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Chip-Industrie: Europa braucht dringend größere Fördermaßnahmen

4. März 2013, 10:29 Uhr | Frank Riemenschneider
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Ruf nach einem “Silicon Europe”

Malcomm Penn ist CEO der Marktforschungsfirma Future Horizons.
Malcom Penn ist CEO der Marktforschungsfirma Future Horizons.
© Elektronik

Luc van den Howe, CEO des Forschungsinstituts IMEC mit Sitz in Belgien, stellte zunächst dar, wo Europa heute gut positioniert ist. Der niederländische Fab-Ausrüster ASML ist mittlerweile weltweit die Nr. 1, 100 % aller Prozessoren in Mobilgeräten werden mit Hilfe von ASML-Scannern gefertigt; 95 % aller Smartphones basieren auf der ARM-Architektur, 50 % aller MEMs kommen aus dem Hause ST Microelectronics, Infineon und Bosch sind Marktführer in der Leistungselektronik und Substrate der französischen Firma Soitec finden sich in mehr als 50 % aller Smartphones und Tablets.

Das Problem sieht van den Howe auf der politischen Ebene, wo er vehement endlich eine “einheitliche europäische Stimme” und Subventionen für die Chip-Industrie forderte. Auch die Problematik, dass die EU 27 Mitgliedsstaaten hat, von denen die Mehrheit keine eigene Chip-Industrie hat und daher nur limitiertes Interesse an Fördermaßnahmen hat, sowie die hohen Subventionen in anderen Teilen dieser Erde adressierte van den Howe. Mit dem Aufruf “es ist Zeit zum Handeln” und “wir brauchen ein Silicon Europe” beendete der IMEC-CEO seinen mit viel Beifall bedachten Vortrag.

Malcom Penn, CEO der Marktforschungsfirma Future Horizons, analysierte die “Europa Inc.” in drei Richtungen: Beim Thema Fab-Ausrüstung hat Europa dank ASML und anderer sowie einigen 450-mm-Pilotlinien einen “Weltklasse-Status” erreicht. Ähnliches gilt für das Thema Forschung, wo neben dem IMEC als dem weltweit führenden Chip-Forscher auch LETI und Fraunhofer führende Positionen innehaben. Nach Penns Meinung sollten sich letztere Schlüssel-Nischen besetzen, um ergänzend statt in Konkurrenz zum IMEC zu agieren.

Anders sieht es Penn strukturell, wo er Europa Defizite attestiert: Nicht nur, dass die großen Chip-Hersteller Probleme haben, auch bei der Ausbildung von Ingenieuren mit dem Schwerpunkt Halbleiter gibt es großen Nachholbedarf. Europäische Ideen werden zudem von anderen Ländern schneller aufgegriffen (z.B. Graphen-assoziierte Patente: Korea 1160, GB 54), Einzelinteressen stehen über einer gemeinsamen Strategie und last but not least sollten seiner Meinung nach die ewigen Diskussionen beendet werden und EU-Kommissarin Neeloe Kroes bei ihrem Plan, ein “Airbus für Chips” zu bauen, unterstützt werden.

Anders als Bill McClean, dem Chef der amerikanischen Marktforschungsfirma ICInsights, sieht Penn eine europäische 450-mm-Foundry als einmalige Chance für Europa. Penn sieht es als großen Fehler an, sich ausschließlich auf “More than Moore” zu konzentrieren und sieht Europa mit einer 450-mm-Fab, die von Anfang an mit EUV-Lithografie beginnt, eine historische Chance, verlorenes Fertigungs-Geschäft von Asien und den USA nach Europa zurückzuholen.

Am Ende seines Vortrages forderte Penn, das “Herunterreden der Industrie” zu beenden. Es sei einfach unwahr, dass die Industrie als solche Probleme habe, da zahlreiche Firmen ein gesundes Wachstum ausweisen würden. Chip-Firmen, die Probleme haben, sollten lieber eigene Fehler im Haus suchen, so Penn.

Khalil Rouhana von der EU-Kommission sah sich Bedenken der Teilnehmer ausgesetzt.
Khalil Rouhana von der EU-Kommission sah sich Bedenken der Teilnehmer ausgesetzt.
© Elektronik

Nach viel Enthusiasmus folgte die Euphorie-Bremse

Für Ernüchterung bei vielen Teilnehmern sorgte dann Khalil Rouhana von der EU-Kommission. Er erklärte, dass die EU für sogenannte Key-Enabling-Technologies ein Förderprogramm im Volumen von 6,663 Mrd. Euro bereitgestellt habe, davon 1,795 Mrd. Für Photonik sowie Mikro- und Nanoelektronik, 4,292 Mrd. für Nanotechnologie, neue Materialien und Fertigung, 575 Mio. für Biotechnologie und 1,737 Mrd. Euro für Raumfahrt. Diese Summen sind natürlich deutlich geringer als z.B. die Agrarförderungen, die u.a. auf Druck der Franzosen nochmals erhöht wurden, zudem wurden am Ende der Haushaltsberatungen Kürzungen im Technologie-Bereich vorgenommen.

Rouhana sah sich von Teilnehmern dem Vorwurf ausgesetzt, dass die Entscheidungsprozesse in den einzelnen EU-Institutionen zu langsam seien, der Prozess, um Fördergelder zu erhalten, zudem zu complex. Des weiteren wurde auch der Fachkräftemangel adressiert, nach Teilnehmermeinung eine Folge falscher politischer Entscheidungen in Brüssel.

Die Idee von EU-Kommissarin Neelie Kroes, mit einem “Airbus für Chips” eine europäische Initiative für die Chip-Industrie vergleichbar mit der Initiative zu schaffen, die seinerzeit zu der Gründung von Airbus geführt hat, fand große Zustimmung. Bei einer Panel-Diskussion erklärte der CEO des französischen Forschungszentrums CEA-LETI, Laurent Malier, dass der  ”Airbus für Chips” nicht zwangsläufig eine Firma sein müsse, sondern auch aus einem Framework von Firmen bestehen könne.

Wenn es trotz vielen Präsentationen und Diskussionen mit Europas Chip-Industrie trotzdem nicht so richtig weitergehen sollte, liegt es zumindest zweifelsfrei nicht an der SEMI selbst. Heinz Kundert und seine Mitstreiter sind zweifellos diejenigen, die auf europäischer Bühne die Interessen der Chip-Industrie von allen Verbänden und Lobbyorganisationen weitaus am stärksten vertreten. So gab es alleine 2012 über 140 Treffen mit EU-Entscheidern.


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