Mit Tria Technologies hat Avnet ein neues Tochterunternehmen für seine Aktivitäten im Embedded-Bereich gegründet. Thomas Staudinger, President von Avnet Embedded Solutions, erläutert die Hintergründe und zeigt auf, wie man sich in den nächsten Jahren aufstellen und wachsen will.
Markt&Technik: Herr Staudinger, Avnet hat das neue Tochterunternehmen Tria Technologies gegründet. Welche Folgen hat das in der Organisation für den Embedded-Bereich?
Thomas Staudinger: Die Avnet Embedded Solutions beinhaltet nun vier separate Geschäftsbereiche: das Display-Geschäft unter der Avnet-Marke, die Distribution unter der Embedded Platforms Group mit dem Avnet-Brand, der Software-Bereich unter der Witekio sowie die Tria, die Module, Boards und Systeme entwickelt und fertigt. Tria ist der Nachfolger der Avnet Embedded, die nach der Akquisition von MSC entstand. Hier sind jetzt alle Board-Aktivitäten gebündelt wie beispielsweise unsere Entwicklung von FPGA- und SoC-Baugruppen.
Aber warum war hierfür ein Rebranding nötig? Sie hätten schließlich hierfür auch den Avnet-Namen verwenden können.
Mit einer neuen eigenen Brand können wir unser Team dahinter versammeln und uns besser gegen unseren Mitbewerb positionieren. Mit dieser klaren Differenzierung können unsere Vertriebsmitarbeiter einfacher mit dem Tria-Angebot zum Kunden gehen.
Mit einer gleichen Brand kann nämlich immer eine Diskussion entstehen, falls es ein Problem gibt, ob die Distribution oder der Produktbereich verantwortlich ist. Zudem ist unser Geschäft komplett anders als in der restlichen Avnet. Wir machen nicht nur ein klassisches Distributionsgeschäft, sondern entwerfen und produzieren eigene Produkte für die Kunden.
Was bedeutet das für den Kunden?
Wir werden ein vereinfachtes Setup mit weniger Schnittstellen Richtung Kunde haben. Wir wollen unsere Strategie stärker auf bestimmte Segmente ausrichten und dort auch Erfolge replizieren. Mit Tria richten wir uns stärker auf den Bereich Module, Boards und Systeme aus.
Bündeln sich damit auch Ihre Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten?
Ja, wir können auf verschiedenste Ressourcen global zugreifen. Wir sind in der Lage, ein neu entwickeltes Produkt sehr schnell in die Fertigung umzusetzen. Dabei sind wir auf eine High-Mix-/Low-Volume-Produktion eingestellt. Stutensee, unser Hauptstandort für die Fertigung von Embedded-Modulen, haben wir von sechs auf neun Fertigungslinien ausgebaut. Dazu kommen noch drei Linien in unserem Standort in Malta sowie die Systemfertigung in unserem neuesten Standort Eschbach.
A propos Eschbach: Welche Rolle spielt denn der neue Standort für Ihre Pläne?
Der Standort Eschbach wurde Mitte 2023 eröffnet. Die neue Facility ist so ausgelegt, dass es Raum für Wachstum gibt, inklusive automatisierter Linien und dem entsprechenden Lagerplatz. Der Standort soll uns dabei helfen, das Geschäft der Embedded Solutions über die nächsten sechs Jahre zu verdreifachen. Darum ist es auch so ein wichtiges Investment.
Wie können Sie von der Konzernstruktur der Avnet profitieren?
Da gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Bei der Avnet Silica oder der EBV wird über Chip-Down-Designs diskutiert und Kunden merken, sie schaffen das zeitlich nicht oder auch nicht mit ihren Ressourcen. Da kann ein Modul von NXP oder Renesas von uns bereitgestellt werden. Die Avnet Abacus wiederum arbeitet mit Kunden im Bereich Kabel. Doch hinter dem Kabel kommt das System, wobei wir wiederum einen Einstieg finden können. So haben wir einen breiteren Marktzugang. Avnet hat beispielsweise in Europa etwa 30.000 Kunden. Wenn wir auch nur einen Bruchteil als Embedded-Kunde gewinnen, ist das bereits ein großer Wachstumsschritt.
