Mithilfe eines Embedded-PCs von compmall

Müdigkeitswarner im Praxistest

15. Dezember 2023, 8:30 Uhr | von Andrea Czakalla, compmall
Das Testsystem basiert auf dem »DS-1302« von compmall, einem Embedded-PC mit Intel-i5-10500TE-Prozessor und CAN-FD-Karte. (Bild: WIVW)
© compmall

Automobilhersteller entwickeln Systeme zur Müdigkeitswarnung. Ob sie der Realität standhalten, prüfen Diplom-Psychologin Dr. Barbara Metz und Diplom-Ingenieur (FH) Michael Hanig vom Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften. Sie setzen dazu den Embedded-PC »DS-1302« von compmall ein.

Diesen Artikel anhören

Jeder zehnte schwere Unfall außerhalb von Ortschaften geht laut ADAC-Unfalldatenbank auf einen abgelenkten, müden oder körperlich beeinträchtigten Fahrer zurück. Seit 2022 in neuen Pkw- und Lkw-Fahrzeugmodellen vorgeschrieben, werden ab 2024 Müdigkeitswarner in allen neu zugelassenen Lkw und Pkw zur Pflicht. Welche Aufgabe erfüllt dabei das Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW)?

Metz: Die Fahrzeughersteller entwickeln eigene Assistenzsysteme, die wir im realen Einsatz testen, analysieren und die Ergebnisse inklusive Verbesserungsvorschläge an die Hersteller zurückspielen. Grundlage dafür ist eine EU-Regelung, die vorschreibt, dass Müdigkeitswarner mit realen Probanden zu testen sind. Für den Test stellen uns die Fahrzeughersteller entweder einen Prototypen des Fahrzeugs oder ein mit prototypischer Software ausgestattetes Serienfahrzeug zur Verfügung, in dem wir unser Testsystem integrieren.

Wie läuft ein Test ab?

Metz: Für den realen Test setzen wir übermüdete Probanden ein. Sie dürfen die Nacht zuvor nicht geschlafen haben. Die Probanden fahren für maximal zwei Stunden eine Autobahnstrecke. Mit im Fahrzeug sitzen ein Fahrlehrer, der in kritischen Situationen das Fahrzeug mithilfe eines zweiten Pedalsystems übernimmt, sowie der Versuchsleiter. Während der Fahrt wird der Proband alle fünf Minuten nach seinem subjektiven Müdigkeitsbefinden befragt. Als Referenz dient KSS – Karolinska Sleepiness Scale – ein Instrument zum Beurteilen von Wachheit. Die Skala rangiert von eins bis neun. Die Daten überträgt der Versuchsleiter per Nummernblock in unsere Software »SILAB«. Zusammengeführt mit den Fahrzeugdaten können wir analysieren, ob das System zur Müdigkeitserkennung funktioniert beziehungsweise an welchen Stellen wir es verbessern müssen.

Wie viele Testfahrten sind nötig, damit der Test valide ist?

Metz: Voraussetzung ist eine gemischte Stichprobe, das heißt, Fahrer aus verschiedenen Altersstufen und sowohl Frauen als auch Männer. Insgesamt sind zehn valide Fahrten zu absolvieren.

passend zum Thema

Dr. Barbara Metz
Diplom-Psychologin Dr. Barbara Metz vom Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften.
© Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften

Wie generieren Sie die Fahrzeugdaten?

Hanig: Unser Testsystem basiert auf dem »DS-1302« von compmall, einem Embedded-PC mit Intel-i5-10500TE-Prozessor und CAN-FD-Karte. Hiermit können wir alle Fahrzeugdaten auslesen. Zum Beispiel der Lenkwinkel, die Lenkwinkelbeschleunigung, die Geschwindigkeit, das Brems- und Beschleunigungsverhalten und auch, sobald das Müdigkeitssystem aktiv wird.

Der Embedded-PC hat über eine Riser-Karte zusätzliche PCIe-Steckplätze. Wozu sind diese nötig?

Hanig: Für die Müdigkeitswarner-Evaluation brauchen wir die Steckplätze nicht. Bei anderen Projekten hingegen sind Bild- oder Videodaten nötig und wir ergänzen den PC mit einem Frame Grabber oder einer dedizierten Grafikkarte.

Warum haben Sie sich für den DS-1302 entschieden?

Hanig: Wir starteten anfangs mit Consumer-PCs, die aber für die Bedingungen im Fahrzeug nicht geeignet waren, da sie weder für Minusgrade noch für Hitze ausgelegt sind. Die DS-Serie, damals noch der »DS-1002«, hat hinsichtlich Robustheit unsere Anforderungen absolut erfüllt. Der Embedded-PC ist zudem erweiterbar sowohl mit Schnittstellen als auch Steckplätzen für externe Karten. Ein weiterer Pluspunkt war das Ignition-Sensing-Modul, das im Computer eingebaut ist. Für manche Projekte brauchen wir diese Funktion, damit beim Start die Fahrzeugbatterie nicht überlastet wird und beim Abstellen des Motors der PC ohne Datenverlust heruntergefahren wird.

Michael Hanig
Michael Hanig vom Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften.
© Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften

Seit 2016 arbeiten Sie mit compmall zusammen. Welche Vorteile hat die Zusammenarbeit für Sie?

Hanig: Es sind verschiedene Dinge, die wir schätzen. Einmal natürlich die hohe Qualität der Embedded-PCs, zum anderen die fachliche Beratung und kompetente Unterstützung bei technischen Fragen. Der große Vorteil ist, dass compmall nicht nur Industrie-PCs verkauft, sondern Dienstleistungen anbietet, die den PC sofort einsatzfähig machen. Das heißt, wir erhalten den DS-1302 individuell konfiguriert mit Prozessor, Arbeitsspeicher, Datenspeicher, CAN-FD-Karte und Ignition-Modul. Das Betriebssystem ist in der benötigten Version installiert. Wir bekommen ein getestetes Gesamtsystem geliefert, das sofort einsatzfähig ist.

Sie setzen die Software SILAB ein, die vom Institut programmiert wurde. Was kann die Software?

Hanig: SILAB ist eine Fahrsimulationssoftware, die sowohl in Simulationen als auch bei realen Tests zum Einsatz kommen kann. Die Software spielt eine Rolle, wenn es um die Interaktion zwischen Fahrer, Fahrzeug und Verkehrsumgebung geht. Die Anwendungsszenarien sind verschieden. Wir können SILAB einsetzen, um Fahrzeugkomponenten in einem sehr frühen Entwicklungsstadium in einer realistischen Umgebung zu testen, um die Auswirkungen neuer Technologien auf das Fahrverhalten zu erforschen oder zur Diagnostik, um die Fahrleistung von Personen zu messen. Zudem eignet sie sich zum Fahrertraining.

Welches ist Ihr nächstes Projekt?

Metz: Als nächstes werden wir die Müdigkeitsfahrten mit einem Lkw durchführen, dafür ändern wir den Messaufbau. Die Befestigung wird angepasst und wir benötigen vier CAN-Channel. Des Weiteren setzen wir die Messtechnik in anderem inhaltlichen Kontext ein. So haben wir mit dem Aufbau schon Studien zur Reisekrankheit durchgeführt. Außerdem ist eine Studie zur Untersuchung eines Ablenkungswarners im Fahrzeug geplant, hierfür müssen wir den Messaufbau um eine Fahrerkamera ergänzen. Aus diesem Grund sind die flexiblen Anpassungsoptionen des DS-1302 für uns von großem Vorteil.

Vielen Dank für das Gespräch.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu compmall GmbH

Weitere Artikel zu Industrie-Computer / Embedded PC