Abfall- und Produktrecht

Wiederverwendung von Elektrogeräten neu definiert

18. September 2012, 14:25 Uhr | Von Dr. Jens Nusser und Dr. Ralf Brüning
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Abgrenzung ursprüngliches oder neues Produkt

Als Anknüpfungspunkt zur Beantwortung dieser Frage könnte es sich anbieten, auf eine tatsächlich eintretende Produktveränderung durch die Wiederverwendung abzustellen, beispielsweise wenn die Geräte nicht mehr für denselben Zweck verwendet werden. Dies entspräche auf den ersten Blick auch den Definitionen des Begriffs Wiederverwendung. Zu beantworten ist dann die Frage, wie weit die Zweckbestimmung eines Produkts reicht. Ist der Zweck einer Waschmaschine bspw. lediglich, dass sie Wäsche waschen kann, oder gehört zum Zweck auch, dass dies in verschiedenen Waschprogrammen mit verschiedener Schleuderzahl möglich ist?

Als zweites Kriterium käme in Betracht, darauf abzustellen, ob ein Produkt rechtlich zu Abfall geworden ist oder nicht. Zwar stellt auch der Begriff „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ per Definition darauf ab, dass der Zweck des Erzeugnisses beibehalten wird, dies dient jedoch nur der abfallrechtlichen Abgrenzung vom Begriff des Recyclings. Der Gesetzgeber hat sich bislang, soweit ersichtlich, keine Gedanken darüber gemacht, ob durch das Ende der Abfalleigenschaft rechtlich ein neues Produkt entsteht, das entsprechenden produktgestalterischen Rechtsanforderungen standhalten muss, oder ob es sich rechtlich noch um dasselbe Produkt handelt.

Fallbeispiel 1: Wiederverwendung von Bauteilen

Relativ leicht zu bewerten sind die Fälle, in denen Bauteile aus Geräten - egal ob gebrauchte Geräte oder Altgeräte (Abfall) - ausgebaut und sodann in neue Geräte eingebaut werden. Ökonomisch kann dies sinnvoll sein, da einzelne Bauteile teilweise eine sehr viel längere Lebensdauer haben als das Gesamtgerät, insbesondere wenn es sich um Gerätegruppen handelt, deren Vermarktbarkeit stark durch Gesichtspunkte des Produktdesigns geprägt sind. Als neue Geräte werden diese Geräte mit den wiederverwendeten Bauteilen folglich erstmals auf dem Gemeinschaftsmarkt bereitgestellt, also in den Verkehr gebracht. Vorgaben an die technischen Erfordernisse, die in diesem Fall ein Bauteil zu erfüllen hat, gibt u.a. die DIN EN 62309 [18]. Die Geräte haben sodann selbstverständlich sämtliche rechtlichen Anforderungen im Zeitpunkt des Inverkehrbringens zu erfüllen. Werden Bauteile im Rahmen einer zeitwertgemäßen Instandsetzung in Gebrauchtgeräten wiederverwendet, handelt es sich hingegen nicht um das Inverkehrbringen eines neuen Produkts.

Fallbeispiel 2: Direktvermietung

Rechtlich unproblematisch sind des Weiteren in aller Regel die Fälle, in denen sich weder Zweck noch Design des Produkts verändert und die jeweiligen Geräte noch keine Altgeräteeigenschaft erlangt haben. Möchte bspw. ein größeres Unternehmen neue, moderne IT-Geräte einsetzen, mit der Wartung, Instandhaltung und ggf. dem Austausch der Geräte jedoch nichts zu tun haben, wird ein Hersteller bzw. Leasingunternehmen beauftragt, der die IT-Geräte an den Kunden vermietet. Gleichzeitig schließt er mit dem Kunden einen Wartungs- und Instandhaltungsvertrag ab. In den Verträgen ist üblicherweise geregelt, dass die Geräte nach einer festgelegten Laufzeit an den Hersteller oder das Leasingunternehmen zurückzugeben sind, soweit nicht zuvor nicht behebbare Schäden eingetreten sind. In einer solchen Konstellation handelt es sich bei den zurückgegebenen, funktionstüchtigen Geräten rechtlich nicht um Abfall. Werden sodann „Instandsetzungsarbeiten“ an den noch weiter vermarktungsfähigen Geräten vorgenommen, so können diese später etwa in Staaten, in denen entsprechende Märkte vorhanden sind, erneut vom ursprünglichen Hersteller vermarktet werden.

