Spannungsfeld zwischen Zeit- und Kostendruck

Testen oder nicht? Warum darüber nicht nur der Einkauf entscheiden sollte

13. Dezember 2012, 10:18 Uhr | Karin Zühlke
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ppm Raten im Vertrag verankern

Aber nicht nur beim Angebot tauchen die Testkosten als »unerwünschter Nebeneffekt« auf, auch das Vertragswerk wird in dieser Hinsicht immer undurchsichtiger. »Wir werden zunehmend mit der Tatsache konfrontiert, dass der Einkauf das Thema Qualität zwar in den Vertrag reinpacken möchte, sich aber ansonsten nicht damit befassen will«, betont Dr. Peter Schmitt, Head of Businesss Units 2&3 von CCS. »Mit unserer neuen Test-Initiative wollen wir gemeinsam Verständnis und Transparenz schaffen, was möglich ist und was nicht«. In vielen Verträgen sind die Teststrategien, mit denen die geforderte Qualität überprüft werden soll, jedenfalls meist nicht verankert. Und dieses Problem ist laut Michael Velmeden, Geschäftsführer von cms electronics, auch kein EMS-spezifisches, sondern betrifft genauso auch den OEM. Dabei ist es nach Ansicht von Velmeden und seinen Kollegen in der Runde mehr oder weniger unerheblich, ob EMS oder OEM: Die Herausforderungen oder Probleme sind ähnlich, denn auch der OEM mit Inhouse-Fertigung muss die richtigen Schritte zu einer optimalen Teststrategie innerhalb seiner Organisation tun, aber auch das findet oft nicht statt. »Wenn verschiedene Partner in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten, wird das Ganze durch die Arbeitsteilung natürlich noch einmal deutlich virolenter«, so Velmeden.  

Georg Höller, Betreuer der ZVEI PCB/EMS Division, macht an dieser Stelle noch auf den Aspekt der Produkthaftung aufmerksam, der dem Thema »Testen« zusätzliche Brisanz verleiht: »Die Partner müssen hier eine klare Schnittstelle der Verantwortlichkeiten erreichen. Auf der einen Seite bestehen Risiken bis hin zu Rückrufaktionen, auf der anderen Seite der finanzielle Aufwand eines Testkonzeptes.« Der Einkäufer geht davon aus, dass das Produkt klar definiert ist. Der EMS muss also in seinen Augen »nur« noch richtig fertigen, und am Ende kommen 100 Prozent Qualität dabei heraus.« Dass das ohne entsprechendes Testkonzept mitnichten der Fall sein kann, ist jedem Techniker klar, denn wie die Baugruppe in der Fertigung reagiert, z.B. unter anderen Aggregatzuständen, wird dabei oft nicht berücksichtigt. Testen ist ein weites und oft auch graues Feld, das viele Kunden gerne alleine dem Lieferanten überlassen. »Man geht davon aus, dass in der Produktion mehr oder weniger keine Fehler passieren und man mit Prozesskontrolle alles im Griff hat. Dem ist aber eben nicht so«, erklärt Baumgartner.

Lehnt der EMS vor diesem Hintergrund Aufträge auch ab? Das Feedback der Runde auf diese Frage ist gemischt: »Am liebsten natürlich nicht, aber man müsste es korrekterweise tun«, gibt Schmitt zu bedenken. Besonders brisant wird die Situation vor allem dann, wenn der EMS nach einer Norm zertifiziert ist. In solchen Fällen ist die Verantwortung nach Einschätzung von Schmitt deutlich höher als ohne Zertifizierung und könnte auch bis hin zu rechtlichen Konsequenzen gehen. cms electronics geht laut Velmeden den Weg, das Testen in den Verträgen zu manifestieren, und versucht, soweit wie möglich feste ppm-Raten mit dem Kunden zu vereinbaren, um sich in diesem Punkt abzusichern. »Kommt der Auftrag nicht aus unseren fünf Kernmarktsegmenten, lehnen wir Aufträge auch ab, wobei das Testen bei dieser Entscheidung eine große Rolle spielt«, antwortet Armin Koch, Vice President Sales, Melecs.  
Die Diskussion jedenfalls bringt es klar auf den Punkt: Zwischen dem Einkauf und der Fertigung klafft noch eine Kommunikations- und Verständnislücke, die es gemeinsam zu schließen gilt – und dabei soll die Initiative der ZVEI Services in EMS beiden Seiten helfen.


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