Large Language Models (LLMs) haben das Potenzial, das Wissenschaftssystem zu verändern. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG). Hierfür wurden weltweit 72 internationale Experten aus den Bereichen KI und Digitalisierung befragt.
Mit Blick auf die wissenschaftliche Praxis kommen sie zu dem Schluss, dass die positiven Auswirkungen die negativen deutlich überwiegen. Zugleich betonen sie die dringende Aufgabe von Wissenschaft und Politik, mögliche Desinformation durch große Sprachmodelle aktiv zu bekämpfen. Sie fordern strengere rechtliche Regulierungen, mehr Transparenz und ethische Standards beim Einsatz generativer KI, um die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Forschung zu wahren. Die Studie »Friend or Foe? Exploring the Implications of Large Language Models on the Science System« ist ab sofort als Preprint verfügbar.
Die durchgeführte Studie konzentriert sich konkret auf die Anwendungen von großen Sprachmodellen, ihre Auswirkungen auf die wissenschaftliche Praxis, ethische und rechtliche Überlegungen sowie die erforderlichen Kompetenzen für ihre effektive Nutzung. Den befragten Experten zufolge machen sich die positiven Effekte am stärksten im textuellen Bereich der wissenschaftlichen Arbeit bemerkbar. Sie steigern die Effizienz von Forschungsprozessen, indem sie verschiedene Aufgaben beim Verfassen und Veröffentlichen von wissenschaftlichen Ergebnissen automatisieren. Zudem ermöglichen sie eine große Entlastung für administrative Berichts- und Antragsverfahren, die in den letzten Jahren im Arbeitsalltag von Wissenschaftlern stark zugenommen haben. Die Studienteilnehmenden sind der Meinung, dass Forschende so wieder mehr Zeit haben, sich auf ihre Untersuchungsinhalte zu konzentrieren und ihre Ergebnisse einem breiteren Publikum effektiv zu vermitteln. Somit schaffen große Sprachmodelle zukünftig mehr Raum für kritisches Denken, neue Innovationen und eine breitere Kommunikation von Ergebnissen.
Neben den unbestreitbaren Vorteilen unterstreicht die Studie aber auch die Notwendigkeit, sich mit möglichen negativen Folgen für das Wissenschaftssystem auseinanderzusetzen. Große Sprachmodelle können missbraucht werden, um falsche, irreführende und scheinbar wissenschaftliche Behauptungen aufzustellen. Diese sind auf den ersten Blick oft schwer von echten Forschungsergebnissen zu unterscheiden. Den Befragten zufolge können mit ihnen Fehlinformationen in der öffentlichen Debatte verbreitet und politische Entscheidungen beeinflusst werden. Ein weiteres Problem sehen sie in fehlerhaften Trainingsdaten von großen Sprachmodellen, durch die beispielsweise diskriminierende Stereotypen in die von ihnen produzierten Texte eingebettet werden. Diese Fehler könnten unbemerkt in wissenschaftliche Debatten eindringen, wenn Forschende LLM-generierte Inhalte ohne gründliche Überprüfung in ihre tägliche Arbeit einbeziehen.
Um diese Herausforderungen zukünftig zu bewältigen, müssen sich Wissenschaftler neue Kompetenzen aneignen. Hierzu gehört beispielsweise die Fähigkeit, Ergebnisse von großen Sprachmodellen kritisch zu kontextualisieren. In Zeiten, in denen die Verbreitung von Desinformationen in der Gesellschaft zunimmt, braucht es Forschende, die mit ihrer Expertise, Autorität und Reputation für die Versachlichung des öffentlichen Diskurses eintreten. Die Befragten fordern deswegen strengere gesetzliche Regelungen, eine erhöhte Transparenz der Trainingsdaten sowie verantwortungsvolle und ethische Praktiken beim Einsatz generativer KI.