Verändert sich dadurch die Strategie in Europa, Nordamerika und Asien?
Ja, wir werden alle Kapazitäten unter Tria zusammenführen, sodass es für Kunden nur noch einen Hersteller gibt und wir Marktanteile gewinnen. In Europa sind wir bereits gut positioniert, hier sehen wir Wachstumspotenziale für unsere SMARC- und OSM-Produkte. Die USA ist als größter Embedded-Markt neben Europa besonders wichtig. Dort haben wir bereits erste Erfolge und sind auch mit unserem Franchise- und Distributionsgeschäft erfolgreich. In Asien müssen wir anders vorgehen und werden ein paar Märkte auswählen, die zu unserem Modell passen. Mit China oder Taiwan zu konkurrieren macht wenig Sinn. In Japan, Südkorea, Singapur, Australien und Neuseeland wollen wir zielgenau im Markt vorgehen.
Was wäre denn ein noch nicht gehobenes Potenzial in den USA, das Sie mit Tria bedienen können?
Durch die Allokationen der letzten vier Jahre stehen Kunden vor dem Problem, verschiedene Prozessorplattformen zu nutzen. Zahlreiche große OEMs hinterfragen daher ihre Strategie, eine Produktlösung selbst zu entwickeln oder sie einzukaufen. Sie müssen entscheiden, ob sie weiter eine breite Palette an verschiedenen Produkten und eingesetzten Plattformen erlauben oder ob sie sich auf einen bestimmten Standard im Unternehmen konzentrieren. Vor allem bei Unternehmen mit global verteilten Fertigungsstätten sehen wir dabei ein echtes Potenzial. Wir sind im Bereich Computing-Module einer der Hersteller mit dem breitesten Portfolio, weshalb wir bei diesen OEMs einen Mehrwert liefern können.
Sie sagten, in Asien muss die Strategie anders sein. Wie sähe das konkret aus?
Wir wollen den japanischen Markt als eine Art Brückenkopf etablieren. Dafür arbeiten wir dort mit der lokalen Organisation Avnet K.K. zusammen, die bereits erste Großkunden zu unseren Produkten ansprechen. Wir wollen auch breiter werden und werden später in die lokalen Ressourcen investieren müssen. Doch heute werden wir nicht in den kompletten asiatischen Markt gehen.
Gibt es ein Prestige-Projekt, in dem Tria erfolgreich funktioniert hat?
Wir haben über die letzten Monate zahlreiche vielversprechende Projekte gewonnen. Im Bereich Landwirtschaft entwickeln und liefern wir ein komplettes System, das ein Display, Touch und ein Compute-Modul kombiniert.
Ein anderes Beispiel ist ein großer globaler Hersteller für Medizintechnik, der zukünftig auf weniger, aber skalierbare Plattformen setzen will. Dieser Hersteller wird in den nächsten Jahren unser Volumen an SMARC-Modulen vorantreiben. Das Projekt haben wir gewonnen, weil wir eine gute Performance kostenoptimiert bieten können. Zudem haben wir global die entsprechenden Design-Standorte unterstützt und zentral mit dem strategischen Einkauf gearbeitet, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.
Sie hatten schon öfter den Formfaktor SMARC als Treiber in manchen Branchen erwähnt. Sehen Sie noch weitere solche Embedded-Trends?
Ein großer Teil des Geschäftswachstums wird über Standard-Formfaktoren wie SMARC und OSM kommen. OSM-Module unterscheiden sich jedoch von den anderen Standardprodukten, da sie auf den Carrier gelötet werden.
