Die neue Organisationsstruktur, die sich Analog Devices vor einem Jahr gegeben hat, trägt offenbar Früchte: Im Automobilbereich konnte das Unternehmen den Marktanteil im schwierigen Jahr 2009 ausbauen. Thomas Wessel, Vice President der Automotive Group von Analog Devices, erklärt warum.
Markt&Technik: Wie schätzen Sie die derzeitige Situation im Automobilmarkt ein?
Thomas Wessel: Wir können uns über das dritte Rekordquartal in Folge freuen. Wir werden dieses Jahr deutlich besser abschließen als 2008, das ebenfalls ein Rekordjahr war. Das letzte Quartal lag um 108 Prozent über den Vorjahresquartal, im bisher abgelaufenen Jahr 2010 haben wir gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um über 80 Prozent zugelegt.
Wird es weiter aufwärts gehen?
Die Anzahl der verkauften Autos in den USA lagen im August auf einem so niedrigen Niveau wie schon seit 1983 nicht mehr. Bisher waren für Analog Devices die Märkte in den USA und in Europa die treibenden Kräfte. Aber auch in Europa gingen die Zulassungszahlen im Juli um 16 und im August um 12 Prozent zurück. Das waren für Europa die schlechtesten Monate seit 2003. Diese Zahlen zeigen, dass sich das Wachstum abschwächen kann.
Baut sich jetzt wieder Lager auf?
Derzeit findet ein gewisser Lageraufbau statt. Nachdem die Lager 2009 leergefegt waren ist das ja auch nicht verkehrt. Ich schätze, dass weniger als ein Drittel in den Lageraufbau geht, wir sind also auf dem richtigen Weg. Man darf nicht vergessen, dass der Halbleiter-Content pro Auto kontinuierlich steigt.
Wie hat Analog Devices von dieser Entwicklung profitiert?
Die Kurve des Halbeiteranteils pro Auto steigt linear an. Wir haben unseren Anteil seit 2006 verdoppelt. Das heißt, wir haben Marktanteile gewonnen. Der Anteil des Umsatzes, den wir mit Automotive-ICs generieren, ist über die letzten Jahre von 6 Prozent bis 2009 auf 10 Prozent - von 2 Mrd. Dollar Gesamtumsatz in 2009 - gestiegen, für dieses Jahr rechnen wir mit 12 Prozent.
Welche Produktgruppen waren besonders erfolgreich?
Besonders gut haben sich die MEMS-Sensoren entwickelt, da haben wir 2009 auch weniger
Umsatz eingebüßt als so manche Wettbewerber. Das zeigt mir, dass wir auf die richtigen Applikationen und die richtigen Kunden gesetzt haben.
ADI hat kürzlich die Organisation geändert. Jetzt arbeiten Marktsegmentgruppen wie Automotive mit der Core-Products- und der Technologie-Gruppen zusammen, um die Anforderungen der Kunden besser einbringen zu können. Macht das die Sache nicht noch komplizierter und zeitaufwändiger?
Es gibt in jedem Organisationsschema Vor- und Nachteile. Unsere Organisation haben wir so ausgelegt, dass die strategischen Marktsegmente ihr Wissen in die unterschiedlichen Technologien - von den Datenwandlern und den analogen ICs über HF-ICs bis zu Power-Management, DSPs und MEMS/Sensoren - einfließen lassen. Umgekehrt integrieren die Technologie-Gruppen ihre Blöcke so, dass sie den Anforderungen der jeweiligen Segmente - Automotive, Kommunikations-Infrastruktur, Consumer, Healthcare und Industrial & Communications - genau entsprechen. Das mag manchmal längere Entscheidungsprozesse zur Folge haben, aber die Ergebnisse sind dafür sehr gut, besser als bisher. Außerdem kann sich in dieser Organisation niemand mehr verstecken und es besteht ein enger Kontakt zwischen beiden Gruppen und dem Endmärkten.
Das war davor nicht der Fall?
Nicht in dem Maße. Wir wollten der Stimme der Kunden ein größeres Gewicht geben, die Zusammenarbeit mit den Kunden vereinfachen - sie haben jetzt weniger Ansprechpartner - und uns intern besser als bisher auf die jeweiligen Wünsche fokussieren - bis hin zu den Qualitätsanforderungen in der Fertigung. Wir können nun unsere Funktionsblöcke so auf den Chips integrieren, dass wir uns in den jeweiligen Zielmärkten wirklich differenzieren können.
Es genügt ja nicht, die Technologien im Portfolio zu haben und irgendwie zu kombinieren. Man muss sie technisch und wirtschaftlich sinnvoll kombinieren, und zwar so, dass das Ergebnis den Anwendern die Möglichkeit gibt, sich zu differenzieren. Gute Technologien in unseren Kernbereichen Analog- und HF-Technik, Power, DSPs und MEMS hatten wir bereits, dafür sind wir bekannt, jetzt ist Systemdenken gefragt. Im Auto etwa die Kombination aus Datenwandler, digitalem Isolator und Controller. Dazu muss man die Marktanforderungen aus erster Hand kennen, und darauf haben wir die Organisation ausgelegt.
Welche Sektoren visiert Analog Devices im Automotive-Markt an?
Wir entwickeln für die Sektoren Sicherheit - Airbag/Crash-Sensing, Stabilitätssteuerung, ADAS Vision und Radar -, Infotainment, mit Audioverstärkern und Multimedia- bzw. Schnittstellenprodukten - sowie Powertrain und Karosserie. In dem letztgenannten Sektor spielen hochgenaue Sensor-Interfaces eine wichtige Rolle. Hier bietet die Technik schon mal eine Möglichkeit zur Differenzierung.
Ein schönes Beispiel für die Umsetzung des Systemsgedankens ist unser intelligenter Sensor für 12-V-Batterien. Dass wir hier einen Marktanteil von wahrscheinlich 99 Prozent erreicht haben, zeigt, dass wir offenbar verstanden haben, was die Kunden in diesem Bereich genau wollen. Der Batterie-Chip besteht aus zwei übereinander gestapelten Dies, auf denen ein 16-Bit-Sigma-Delta-A/D-Wandler, eine ARM7TDMI-MCU, Flash-Speicher, Hochvolt-LDOs und LIN-Transceiver integriert sind. Wir haben bereits die zweite Generation dieser Typen in der Produktion und erweitern den Funktionsumfang der nächsten Generation, die mit einer Cortex-MCU arbeiten werden. So viele Wettbewerber, die das können, gibt es nicht, und wir sind auf dem richtigen Weg, um den Vorsprung halten.