Während Wind River sich mit Enthusiasmus auf Android stürzt, sehen die Linux-Dienstleister hierzulande das Thema Android differenzierter. In Deutschland arbeitet eine Reihe kleiner und mittelständischer Firmen daran, Linux im Kundenauftrag auf neue Hardware zu portieren, Treiber zu entwickeln und Anwendungen zu erstellen. Fragt man hier nach Android, dann stößt man vor allem auf Vorbehalte hinsichtlich der Qualität der Android-Software. Gleichzeitig räumen alle ein, dass Android von großer Marktrelevanz ist. „Relevant für eine bestimmte Art von Geräten“, sagt Wolfgang Denk von Denx Software Engineering, und er meint damit Geräte ohne Maus und Tastatur.
Er stellt vor allem das Bedienkonzept und die Oberfläche von Android in den Mittelpunkt. Zwar habe er noch keine Industriesteuerung gesehen, die ausschließlich mit Touchscreen und neuen Konzepten wie Wischgesten bedient wird, „aber das ist nur eine Frage der Zeit. Irgendjemand wird früher oder später auf die Idee kommen, seinen Kunden eine besonders interessante Oberfläche anbieten zu wollen. Das fängt vielleicht mit portablen Messgeräten an, auf denen man den Nutzern den vom Smartphone bekannten Bedienkomfort bieten will.“
Bei Denx sind auch schon Android- Projekte am Laufen – für wen und welche Anwendungen, will Wolfgang Denk allerdings nicht verraten. Daher hat man bei Denx auch schon Erfahrungen mit den Quellen von Android gesammelt, und die sind „alles andere als eine runde Sache“, sagt Wolfgang Denk, „Jemand, der sich da zum ersten Mal einarbeiten muss, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen“, weil Android mit vielen Prinzipien der üblichen GNU-/Linux-Umgebungen bricht und man immer wieder merkt, dass Google lange Zeit die Linux Community ignoriert hat.
Probleme für einen generellen Einsatz sieht Denk in der starken Spezialisierung von Android. Es setzt viele Hardware-Bestandteile eines Smartphones voraus, die in traditionellen Embedded Geräten nicht vorhanden sind. So unterstützte Android z.B. lange keine resistiven Touchscreens. Hier muss man dann wieder selbst Hand anlegen und das System anpassen – was aber auch nicht wesentlich mehr Arbeit macht als jede andere Linux- Portierung auch. „Wenn Android aber erst mal portiert ist, ist es für Applikationsentwickler wie für Anwender sehr angenehm, dass sie auf eine standardisierte Umgebung mit vielen Diensten zugreifen können.“
Schnelligkeit vs. Qualität
Noch stärkere Vorbehalte gegenüber Android hat man bei Pengutronix. „Der Mobiltelefonmarkt ist extrem schnelllebig. Deshalb wird die Software erst mal auf den Markt geworfen und dann daran herumgedoktert, wenn es Probleme gibt. So etwas wie Produktpflege findet nur bei den Android- Anwendungsentwicklern statt“, sagt Björn Bürger. Ein solcher Ansatz – Schnelligkeit vor Qualität – verträgt sich schlecht mit den Anforderungen von Industriekunden.
Was das Team von Pengutronix aber besonders stört, ist, dass sich mit Android ein zweites Universum neben dem offiziellen Linux-Kernel entwickelt. „Bei Android wird viel entwickelt, aber längst nicht alles fließt in den offiziellen Kernel zurück. Android hat eigene Entscheidungsgremien, es gibt eine eigene lib-c-Entwicklung, eigene Compiler- Optimierungen, spezielle Dienste, die nur mit Android funktionieren.“
Was Björn Bürger da als Vorwurf formuliert, bringt die Interessensunterschiede auf den Punkt. Denn Android stellt genau dies als einen Vorteil heraus: dass man mit den eigenen Gremien zielgerichtet entwickeln könne und schneller ist als die Open-Source- Community mit ihren zähen Diskussionen und langwierigen Code-Reviews. Das gibt auch Björn Bürger zu: „Ja, die Linux-Community ist bei der Entwicklung deutlich konservativer. Dafür ist der offizielle Linux-Kernel viel längerfristiger kompatibel. Für ein Industrieprojekt mit einem Zeithorizont von 10 bis 15 Jahren ist das die bessere Wahl.“