SEMI Europe: »Wir wollen nicht, dass Europa fabless wird«

23. März 2009, 9:52 Uhr | Engelbert Hopf, Markt&Technik

Europas Halbleiterbranche geht durch eine schwere Krise. Um Europa als Fertigungsstandort zu erhalten, bedarf es laut Heinz A. Kundert, President der SEMI Europe, eines verstärkten gemeinsamen Auftretens auf der politischen europäischen Bühne.

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Markt&Technik: Herr Kundert, stellt der Insolvenz-Antrag von Qimonda in Ihren Augen so etwas wie ein Fanal für die Zukunft der europäischen Halbleiterindustrie dar?

Heinz A. Kundert: Nein, es gibt eine ganze Reihe von international renommierten Unternehmen, die seit Jahren konkurrenzfähig in Europa produzieren. Sie müssen sich Tag für Tag dem globalen Wettbewerb stellen. Um es noch mal klar zu sagen: Der Fertigungsstandort Europa wäre grundsätzlich konkurrenzfähig.

Wenn Europa auf der Fertigungsseite konkurrenzfähig ist, impliziert das andere Gründe für die offenbar mangelnde Attraktivität dieses Standorts. Wo sehen Sie das Hauptproblem?

Neben hohen Lohnnebenkosten und vergleichsweise überhöhten Energiekosten spielt vor allem die Förderungspolitik einzelner Länder oder Regionen die entscheidende Rolle, ob am Ende des Jahres ein Gewinn oder ein Verlust realisiert wird. Die Wettbewerbsverzerrungen, die wir seit Jahren am Markt beobachten können, haben in erster Linie damit zu tun, dass es außerhalb Europas attraktivere Anreize und Förderungen für die Halbleiterindustrie gibt als hier.

Das ist sowohl in den USA als auch in Asien der Fall, wo eine langfristig ausgerichtete und großräumige High-Tech-Politik praktiziert wird. Wenn sich die Europäische Kommission bei ihrem Blick auf die europäische Halbleiterbranche nur auf die konsequente Umsetzung des strengen Beihilfegesetzes konzentriert, stranguliert sie diese Branche letztlich.

Gerade aber die SEMI Europe hebt doch das hohe Niveau der Halbleiterforschung in Europa hervor. Wie passt das mit der Forderung nach mehr staatlicher Förderung zusammen?

Die Zukunft der europäischen Halbleiterbranche lässt sich aber nicht nur an erstklassiger R&D festmachen. Es bedarf auch der entsprechenden Umsetzung. Die Industriegeschichte hat gezeigt, dass Forschung und Entwicklung ohne den Herstellungsprozess im eigenen Land langfristig nicht überlebensfähig ist. Dies gilt auch für die Halbleiter-Industrie, obwohl das nicht alle wahrhaben wollen. Natürlich ist es Europa in den letzten zwei Jahrzehnten gelungen, in verschiedenen R&D-Bereichen zur Weltspitze vorzustoßen. Das macht Europa ja gerade auch für internationale Unternehmen interessant.

Was nicht passieren darf, ist, dass durch nationale Begehrlichkeiten die Mittel dafür zersplittert werden. Vielmehr brauchen wir eine europäische Lösung. Die Investitionen in neue Technologien und große Chip-Fabriken sind so immens hoch, dass sie weder von einzelnen Firmen noch von einzelnen Ländern selbst finanziert werden können. Wir bewegen uns mit den Mega-Fabriken in eine Dimension, wie wir sie beispielsweise vom Flugzeugbau kennen.

Als große Unternehmen gibt es dort mittlerweile nur noch Airbus und Boeing. Mit Crolle 2 in Frankreich hatten wir den Ansatz einer europäischen Halbleiter-Lösung. Leider ist diese Allianz auseinandergebrochen. Nicht zu vergessen sind aber die mittelgroßen und kleinen Chip-Fabriken, die es in hoher Anzahl in Europa gibt und die ebenfalls vom technischen Fortschritt profitieren. Vielen davon ist es gelungen, attraktive Nischenmärkte zu erschließen und diese mit Erfolg zu verteidigen. Allerdings leiden auch sie unter der Konkurrenzverzerrung gegenüber ihren Gegenspielern aus den USA und Asien.


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