NPI-Initiative

»Keine Mauer zwischen Entwicklung und Fertigung«

21. Mai 2010, 12:46 Uhr | Karin Zühlke
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Kunde und EMS sollten parallel und nicht seriell arbeiten

Johann Weber, Zollner Elektronik: »Je früher der Kunde seinen EMS-Dienstleister in den Produktentwicklungsprozess einbindet, desto leichter lässt sich das Design auf den späteren Fertigungsprozess hin optimieren und umso schneller das Produkt auf den

80 Prozent der Produktkosten werden bereits in der Entwicklungsphase festgelegt. »Diese Kosten und die Folgekosten eines Produktes können wir aber zu einem erheblichen Teil beeinflussen«, erklärt Velmeden. Allein schon deshalb ist es wichtig, den EMS-Dienstleister, der das Produkt später fertigen soll, frühzeitig mit ins Boot holen, »denn schließlich sollen Entwicklung und Fertigung nicht seriell, sondern parallel arbeiten, betont Johann Weber. Es dürfe keine Mauer zwischen Entwicklung und Fertigung geben, hinter der beide Seiten vor sich hinarbeiten, so Weber weiter. »Der eine entwickelt nach bestem Wissen und Gewissen, und der anderer fertigt nach bestem Wissen und Gewissen. Das ist sicher kein zielführender Ansatz.« Vielmehr sollten beide Seiten, Kunde und EMS, parallel und nicht seriell arbeiten, fordern die EMS-Firmen. »Nur so können wir den Kunden frühzeitig über Prozesslücken informieren, ein Prüfkonzept erstellen und bei der Komponentenauswahl beraten«, fügt Rindt hinzu. 

NPI hilft Fallstricke vermeiden

Allein bei der Bauteile-Auswahl lauern einige Fallstricke, die sich recht leicht während, aber nicht nach der Design-Phase ausmerzen ließen. Denn ist das Design erst mal geprüft, verursacht es erhebliche Kosten, wenn Bauteile ersetzt werden müssen. Für viele Entwickler spielen der Produktlebenszyklus und damit das Obsolescence-Management eines Bauteils nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Das führt dazu, dass sie Komponenten eindesignen, die ihren Zenit schon überschritten haben und im ungünstigsten Fall noch während des Serienlaufs des Produkts abgekündigt oder sogar bereits vom Markt genommen werden. Auch die Komponenten-Stücklisten wurden in den letzten Jahren immer mehr eingeschränkt, und längst ist es nicht mehr Standard, dass für jedes Bauteil eine Second Source freigegeben ist, was in Zeiten langer Lieferzeiten das Problem noch zusätzlich verschärft. Besonders im Automotive-Bereich und anderen sicherheitskritischen Bereichen beschränken sich viele Hersteller aufgrund der erforderlichen Qualifizierung auf nur eine Quelle pro Bauteil. »Die Bauteile, die in den Stücklisten freigegeben werden, haben drastisch abgenommen. Früher hatten wir wesentlich mehr Möglichkeiten, teils waren drei bis vier Hersteller für eine Komponente freigegeben«, weiß Weber. »Heute dagegen ist  eine Variante freigegeben, allerhöchstes zwei, aber mehr nicht. Der Grund liegt darin, dass heute in vielen Bereichen viel kürzere Markteinführungszeiten üblich sind als noch vor fünf oder zehn Jahren. Je kürzer die Entwicklungszeiten werden, desto schwieriger wird es für die Entwickler, mehr als eine Quelle pro Bauteil zu prüfen und freizugeben.«

Entscheidend für den erfolgreichen Serienanlauf ist darüber hinaus ein durchgängiges Prüfkonzept, und auch hier gilt: Je früher der EMS die Möglichkeit hat zu testen, desto besser und kostengünstiger wirkt sich das für den Kunden aus, wie Rindt erklärt: »Wenn wir von einem Kunden ein bestehendes Produkt übernehmen und den Funktionstest erst am Ende der Wertschöpfung durchführen, müssen wir das Gerät komplett demontieren, um es zu analysieren. Wenn wir hingegen von Anfang an jede Fertigungsstufe überprüfen, verursacht das insgesamt weniger Kosten.«

Frederik Aldag, Hadimec: »Die Crux dabei ist – und das wollen wir mit unserer NPI-Initiative ändern –, dass der EMS meist ad hoc in das Projekt einsteigen musste, ohne dass es dafür bisher einen definierten Prozess gab.«
Frederik Aldag, Hadimec: »Die Crux dabei ist – und das wollen wir mit unserer NPI-Initiative ändern –, dass der EMS meist ad hoc in das Projekt einsteigen musste, ohne dass es dafür bisher einen definierten Prozess gab.«

Profil schärfen     

Dass das Thema »NPI« keine Frage der Größe einer EMS-Firma ist, sondern Mittelständler und große Unternehme gleichermaßen beschäftigt, zeigt sich allein daran, dass dem 34-köpfigen ZVEI-Arbeitskreis sowohl Mittelständler als auch große EMS-Firmen angehören. Dabei geht es den EMS-Firmen auch darum, an Profil zu gewinnen und ein Geschäftsmodell aufzubauen, das solche Leistungen entsprechend würdigt und honoriert. »Wir fangen ja nicht mit dem heutigen Tag damit an, diese Dienstleistungen zu erbringen. Dass wir als Ratgeber in der Entwicklungsphase fungieren, gehört in vielen Projekten bereits ganz selbstverständlich dazu«, stellt Aldag fest. »Die Crux dabei ist – und das wollen wir mit unserer NPI-Initiative ändern –, dass der EMS meist »ad hoc« in das Projekt einsteigen musste, ohne dass es dafür bisher einen definierten Prozess gab.« Schlussendlich soll die NPI-Initiative den Trend in Richtung Outsourcing der Fertigung an die EMS-Dienstleister positiv beeinflussen, »weil sie zeigt, dass wir vor allem beim fertigungsnahen Engineering eine umfassende Expertise vorweisen können und uns von anderen EMS-Anbietern abheben«, resümiert Aldag.


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