Obsolescence-Management

Abgekündigte Bauteile - und wer hilft?

14. September 2012, 11:37 Uhr | Karin Zühlke
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PCNs weiterzuleiten, genügt nicht

Marco Balling, productware: »Wenn wir neue Anfragen erhalten, geben wir nicht nur ein Angebot ab, sondern analysieren auch gleich die Kundenstücklisten und können auf diesem Weg feststellen, ob Bauteile in der Stückliste schon ihren Zenit überschritten haben oder ob bereits abgekündigte Produkte enthalten sind.«

Unter das Motto »Management von Bauteilabkündigungen« hat productware seinen Obsolescene-Service gestellt, den das Unternehmen kürzlich im Rahmen eines Kunden-Informationstages vorgestellt hat. Zum Kundenkreis von productware zählen vor allem Industrie-Unternehmen, die in der Entwicklung und im Vertrieb ihre Kernkompetenzen haben. Für diese Firmen fertigt productware komplexe Baugruppen in kleinen und mittleren Stückzahlen. Dass der EMS-Dienstleister obendrein auch das Obsolescence-Management übernimmt, ist laut Marco Balling, Geschäftsführer von productware, »ein Mehrwert für den Kunden, weil er sich um den Prozess der Bauteileabkündigung nicht extra kümmern muss«. Dabei ist gerade für diese Industrieklientel das Obsolescence-Management besonders wichtig, weil solche Produkte teils deutlich länger als 10 Jahre laufen.
Diesen Service bietet productware aber nicht nur für Fertigungskunden, sondern auch als einzelne Dienstleistung.
Üblicherweise informiert ein Hersteller mittels Product Change Notifications seine Vertriebspartner – meist Distributoren – und Kunden über eine bevorstehende Abkündigung. Diese PCNs erhalten im Zuge dessen auch die EMS-Firmen. Einige EMS-Firmen leiten die PCNs einfach unreflektiert and den Kunden weiter. Dieses Procedere sieht Balling allerdings kritisch, »weil dabei einfach nur Information ohne Rückmeldung weitergeben wird und sich der Dienstleister dabei darauf verlässt, dass der Kunde selbständig reagiert.«
Weil solche passiven Aktionen das Problem nicht an der Wurzel packen, geht productware einen anderen Weg: Den Kern des Obsolescence-Management-Prozesses von productware bildet die Lebenszyklusanalyse von Bauelementen, die der EMS mit Hilfe eines Rechenmodells und einer kommerziellen Online-Datenbank durchführt. Die Datenbank verarbeitet Informationen über aktuelle Absatzvolumen, Bauteileart und -alter, Abkündigungspolitik des Herstellers, Last-time-Buy- (LTB-)Meldung und End-of-Life-(EoL-)Status des Bauteils. Sie enthält u.a. Informationen für über 150 Millionen unterschiedliche Bauelemente inklusive technischer Dokumentationen von mehr als 3000 Herstellern. »Wenn wir neue Anfragen erhalten, geben wir nicht nur ein Angebot ab, sondern analysieren auch gleich die Kundenstücklisten und können auf diesem Weg feststellen, ob Bauteile in der Stückliste schon ihren Zenit überschritten haben oder ob bereits abgekündigte Produkte enthalten sind«, erläutert Balling das Procedere. Das heißt, schon in diesem frühen Stadium erhält der Kunde eine Einschätzung zur voraussichtlichen Verfügbarkeit der eingesetzten Komponenten. Das geschieht in Form eines Reports, der die Lebenszyklus-Faktoren sowohl der von productware beschafften als auch der vom Kunden beigestellten Teile beinhaltet. »So können wir in der Angebotsphase LTB- und EoL-Bauteile identifizieren und mögliche Re-Designs vermeiden«, schildert Balling. »Denn dass wir abgekündigte Komponenten in der Stückliste haben, kommt immer wieder vor.« Sind Bauteile bereits abgekündigt, ermittelt productware mögliche Alternativen und lässt diese gleich ins Angebot einfließen. Dass der EMS-Dienstleister damit einen enormen Aufwand betreibt, noch ohne einen Auftrag in der Tasche zu haben, sieht Balling quasi als Vertriebsinvestition.
 
Datenbankwerte interpretieren

Grundsätzlich reicht es aber nicht, einfach nur die nackten Datenbank-Werte an den Kunden weiterzugeben. Denn, so Balling, »eine genaue Vorhersage über den Abkündigungszeitpunkt eines Bauteils ist auch damit nicht möglich, weil alles außer Last-Time-Buy und End-of-Life gerechnete Werte sind. Diese müssen wir immer von Fall zu Fall interpretieren.« Bekommt productware den Zuschlag für das Angebot, informiert der EMS die Kunden regelmäßig über den aktuellen Obsolescence-Stand der von ihm eingesetzten Bauteile.  
Soweit die Vorgehensweise bei Neukunden. Bei Bestandskunden verhält es sich laut Balling etwas anders: »Hier werden wir oft schon in den Entwicklungsprozess mit involviert.« Der Kunde stellt productware die Vorab-Stücklisten schon in einem frühen Stadium des Entwicklungsprozesses zur Verfügung, um diese zu anlysieren und zu prüfen. In dieser frühen Phase ist es natürlich noch deutlich einfacher, auf Ersatzbauteile auszuweichen.
Was, wenn es zur abgekündigten Komponente keine Bauteil-Alternativen gibt? Auch dafür hat Balling eine Lösung parat: »In solchen Fällen gibt es beispielsweise die Möglichkeit, sich mit einem Restbestand an Bauteilen einzudecken und diese über einen längeren Zeitraum unter Stickstoffatmosphäre zu lagern.   



  1. Abgekündigte Bauteile - und wer hilft?
  2. PCNs weiterzuleiten, genügt nicht
  3. »Wir recherchieren Obsolescence-Daten auch in der Lieferkette«

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