren wäre die neue Technologie als Mainstream akzeptiert und CMOS würde ins Museum überstellt. So etwa sehe ich die Dinge, wenn ich in meine Kristallkugel blicke. Noch etwas: Die Entwickler der neuen „Beyond CMOS“-Schaltungen und -Applikationen werden nicht nur Ingenieure sein müssen. Sondern auch so etwas wie Künstler.

Sie müssen Experten im Design, der Technologie und der Applikationen sein. Denn die Innovationen dieser Technologie entstehen nur durch die Fusion dieser drei Bereiche, und zwar von Anfang an. Es braucht einen veritablen neuen Leonardo da Vinci, um hier einen revolutionären Durchbruch zu schaffen. Ich sage oft zu meinen Studenten, dass ich sie beneide, weil sie in solch interessanten Zeiten leben. Die Herausforderungen waren zu meiner Zeit sicherlich nicht geringer. Aber der einzuschlagende Pfad lag klar erkennbar vor uns. Es war das mooresche Gesetz, das uns die Richtung wies, in der sich das Downscaling der Transistoren zu entwickeln hatte. Wenn man einen 30 Jahre alten Transistor mit einem modernen FinFET vergleicht, hat man im Wesentlichen dieselbe Schaltung vor sich. Doch heute gibt es wieder Raum und Bedarf für revolutionäre Innovationen. Blicken wir in die Zukunft, 30 Jahre voraus – und eine brandneue Welt zeichnet sich ab.

 

Prof. Dr. Marc Heyns
(Jg. 1956) studierte und promovierte an der Katholieke Universiteit Leuven. Seit 1986 ist er am IMEC in wechselnden Forschungsfeldern tätig und als Direktor des „Explore“-Programms für Grundlagenforschung in der Nanotechnologie, neuartige Materialien und Schaltungen zur Weiterentwicklung der CMOS-Technologie und neue Speicherkonzepte verantwortlich. Seit 2001 ist er Fellow am IMEC und seit 2015 Professor an der KU Leuven. Neben mehreren hundert Veröffentlichungen hält Heyns auch mehr als 30 Patente. 

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