Sind nach dem Prototyping mittels Briefmarken-Coremodulen- oder Scheckkarten-COMsrechner alle Anforderungen bekannt, lassen sich die Einsteckmodule mit dem Baseboard „verheiraten“. Das Ergebnis ist ein kundenspezifisches, komplett integriertes Mikroprozessorboard (Bild 2 rechts), welches in mittleren und großen Stückzahlen zu üblichen Bestückpreisen hergestellt werden kann.Seine spezifische LabVIEW-Hardware kann der Kunde entwickeln, produzieren und testen lassen oder dies in Lizenz selber tun. Letzteres klingt auf den ersten Blick interessant. Vorher sollten jedoch einige kritische Fragen geprüft werden: Ist das nötige Hardware-Entwickler-Knowhow (BGA, 8-10-Layer, Signalintegrität) vorhanden? Wurde genügend Entwicklungsaufwand einkalkuliert? Was, wenn ein Baustein abgekündigt wird? Gerade bei diesem letzten Punkt unterscheidet sich die Kompletthardware vom Zweiplatinenansatz, denn es bedeutet ein Redesign.
Eigene Hardware mit C-Code-Generator
In der Embedded-Welt der Mikrocontroller, Mikroprozessoren und DSPs ist die Sprache C heute der Quasi-Standard. Hier setzt National Instruments ANSI-C-Code-Generator an. Er übersetzt ein grafisches LabVIEW-Diagramm/-Blockschaltbild inklusive Mathematik- und Signalverarbeitungs-VIs in neutralen ANSI-C-Code. Schmid Elektronik kombiniert diese Technologie mit der Funktionalität der Singleboard-Computer, dem Briefmarkenrechner und , dem Scheckkarten COM und kundenspezifischer Kompletthardware. Der so erzeugte Embedded-Applikations-C-Code wird mit dem Quellcode eines µKernels verlinkt, mit den gängigen Tools (Compiler, Linker, Loader) in eine echtzeitfähige Standalone-Firmware gebaut und ins Flashmemory der Zielhardware geladen. Von dort bootet die Anwendung direkt in weniger als einer Sekunde, geht in einen zuverlässigen 24/7-Echtzeit-Betrieb über und ist gegen Einflüsse von außen weitgehend unempfindlich.
Maximale Flexibilität dank Echtzeit-Linux
Das NI „sbRIO-9651“ System-On-Module (Bild 3 rechts) und wohl auch zukünftige Versionen des NI „sbRIO 9636“ Single-Board-Computers (Bild 1 rechts) werden durch Echtzeit-Linux betrieben. Dank dessen Beliebtheit und weltweiter Verbreitung sowie dazugehörigem Ökosystem eröffnen sich speziell für vernetzte, smarte Embedded Systems neue Möglichkeiten. Installiert ist die für den Embedded-Bereich optimierte Ångström-Distribution mit einem Repository auf den Servern von NI. Damit lässt sich die „Spielwiese“ des Linux-Ökosystems nutzen, ob SQL-Datenbank, Apache-Webserver oder QT-GUI. Darüber hinaus besteht über das native „C-API“ von LabVIEW die Möglichkeit, auf die Bibliotheken des Linux-Betriebssystems zuzugreifen. Als Bootloader dient „U-boot“. Das Timing bietet sich im System stufenlos an: vom Worktask im s- und ms-Bereich über zeitkritische Tasks mit Jitter zwischen 10 und 100 µs bis zu harter Echtzeit im einstelligen µs- oder sogar ns-Bereich. Letzteres wird durch den FPGA garantiert.
Referenzdesign für mobile LabVIEW-Anwendungen
Die Entwicklung mobiler Geräte zur Daten-/Messwerterfassung oder für Serviceaufgaben ist aufwändig und mit erheblichen Kosten verbunden. Ein Referenzdesign basiert auf einem Briefmarken-Coremodul und erleichtert den Einstieg in industrielle Handmessgeräte (Bild 4). Es ermöglicht das Erstellen von Prototypen und deren Überführung in die Serie in kurzer Zeit. Zentrale Funktionen für mobile Aufgaben und Batteriebetrieb stehen standardmäßig in Hardware und Software zur Verfügung.
System-On-Module im kompakten Solarkraftwerk
Die Schweizer Firma Dsolar AGLtd entwickelt zusammen mit National Instruments und Schmid Elektronik die Hauptsteuerung für ihre energieeffiziente, autonome Solaranlage in Form einer Satellitenschüssel (Bild 5). Darin sind 36 gekrümmte Spiegel montiert, welche die Sonnenstrahlen im Brennpunkt auf das 2000-fache ihrer Energie bündeln. In diesem „Hotspot“ wird elektrische und thermische Energie mit einem Wirkungsgrad von 80% (!) gewonnen. Dabei kommt ein von IBM entwickeltes, aktives Kühlsystem zum Einsatz, welches in deren Supercomputern zur aktiven Kühlung genutzt wird. Die „Schüssel“ dreht sich über zwei Achsen immer direkt der Sonne zu, daher ihr Kosename „Sunflower“. Das „Hirn“ des zentralen Embedded-Systems ist das NI „sbRIO-9651“ System-On-Module von National Instruments (Bild 3 rechts). Es ist über das Baseboard und dezentrale Knoten mit Dutzenden von Sensoren verbunden, vom Temperatur-, Druck- und Feuchtesensor bis zur Meteostation und Sonnensensor. Die Aktoren bestehen unter anderem aus zwei bürstenlosen 400-W-DC-Motoren. Ist das System im Feld installiert, kann von extern live via VPN darauf zugegriffen werden. Die hohe Komplexität wird neben den funktionalen vor allem durch die nichtfunktionalen Anforderungen bestimmt. Fehlererkennung und -behebung sind genauso wichtig für sicheren Betrieb wie Notfallszenarien, z.B. Ausfall kritischer Komponenten bei Sturm und Blitz. Schließlich ist ein sportlicher Zielpreis einzuhalten, damit das System auch in ärmeren Ländern installiert werden kann.
Der Autor:
Dipl. Ing. FH Marco Schmid |
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ist Inhaber von Schmid Elektronik, einem mittelständischen, global tätigen Schweizer Lösungsanbieter für Industrie-Elektronik. Sein Schwerpunkt liegt bei HW/SW-Entwicklung und -produktion, grafisch programmierbaren Embedded-Hardware und Messgeräte für die Schiene. Seine Erfahrung liegt bei Embedded Systeme mit DSL's / 4GL's, grafischer Abstraktion und die Brücke zur "Low-Level-Welt" mittels C-Code-Generatoren. IoT, Cyber-Physical-Systems und smarte, dezentrale Messnetzwerke sind heute seine Interessensschwerpunkte. |
Schmid Elektronik auf der Embedded World: Halle 4, Stand 460 |