Was veranlasste Kratzer zu diesem Strategiewechsel? Kratzer beschäftigt sich immerhin seit mehr als 10 Jahren mit den MES-Themen der Elektronikfertigung, darunter Materialmanagement, Traceability und Qualitätsmanagement. »Trotz erheblicher Anstrengungen ist uns in dieser Zeit leider kein wirtschaftlicher Durchbruch gelungen und eine Besserung war nicht abzusehen«, gibt Rubner zu bedenken. »Aus diesen Gründen haben wir unser Geschäftsmodell geändert und werden künftig nur noch kundenindividuelle MES-Lösungen anbieten. Dieser Entschluss fiel nach reiflicher Überlegung aus wirtschaftlichen Gründen.« Schließlich gehöre es zu den wichtigsten Eigenschaften wachstumsstarker Familienunternehmen, sich flexibel an die Marktgegebenheiten anzupassen, so Rubner weiter. Mit diesem Strategiewechsel hofft Kratzer seinem Geschäftsbereich »Industrial Automation«, zu dessen Kerngeschäft intraFactory zählt, wieder zu mehr Profitabilität zu verhelfen, so dass dieser Bereich Schritt für Schritt zu den sehr erfolgreichen beiden anderen Geschäftsbereichen aufschließen könne. Das Team habe man eine adäquate Größe reduziert, mit der diese Aufgaben sehr gut zu erfüllen seien, erklärt Rubner weiter. Wichtige Know-How-Träger seien im Team verblieben. Freiwerdende Mitarbeiter wurden von den anderen Geschäftsbereichen übernommen, so dass auch diese weiterhin zur Verfügung stünden.
An dieser Stelle sei allerdings angemerkt, dass der einstige Bereichsleiter Industrial Automation, der wohl auch zu den entscheidenden Know-How-Trägern gezählt haben dürfte, das Unternehmen beizeiten verlassen hat.
Dabei war das Kratzer-System als eines der viel versprechenden Flaggschiffe unter den Manufacturing Execution Systemen für die Elektronikfertigung: Es umfasst fünf Module, darunter der »Material Manager«, den »Repair Manager« und das für die Fertigungshistorie zuständige »Traceability« und deckte damit die komplette Fertigungsebene ab. Aber, so unken Brancheninsider, Kratzer habe Projekte teils zu Dumpingpreisen verkauft und das könne einfach auf Dauer nicht gut gehen.
Könnten die betroffenen Unternehmen einfach den Anbieter wechseln? Die Einführung eines MES-Systems ist kosten- und zeitaufwändig und funktioniert nicht einfach »on the fly«, also während der laufenden Fertigung. Die benachbarte Software-Landschaft, also beispielsweise das ERP-System, muss mit integriert werden und alle Mitarbeiter müssen auf das System trainiert werden. Einen »Plug & Play« Ersatz wird es nicht geben. Die Migration auf ein anderes System wäre also ebenso zeit- wie kostenintensiv. Zu einer Umstellung besteht für Bestandskunden aber keine zwingende Notwendigkeit, schließlich will Kratzer die Wartungsverträge ja weiterhin erfüllen.