Fallbeispiel 3: gewerbliche Wiederverwendung durch Dritte

Andere Geschäftsmodelle, bei denen Geräte bereits zu Abfall geworden sind und darüber hinaus andere Personen als der ursprüngliche Hersteller Instandsetzungsarbeiten an den Geräten vornehmen, können neben der bereits skizzierten Frage, wann rechtlich ein neues Produkt vorliegt, zu diversen rechtlichen Problemen führen. Der ursprüngliche Hersteller des Produkts ist nach Auslieferung der Geräte an seinen Kunden in vielen Fällen nicht mehr deren Eigentümer und hat daher auch keine rechtliche Verfügungsbefugnis mehr über sie. Dies führt ganz offensichtlich zu Problemen in den Fällen, in denen ein Dritter Altgeräte nicht fachgerecht instandsetzt oder ändert und wieder vermarktet.

Bleibt z.B. der ursprüngliche Hersteller des Altgerätes durch seine Marke - als sogenannter Quasi-Hersteller - identifizierbar, so werden die Behörden auch für dieses veränderte Geräte zunächst davon ausgehen (müssen), dass es sich bei dem Markeninhaber auch um den Hersteller nach § 3 Abs. 11 Nr. 2 ElektroG oder nach § 2 Abs. 14 a) ProdSG handelt, selbst wenn beispielsweise sicherheitsrelevante Veränderungen an den Geräten vorgenommen wurden. Daneben sind in solchen Fällen zahlreiche Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes zu beachten, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Schließlich können auch datenschutzrechtliche Fragestellungen relevant werden, wenn z.B. Daten auf Datenträgern in dem Altgerät nicht ordnungsgemäß gelöscht wurden.

Regelungen behindern die Wiederverwendung

Mit dem neuen KrWG und der Novellierung der WEEE-Richtlinie wird ein neuer Rahmen für die Wiederverwendung geschaffen, der die Wiederverwendung teilweise stärken wird. Zu nennen sind hier insbesondere der Vorzug der Vorbereitung der Wiederverwendung vor anderen Verwertungsmaßnahmen, die Förderung und Errichtung von Wiederverwendungs- und Reparaturnetzwerken sowie der Einsatz von wirtschaftlichen Instrumenten und Beschaffungskriterien zur Förderung der Wiederverwendung und Abfallbewirtschaftungspläne.

Allerdings werden viele der neuen Regelungen auch eine deutliche Einschränkung der Wiederverwendung bewirken, insbesondere die neuen Regelungen der innergemeinschaftlichen Verbringung und des Exportes. Gerade der Export in Drittstaaten ist nicht nur unter rechtlichen Gesichtspunkten differenziert zu betrachten. Grundsätzlich spricht nichts gegen den Export von gebrauchsfähigen Elektro- und Elektronikgeräten, gerade wenn hierdurch Geräte Einwohnern in Ländern zugänglich und nutzbar gemacht werden, die sonst auf solche Geräte verzichten müssten. In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch große Mengen neuer Elektro- und Elektronikgeräte in diese Länder exportiert werden. Als Problem erweist sich dann häufig die nicht ausreichende fachgerechte Entsorgungsmöglichkeit.

Problematisch ist es auch, wenn Altgeräte exportiert werden, die aus wirtschaftlichen Überlegungen in Deutschland bzw. der EU nicht mehr repariert werden können, eine Reparatur aber technisch möglich ist und mit niedrigen Stundensätzen in Drittstaaten auch wirtschaftlich durchgeführt werden kann. Wird der Export dieser reparaturfähigen Altgeräte vollständig verboten, besteht einerseits Gefahr, über das Ziel hinaus zu schießen und eine gerade im Aufbau befindliche Mikroökonomik in den Exportländern zu zerstören. Andererseits muss der Export von Altgeräten, die umweltgefährdende Stoffe, z.B. FCKW, enthalten, in jedem Fall unterbunden werden. Bei der Wiederverwendung handelt es sich also keineswegs um eine vornehmlich rechtliche Problemstellung. Vielmehr müssen in der Praxis auch eine Vielzahl von technischen und ökonomischen Aspekten berücksichtigt werden.


  1. Wiederverwendung von Elektrogeräten neu definiert
  2. Kaum Vorgaben an die Produktkonzeption
  3. Einschränkungen der Wiederverwendung
  4. Abgrenzung ursprüngliches oder neues Produkt
  5. Literatur & Autoren

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