Interview

»Die Organische Elektronik muss raus aus der Technologieecke, wir brauchen Lösungen!«

6. August 2012, 10:47 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Organische Elektronik in der Anwendung

Wie sieht nun die konkrete Technologie-Umsetzung im Fall PolyIC aus? Sie hatten ja Teile ihrer Technologie für Diebstahlschutzlösungen, Echtheitszertifikate und smarte Medikamentenverpackungen genutzt?

Wir sind in der Lage, Funktionsschichten auf Polyester-Folien aufzubringen, und das mit Strukturbreiten bis hinab zu 10 µm. Konkret sprechen wir hier über strukturiert metallisierte Kunststofffolien. Solche Folien lassen sich vielseitig einsetzen, sowohl zum Zweck des EMI-Shieldings als auch zum Heizen. Das derzeit attraktivste Einsatzfeld ist die Funktion in Touchscreens, die insbesondere durch den Boom der Smartphones einen massiven Marktanstieg sehen. Mit dem passenden Touchcontroller können unsere Sensoren aufgrund der zwanzigmal höheren Leitfähigkeit erheblich schneller reagieren als bisherige Lösungen, und haben auch wesentlich geringere Störempfindlichkeit. Für Handy-Applikationen auch auf Grund des Gewichtsvorteils und der einfaches Integration der dünnen, flexiblen Folie ist das eine äußerst inter-essante Lösung.

Auch im Touch-Bereich treten Sie mit organischer Elektronik gegen eine Reihe existierender Lösungen an. Sehen Sie noch andere Einsatzmöglichkeiten für Ihr Know-how?

Wir führen interessante Gespräche mit verschiedenen Anwendern. Dabei geht es darum, Funktionen in Oberflächen zu integrieren. Konkret ließe sich etwa das Dashboard dazu nutzen, Funktionen des Car-Infotainments zu steuern. Denkbar wäre auch die Steuerung von Komfortfeatures. Im Kern geht es aber darum, dass wir mit unserer Technologie Kunststoff-oberflächen funktional elektronisch nutzen können. Für die Automotive-Branche, die angesichts einer immer höheren Elektronikdurchdringung der Fahrzeuge mit immer weniger Verbauraum zu kämpfen hat, eröffnet diese funktionale Integration eine neue Nutzungsdimension.

Auf dem PolyIC-Stand auf der LOPE haben Sie noch eine andere Lösung präsentiert: Eine Lampe, die durch Gesten gesteuert wird. Wie kam es zu dieser Anwendung?

In diesem Fall sind Lampenentwickler auf uns zugekommen, mit der Idee, unser Know-how zur Steuerung von LED-Lampen zu nutzen. Unsere strukturierte Folie dient in diesem Fall als »Bewegungssensor«, mit dem sie die Lampe durch Gesten nicht nur an- oder ausschalten, sondern bei Bedarf auch dimmen können – eine Einsatzmöglichkeit, die unser Konzept bestätigt, mit unserem Portfolio und unserer Prozessplattform am Markt aufzutreten und flexibel auf die Bedürfnisse zu reagieren.

Die Industrie formt sich, in der organischen Elektronik werden die ersten substanziellen Geschäfte sichtbar. Was wünschen Sie sich noch für die Branche?

Dass wir aus der reinen Technologieecke rauskommen, mit einer Strategie, die für die Kunden klar erkennbar ist. Wir müssen nüchtern feststellen: Wo stehen wir mit unserer Technologie, wohin kann sie uns noch führen, und lässt sich das bislang erarbeitet Know-how in marktgerechte Lösungen umsetzen, ohne dabei das ursprünglich gesetzte Ziel aus den Augen zu verlieren? Hilfreich wäre es in diesem Zusammenhang, wenn die EU nicht mehr nur die reine F&E-Arbeit fördern würde, sondern bei neuen Technologien auch die Entwicklung erster Produkte für den Markteintritt noch unterstützen würde. Ich bin der Überzeugung, dass sich diese Art von »Anschubfinanzierung« gerade bei neuen Technologien, die noch ihren Platz am Markt suchen, für den Standort Europa mittel- und langfristig auszahlen würde.

Ist der Erfolg von Technologien und Indus-trien nicht auch entscheidend von Standardisierungen abhängig?

Das ist richtig. Derzeit wird gerade eine IEC-Standardisierungsgruppe (TC 119) gegründet, die wir im Rahmen der OE-A, die inzwischen weltweit 194 Mitglieder aus 31 Nationen umfasst, begleiten. Diese internationalen Standardisierungsbemühungen stellen sicherlich einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung einer dynamisch wachsenden Zukunftsbranche dar.

Stichwort dynamisches Wachstum. In Deutschland finden in diesem Jahr in Berlin, München und Dresden Konferenzen zum Thema Organische Elektronik statt. Ist das nicht ein bisschen zuviel des Guten?

Einige der OE-A-Mitglieder werden letztlich wohl auf allen drei Konferenzen präsent sein. Unser Ziel als OE-A war es, die LOPE-C nicht nur als Konferenz auszurichten, sondern diese Veranstaltung schrittweise auch zu einer Schlüsselmesse für die Organische Elektronik zu entwickeln. Mit der Messe München haben wir dazu den passenden Partner gefunden. Ich gehe davon aus, dass die drei Veranstaltungen letztlich unterschiedliche Schwerpunkte setzen werden. Die Tatsache dass drei Veranstaltungen dieser Art in Deutschland stattfinden, dokumentiert auch, welche Bedeutung diesem Standort trotz oder gerade wegen eines schärfer werdenden Wettbewerbs in dieser noch immer jungen Branche zukommt. Ich denke darüber können wir uns alle freuen.


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