Ansonsten gibt es auf der Systemseite zwei Stoßrichtungen. Zum einen HMI: Dafür haben wir das komplette Know-how im Haus, von Touch über Display bis zum Compute-Modul dahinter. In diesem Bereich wird der Schlüssel sein, stärker zu standardisieren. Wir müssen die Entwicklung beschleunigen, mehr Projekte umsetzen und das entsprechend industrialisieren. Unser Standort Eschbach ist die Basis dafür. Das andere Thema ist Custom-Housing für Computer. Da sind wir beispielsweise erfolgreich bei Zugangskontrollen zu Flughäfen und Gebäudeautomation.
Wie schätzen Sie die Potenziale für Embedded-KI ein?
Das ist ein Technologie-Trend, den wir für die Kunden nutzbar machen müssen. Künstliche Intelligenz ist ein großes Thema. Es gibt viele Diskussionen, aber kaum Anwendungsfälle. Zum einen braucht es die leistungsfähigen Prozessorplattformen oder Applikationsprozessoren und zum anderen braucht es die Software. In beiden Bereichen sind wir mit Herstellern im Gespräch, haben aber auch eigene Ressourcen im Software-Bereich. Hierbei wird auch das Thema Functional Safety wichtig. Das sind Bereiche, die wir noch weiter ausbauen müssen, damit sie für Kunden greifbarer werden.
Kommen hierzu denn bereits Anfragen von Kundenseite?
Es kommen Anfragen, aber häufig sagen die Kunden, dass sie nur wüssten, dass sie was machen müssen, aber nicht, was genau. Es geht hierbei darum, wirklich neue Geschäftsmodelle zu generieren. Kunden kämpfen aber damit, das konkret für sich abzubilden. Technologische Voraussetzungen sind gegeben und wir konnten KI bereits in Projekten implementieren. Das sind allerdings mehr Pilotversuche als ein signifikantes Geschäft. Dafür wird es wahrscheinlich noch zwei bis drei Jahre dauern.
Wie bewerten Sie die wirtschaftlichen Auswirkungen von Embedded-KI auf den Standort Deutschland?
Mit dem Embedded-Bereich sind wir aus Deutschland überaus erfolgreich. Der größte Wettbewerb kommt aus Europa oder Taiwan. Dabei ist das Angebot aus Deutschland mindestens genauso gut. Themen wie künstliche Intelligenz und Functional Safety werden in den nächsten Jahren gewaltig an Bedeutung gewinnen. In zehn Jahren wird KI wahrscheinlich 20 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen.
Und wie bewerten Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage auf dem deutschen Embedded-Markt? Schließlich steckt Deutschland gesamtwirtschaftlich in einer kleinen Rezession.
Ich würde einen niedrigen einstelligen Wachstumsbereich sehen für 2024. Bei uns ist das reine Trading-Geschäft deutlich schwächer in den Bereichen Display und Franchise. Aber mit unserem eigenen Geschäft sind wir recht gut unterwegs. Für 2025 erwarten wir wieder ein Wachstum von 10 bis 15 Prozent.
Das scheint der branchenübergreifende Tonus zu sein. Aktuell schwächelt es, aber das zweite Halbjahr 2024 beziehungsweise 2025 kommt wieder ein stärkeres Wachstum.
Ja, momentan sind OEMs noch sehr vorsichtig und versuchen, ihre Lagerbestände abzubauen. Allerdings sehen wir auch, dass das Backlog bei vielen Kunden leer ist. Da aber trotzdem Bedarf vorhanden ist, versuchen wir anzuschieben und mahnen Kunden dazu, vorauszuplanen.
Haben Sie Pläne für das aktuelle Jahr, um das Wachstum anzukurbeln?
Natürlich. In den letzten Monaten waren wir noch stark mit der neuen Struktur beschäftigt. Jetzt sind die richtigen Leute an den richtigen Stellen und wir investieren in zusätzliche Ressourcen, speziell auf der Marktseite. Für uns ist es zentral, an die Kunden heranzugehen, deren Projekte zu besprechen und für uns zu gewinnen. Wir werden über die nächsten sechs bis neun Monate relativ viele Produkte ankündigen und können den Kunden nochmal mehr Lösungen anbieten.
Die Fragen stellten Ingo Kuss und Lukas Steiglechner.