Markt&Technik ZVEI Round Table

Keine Null-Fehler-Fertigung ohne Teststrategie?

10. Dezember 2012, 8:17 Uhr | Karin Zühlke
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Die Null-Fehler-Quote ist der Wunschtraum aller Kunden. Warum zur "Null-Fehler-Strategie" aber auch eine Teststrategie gehört, diskutierten die Teilnehmer des Markt&Technik ZVEI Round Tables "Services in EMS - Warum Testen?".

Während in der Vergangenheit die Kunden aus der Automobilindustrie, Medizinelektronik und Luftfahrt Pioniere der Null-Fehler-Strategie waren, verfolgen mittlerweile auch die meisten EMS-Kunden aus den anderen Branchen dieses Ziel. Aber der Weg in Richtung »Fehlerquote Null ppm« ist steinig. In jedem Fall gilt: Der Kunde muss ein Qualitätsziel definieren. »Dann können die Partner gemeinsam daran arbeiten, wie sich das erarbeitete Ziel zu einem bestimmten Preis umsetzen lässt«, erklärt Georg Höller, Betreuer der ZVEI PCB/EMS Division.
Die Crux ist allerdings, dass nicht jeder Kunde sein Qualitätsziel von vorne herein kennt – wie die Teilnehmer der Diskussionsrunde zur ZVEI Services in EMS Initiative »Warum Testen?« feststellen.   

Einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Qualität und die Fertigbarkeit eines Produktes hat das Design. Deshalb wollen viele EMS-Firmen ihre Kunden bereits in der Entwicklungsphase unterstützen, beispielsweise durch die Auswahl der optimalen Komponenten, das fertigungs-, test- und montagegerechte Design und Zuverlässigkeitstests. Das, so Michael Velmeden, Geschäftsführer von cms electronics, sei außerdem einer der Hauptaspekte, die der Services-in-EMS-Arbeitskreis des ZVEI vor gut zwei Jahren im Rahmen der NPI-Initiative aufgegriffen hat und mit der Folgeinitiative »Die Welt des Testens« weiterführt. Dass dieser Ansatz richtig ist und sogar entscheidend für ein erfolgreiches Produkt sein kann, belegen Erfahrungen der Fertigungsunternehmen aus der Praxis: Wenn der EMS die Möglichkeit hat, bereits in der Design-Phase mitzuwirken, wirkt sich das positiv auf die spätere Fertigungsqualität aus. Auf 30 oder sogar 50 Prozent beziffern EMS-Firmen den Einfluss des Designs auf die Qualität im Fertigungsprozess.

Oft ist aber gerade das Design der sprichwörtliche Kasus Knaxus, wenn von vorne herein an der Fertigbarkeit und der Testbarkeit des Produktes vorbeientwickelt wurde. Im Hinblick auf den Fertigungsprozess schlecht entwickelte Produkte lassen sich nicht oder nur mit einem erhöhten Aufwand auf einem hohen Qualitätsniveau fertigen. So werden auch »die Testergebnisse nie besser als die Gene, die das Design mitbringt«, wie Bernd Molter bekräftigt, Leiter Entwicklung von Kristronics. In jedem Fall ist es laut Johann Weber, Vorstandsvorsitzender von Zollner Elektronik, »wichtig, hohe Qualität zu produzieren und nicht mit teueren Inspektions- und Testsystemen zu erprüfen.« Wem das gelingt, der hat auch einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Doch nicht immer »hören« die EMS-Kunden auf die Hinweise ihres Dienstleisters in punkto Design-Optimierung und Teststrategie. Einige Kunden nehmen Anregungen wohlwollend an, andere ignorieren die Hinweise – oft mit fatalen Auswirkungen. Inwieweit ein Unternehmen bzw. ein EMS-Kunde offen ist für das Thema »Testen« ist nach Meinung der Diskussionsrunde auch branchenabhängig: »Während beispielsweise Automotive-Kunden und ganz generell Unternehmen mit sicherheitskritischen Produkte schon mit der Vorgabe, eine Testmatrix zu erstellen, auf uns zukommen, wissen Industriekunden mit kleineren Losen teilweise gar nicht, dass sie ein Problem haben, wenn der Entwickler von vorneherein vergessen hat, eine günstige Testmethode einzudesignen«, so Molter. »Wir können dann natürlich das Rundum-Sorglos-Verfahren bieten, aber das kostet eben auch eine Menge Geld.«  
Wer sich also immer noch fragt, warum er seinen Fertigungsdienstleister oder auch die Inhouse-Fertigung früh ins Boot holen soll, dem sei an dieser Stelle die Lektüre der Broschüre »Die Welt des Testens« empfohlen, die der ZVEI Arbeitskreis »Services in EMS« jetzt begleitend zur gleichnamigen Initiative veröffentlicht hat.

Aber auch bei Firmen, die bereits früh mit der Fertigung zusammenarbeiten, sieht Weber Informationsbedarf, »weil sich die Test-Technologien massiv verändert haben. Mittlerweile gehören AOI, Röntgeninspektion und Boundry Scan zum Testalltag. Das muss aber in der Entwicklung auch berücksichtigt werden: Nehme ich ein Bauteil, das Boundry-Test-fähig ist? Kann ich das aufgrund der Kosten realisieren? Welche Alternativen habe ich?« Und auch für die vermeintlich »alten Hasen« aus der Automotive-Branche kommen ständig neue Anforderungen hinzu, gibt Weber zu bedenken. Alle neuen Produkte müssen hier weit über die Belastungsgrenzen hinaus getestet werden – auch unter dem Aspekt der Robustness Validation. Auch neue Technologien wie in die Leiterplatte eingebettete passive Bauteile und Halbleiter bringen neue Herausforderungen beim Testen mit sich und werfen nicht zuletzt die Frage auf, wer für die Funktionsfähigkeit einer solchen Leiterplatte verantwortlich ist. Der Leiterplattenhersteller? Oder muss der Fertiger die Funktionsfähigkeit im Wareneingang prüfen? Aspekte, die längst noch nicht geklärt sind. Fest steht aber, dass »das beratende Gespräch in der Entwicklung und Konstruktion insgesamt eine wesentlich höhere Bedeutung hat, als das in der Vergangenheit der Fall war«, so Weber.

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