Forderung von IMEC-Chef Luc Van den hove

»Ein 450-mm-Cluster für Europa!«

14. Juni 2012, 17:32 Uhr | Heinz Arnold
Luc Van den hove, IMEC: »Die Fertigung an vorderster Front der Technik wird auf 450-mm-Wafern stattfinden. Also sollte die europäische Halbleiterindustrie die dafür erforderlichen Prozesse beherrschen.«
© IMEC

Wäre es sinnvoll, ein europäisches Konsortium für 450-mm-Wafer zu schaffen? Luc Van den hove, CEO von IMEC, sieht ein solches Konsortium als essenziell dafür an, die Zukunft der europäischen Halbleiterindustrie zu sichern. Das »Horizon-2020«-Projekt der EU, in das 80 Mrd. Euro fließen werden, stelle den idealen Rahmen dafür dar.

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»Die Fraunhofer Gesellschaft, das IMEC und Leti zu einem europäischen Forschungs-Cluster zu bündeln würde zum weltweit stärksten R&D-Konsortium führen«, sagt Luc Van den hove. Ein solches europäisches Konsortium könnte nach seinen Worten eigenes europäisches IP entwickeln und deshalb die europäische Halbleiterindustrie stärken. Und zwar über die gesamte Wertschöpfungskette: profitieren würden nicht nur  die IDMs. Neuen Schub erhielten auch die Lieferanten von Equipment und Materialen (E&Ms), IC-Hersteller ohne eigene Fab sowie Fablight-Unternehmen, die in Europa wachsen und deren Marktanteil ebenfalls zunimmt. »Es wäre also sehr sinnvoll, diese Industrie - allein IDMs und E&Ms beschäftigen in Europa 100.000 Mitarbeiter - über die Bildung eines Forschungs-Clusters zu unterstützen« erklärt Van de hove. »Die R&D- und Demo-Fab des Clusters wird sich in fünf bis zehn Jahren zu einem der wichtigsten Innovationstreiber entwickeln.«

Nur so könne Europa seine führende Position im Bereich der Innovationen verteidigen. Sollte der 450-mm-Cluster Wirklichkeit werden, dass könnte sich Van den hove sogar gut vorstellen, dass sich daraus eine europäische 450-mm-Foundry entwickelt. Doch hat sich die europäische Halbleiterindustrie nicht längst überwiegend auf Produkte wie MEMS, Halbleiter für Autos, auf Leistungselektronik und auf analoge Komponenten konzentriert, die auf 300-mm-Wafern gefertigt werden und für die der Übergang auf 450-mm-Wafer keine Rolle spielt? Van den hove kennt dieses Argument natürlich, er ist auch überzeugt davon, dass die Forschung für die CMOS-Prozesse auf Basis von 300-mm-Wafern weiter gefördert werden sollte. Dennoch dürften die 45-mm-Wafer in Europa keinesfalls vernachlässigt werden: »Die Fertigung an vorderster Front der Technik wird auch für solche Produkte später auf 450-mm-Wafern stattfinden. Also sollte die europäische Halbleiterindustrie die dafür erforderlichen Prozesse beherrschen.« Die wertvollsten Innovationen entstünden heute in den Grenzbereichen verschiedener Disziplinen, dort wo sich Materialien, Equipment, Systemtechnik und IC-Fertigung überlappen. Um in diesen Grenzbereichen forschen zu können, wäre aber eine durchgehende 450-mm- Infrastruktur die Voraussetzung.

Allerdings erfordert der Umstieg auf 450-mm-Wafer und weitere neue Prozesse wie beispielsweise die EUV-Lithografie so hohe Investitionen, dass ein Institut wie IMEC dies allein nicht leisten kann. Doch eröffnet sich laut Van de hove in Europa ein Rahmen, innerhalb dessen ein europäischer 450-mm-R&D-Cluster aufgebaut werden könnte: Ab 2014 startet die EU das »Horizon-2020«-Programm, in das rund 80 Mrd. Euro fließen sollen, um Key Enabling Technologies besonders zu fördern. Der 450-mm-Cluster hätte dann die Aufgabe,  eine R&D-Plattform zu entwickeln, auf deren Basis ICs mit Strukturen von 7 nm auf 450-mm-Wafern und mit Hilfe der EUV-Lithografie gefertigt werden.

Auf die Ergebnisse dieser R&D-Plattform könnten die Unternehmen quer durch die Wertschöpfungskette zugreifen und dann auf Basis der eigenen R&D-Aktivitäten ihre eigene Techniken entwickeln, um sich innerhalb ihrer jeweiligen Wettbewerbsumfelder zu differenzieren. Interessierte Firmen können im IMEC bereits erste Forschungen für die Fertigung auf 450-mm-Wafer starten. Die Fab1 des IMEC ist 450-mm-kompatibel, die Ingenieure können dort zunächst 450-mm-Maschinen  testen, beispielsweise die Lithografiegeräte von ASML. Der Zeitplan des IMEC sieht vor, das die Partner dort bis 2017 450-mm-Prozessentwicklungen durchführen können. Die 450-mm-Pilotlinie der neuen Fab2, in der R&D durch den gesamten Prozessfluss möglich ist, will das IMEC zu diesem Zeitpunkt bereits hochfahren. Die dort entwickelten Prozesstechniken sollten sich dann 2018 soweit gediehen sein, dass sie sich als Ausgangsbasis für die kommerzielle Fertigung  von Chips auf 450-mm-Wafern nutzen lassen.

Derzeit kommen zwei Drittel der Partner des IMEC aus Europa. Europa sollte laut Van den hove die 450-mm-Produktion als eine Key Enabling Technology ins Horizon-2020-Programm aufnehmen und die finanziellen Mittel bereitstellen. »So ließen sich alle europäischen Mitspieler zusammen bringen, zunächst die E&Ms, später folgen die IDMs. Auch in Asien und in den USA erhält die Halbleiterindustrie sehr starke finanzielle Unterstützung von der öffentlichen Hand. Niemand kann ernsthaft annehmen, dass Flandern und das IMEC alleine den Übergang zu 450-mm-Wafern finanzieren könnten.«


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